Mancher Reisedurchfall ist eine milde Cholera

MÜNCHEN (wst). Bei Reisen in Länder mit geringem hygienischen Standard ist Durchfall ein häufiger Begleiter. Sehr oft wird Diarrhöe dabei durch Infektionen mit Enterotoxischen Escherichia coli (ETEC) verursacht. Und manchmal ist eine vermeintlich banale Reisediarrhöe eine mild ablaufende Cholera.

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Wer in subtropische oder tropische Entwicklungsländer reist, müsse je nach Region und Reisestil mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 bis 80 Prozent mit einer Reisediarrhöe rechnen, sagt Professor Hans Dieter Nothdurft aus München. Wer die ersten zwei Urlaubswochen unbeschadet überstanden hat, darf sich ziemlich sicher fühlen, so Nothdurft bei einer Veranstaltung des Unternehmens Chiron Vaccines Behring in München. Denn 90 Prozent aller Reisediarrhöen träten zwischen drei und 14 Tagen nach der Ankunft auf.

Nach Angaben des Reisemediziners sind 80 Prozent aller Durchfälle auf Reisen bakteriell bedingt, etwa die Hälfte davon durch ETEC. Als weitere häufigere Keime kommen unter anderen Shigellen oder Salmonellen in Frage. In Cholera-Endemiegebieten könne hinter einem vermeintlichen Reisedurchfall aber auch eine mild verlaufende Infektion mit Vibrio cholerae stecken.

Nach den Ergebnissen von Touristenbefragungen dauert eine Reisediarrhöe meist drei bis vier Tage, berichtete Nothdurft. Mit Verläufen länger als eine Woche müßten 18 bis 25 Prozent rechnen, und bei zwei bis drei Prozent dauere der Durchfall vier Wochen und mehr. Ein Prozent der Patienten mit Reisediarrhöe müsse in eine Klinik, 20 Prozent seien vorübergehend bettlägrig und 40 Prozent zu Änderungen ihrer Reiseaktivitäten gezwungen.

Um das Risiko für Durchfälle auf Reisen in Ländern mit schlechter Hygiene zu minimieren, sollte konsequent die Empfehlung "cook it, boil it, peel it or forget it" befolgt werden. Von einer vorbeugenden Antibiotikaeinnahme riet Nothdurft eher ab, und der Schutz durch Probiotika sei noch nicht überzeugend belegt. Dagegen biete der jetzt in Deutschland zugelassene orale Cholera-Impfstoff Dukoral® auch einen gewissen Schutz gegen ETEC. Nach Studienergebnissen könnten 60 Prozent der Durchfälle mit diesen Keimen mit der Impfung vermieden werden, so Nothdurft.



STICHWORT

Unterschätzte Cholera- Epidemiologie

2003 wurden der WHO aus 45 Ländern 111 575 Choleraerkrankungen, davon 1894 tödlich verlaufende, gemeldet, hat Dr. Christian Schönfeld vom Tropeninstitut Berlin berichtet. Die WHO geht jedoch von einer zehn- bis 20fach höheren Dunkelziffer aus. Inadäquates Monitoring, Angst vor Handelssanktionen und Sorge vor ausbleibenden Touristen sind die Hauptgründe, warum die offizielle Cholerastatistik weit hinter der tatsächlichen Verbreitung der Erkrankung zurückbleibt. Für Epidemiologen kommt erschwerend hinzu, daß über 90 Prozent aller Cholerainfektionen relativ milde verlaufen und dann klinisch nicht von akuten Durchfällen anderer Ätiologie zu unterscheiden sind. Symptomlos Infizierte können die Keime fäkal ausscheiden und über Nahrungsmittel und Trinkwasser zur Ansteckungsquelle für andere werden. (wst)

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