Ein lebenswertes Leben für alte Menschen trotz Diabetes

Bei alten Diabetikern gibt es einige Besonderheiten - bei der Schulung, der Ernährung und bei der Therapie.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Bei alten Menschen ist zu bedenken, dass Betreuungsprobleme auch dadurch auftreten, dass der Familienzusammenhalt deutlich abgenommen hat. Dies führt bei den alten Patienten oft zu Resignation und depressiver Verstimmung. Auch in den Heimen gibt es genügend Probleme, nicht zuletzt durch das mitunter als wenig schmackhaft empfundene Essen. Da Ärzte in der Regel nicht im Heim praktizieren, sind sie sehr auf guten Kontakt zum Pflegepersonal angewiesen. Aber auch die erfreulich vielen alten Diabetiker, die nicht im Heim leben, haben ihre Probleme.

Gerade die ACCORD-Studie hat gezeigt, dass bei Langzeitdiabetikern mit kardiovaskulären Komplikationen eine zu scharfe Diabeteseinstellung nicht angezeigt ist. Ein HbA1c-Wert um 8 Prozent reicht oft aus. Man muss bedenken, dass Essen und Trinken für alte Menschen einen wichtigen Faktor bei der Lebensqualität darstellt.

Diätetische Maßnahmen lassen sich mit der "Einerregel" einfach in den Griff bringen, indem als Austausch eben 1 Scheibe Brot, 1 Yoghurt, 1 Tasse Milch, 1 Apfel, 1 Kartoffel oder ähnliches angeboten und berechnet werden. Viele alte Menschen können natürlich die Fußpflege nicht selbst machen, sie sollten es wegen Sehbehinderung und Tremor ja auch nicht tun, um keine Verletzungen zu riskieren. Professionelle Fußpflege ist dann angezeigt.

Wie sieht es nun aus mit Medikamenten? Nach längerer Laufzeit der Erkrankung werden mehr Diabetiker insulinbedürftig. Dabei sollte zunächst eine Einstellung kombiniert mit oralen Antidiabetika und der daraus resultierenden, niedrigen Insulindosis angestrebt werden. Hypoglykämien sind unter langwirkenden Insulinanaloga weniger, unter Glibenclamid jedoch sehr zu fürchten. Für die orale Therapie ist es ein großer Vorteil, dass als insulinotrope Substanzen jetzt DPP4-Hemmer (Sitagliptin, Vildagliptin) oder zu injizierende Inkretinmimetika (Exenatid und demnächst Liraglutid) angeboten werden, die den großen Vorteil des insulinotropen Effekts ohne Hypoglykämien mit sich bringen. Diese Substanzen wirken ja nur dann blutzuckersenkend, wenn der Blutzucker erhöht ist, sind also "intelligente Antidiabetika". Das Maß aller Dinge bei der oralen Therapie ist Metformin in Mono- oder Kombinationstherapie. Wie bei den Glitazonen sind aber Kontraindikationen bei älteren Menschen zu beachten. Acarbose hat Nebenwirkungen (Flatulenz), aber praktisch keine Kontraindikationen.

Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass auch alte Menschen geschult werden können. In erster Linie muss durch die Schulungsmaßnahmen die persönliche Lebensqualität verbessert werden. Seit langem besteht ein Basisprogramm für die Diabetikerschulung, das wenige, aber wichtige Grundkenntnisse vermittelt. Gruppenschulungen lassen sich auch in Altenheimen und Sozialstationen durchführen. Diese Art der Schulung hat gerade auch für alte Menschen den Vorteil, dass sie lernen, wie häufig der Diabetes bei Altersgenossen auftritt und dabei die gleichen Probleme mit sich bringt. Geschult werden müssen die Patienten in den Grundlagen des Diabetes (wenig und einfach), in der diabetesgerechten Ernährung, in der Stoffwechselselbstkontrolle und in der Fußpflege.

Keinesfalls darf Diabetes im Alter dazu führen, dass die Betroffenen ihr Leben nicht mehr als lebenswert erachten. Auch mit Diabetes kann im hohen Lebensalter ein lebenswertes Leben geführt werden.

Professor Hellmut Mehnert

Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - diesen Themen widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren. 1967 hat Mehnert die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht. Er hat auch das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland ins Leben gerufen. Mehnert ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Lesen Sie dazu auch: Wirkung, nur wenn sie gebraucht wird und keine Hypoglykämien Kinder brauchen mehr Bewegung Lebensstiländerung lindert erektile Dysfunktion Herzstiftung fordert Ampel-Zeichen für Lebensmittel Depressionsstudie mit Diabetikern wird ausgeweitet Forschungspreis zu Begleiterkrankung ausgeschrieben DDG-Jahrestagung vom 20. bis 23. Mai in Leipzig

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Perioperative Komplikationen

Allgemeinchirurgie: HbA1c präoperativ bestimmen!

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung