Kommentar zur BCG-Studie
Wer hat Angst vor Qualität im Krankenhaus?
Wie gut ist mein Krankenhaus? Eine Studie der Boston Consultant Group legt nahe, dass die Antwort auf diese Frage nicht leicht fällt. Der Qualitätswettbewerb in Deutschland ist noch ein zartes Pflänzchen. Und die Politik berät schon über einschneidende Regulierungsinstrumente.
Veröffentlicht:Dass in Deutschland viele auch noch so schwere Operationen praktisch in jedem Waldrandkrankenhaus vorgenommen werden dürfen, ist fragwürdig. Im Weichbild Berlins zum Beispiel gibt es Häuser, die auf gerade sieben Hüfterstimplantationen im Jahr kommen.
In der Ärzteschaft ist umstritten, ob sich so tatsächlich Erfahrung und Expertise aufbauen lassen. Die Bundesärztekammer hält Mindestmengen für Operationen an Krankenhäusern als Instrument der Qualitätssicherung für ungeeignet.
Besondere Zusammenhänge zwischen Fallzahl und Behandlungsqualität wollte vor Jahresfrist auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg nicht erkennen und hat die Mindestmengenregelung des Gemeinsamen Bundesausschusses gekippt. Dass gleichzeitig in vielen Leistungsbereichen die Zentrenbildung vorangetrieben wird, zeigt aber, dass Qualität und Spezialisierung durchaus in Beziehung zueinander stehen müssen.
Patienten, die vor einer Operation stehen, haben derzeit vergleichsweise wenige Entscheidungshilfen bei der Auswahl eines Krankenhauses. Die Meinungen von Verwandten und Bekannten oder dem einweisenden Arzt geben bei den meisten den Ausschlag. Objektive Informationsquellen gibt es kaum.
Der Qualitätsreport des GBA nennt keine einzelnen Krankenhäuser, die Qualitätsberichte der einzelnen Krankenhäuser sind weitgehend unbekannt und enthalten nur wenige Kennzahlen zur Ergebnisqualität.
Sektorenübergreifende Qualitätsmessung noch schwierig
Wie sich die Behandlungsqualität im Wechsel eines Patienten vom niedergelassenen Arzt zur Klinik und zur Nachsorge zurück entwickelt, lässt sich im Moment noch gar nicht messen. Die Szene will sich nicht wirklich in die Karten schauen lassen. Ein mehr als 70 Milliarden Euro schwerer Markt - soviel geben alleine die gesetzlichen Kassen für den stationären Sektor aus - wirkt von außen betrachtet seltsam abgeschottet.
Die Intransparenz, die nicht nachvollziehbaren Mengenausweitungen in bestimmten Leistungsbereichen, Transplantationsskandale, aber auch die Gleichgültigkeit vieler Patienten, bringt nämlich ein wichtiges Gut in Gefahr: die freie Krankenhauswahl.
Derzeit beraten die künftigen Großkoalitionäre schon darüber, ob Krankenkassen bestimmte Krankenhäuser oder einzelne Abteilungen von der Versorgung ihrer Versicherten ausschließen können dürfen.
Das wäre keine Schikane. Solche Überlegungen sind unter den bestehenden Verhältnissen durchaus nachvollziehbar. Ärzte und Klinikleitungen könnten dagegen mit dem Aufbau einer ernst gemeinten Qualitätskultur ein Zeichen setzen.
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