Leitartikel zur Neurologie

Licht und Schatten liegen beieinander

Der pharmakotherapeutische Fortschritt hat den Arbeitsinhalt der Neurologie revolutioniert. Jetzt muss die Versorgung neu organisiert werden.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

In kaum einer medizinischen Disziplin werden die Extreme zwischen Zukunftsoptimismus und Gegenwartspessimismus, die Spannungen zwischen Versorgungsnotwendigkeit und Versorgungsrealität, zwischen konservativ-sektoraler und kooperativ-integrativer Medizin zu deutlich wie in der Neurologie.

In einer mehrteiligen Serie hat die "Ärzte Zeitung" eine Bestandsaufnahme der Versorgung von Patienten mit ZNS-Krankheiten gemacht.

Der Befund zeigt Handlungsbedarf: Eine der größten Sorgen der Patienten ist die Furcht vor Stigmatisierung. Und die ambulante ärztliche Versorgung ist mit viel zu wenig Ressourcen ausgestattet.

Zur Bestandsaufnahme gehört aber auch, dass viele Vertreter des Fachgebiets sich neu orientiert haben, neue Versorgungsmodelle ausprobieren und sich mit Nachbardisziplinen und nichtärztlichen Gesundheitsberufen zu vernetzen beginnen.

Im Ärzte Zeitungs Dossier ZNS stehen die therapeutischen Fortschritte bei der Bewältigung von ZNS-Krankheiten im Vordergrund.

Für zwei Krankheiten, Epilepsie und Multiple Sklerose hat es in den vergangenen Jahrzehnten, bei der MS in allerjüngster Zeit, beachtliche Fortschritte gegeben, die bei beiden unheilbaren Krankheiten den betroffenen Patienten eine deutliche höhere Lebensqualität versprechen.

Innovationen aus der Pharma-Industrie

Bedenkenwert ist, dass alle therapeutischen Innovationen aus der pharmazeutischen Industrie kommen. Sie hat den Ärzten ein inzwischen breites Arsenal an Behandlungsoptionen geschaffen, das inzwischen das Berufsbild des Neurologen deutlich verändert hat.

Haben sie sich vor 20 oder 30 Jahren noch ganz überwiegend als Diagnostiker verstanden, so steht heute die Therapie im Vordergrund - freilich mit allen Begrenzungen, die aktuelle Innovationen schaffen: Der Umgang mit neuen Arzneimittel, ihre beste Kombination und Indikation muss noch erforscht werden.

Wobei die Zulassungsbehörden in den USA und in Europa offenkundig auch zu unterschiedlichen Einschätzungen und unterschiedlichen Indikationsstellungen kommen.

Vor allem angesichts der Dynamik von Arzneimittelinnovationen auf dem Gebiet der Neurologie erscheint es wichtig, die Chancen für Erkenntnisfortschritte offen zu halten. Das ist in Deutschland nicht unbedingt gewährleistet.

Zu leicht sind der Gemeinsame Bundesausschuss und das ihn beratende IQWiG im Rahmen der frühen Nutzenbewertung geneigt, bei noch nicht sichtbarer Evidenz eines Fortschritts die Tür zuzuschlagen (siehe die Fingolimod- und Retigabin-Entscheidungen) - mit der Gefahr, Patienten, Ärzte und Forscher in Deutschland von Fortschritt abzuschneiden. Mehr Geduld wäre ratsam.

Weit näher am Patienten

Fortschritte in der Pharmakotherapie, die bessere Behandlungsmöglichkeiten schaffen, gehen einher mit einer Stärkung der ambulanten, wohnortnahen Medizin. Sie ist humaner, weil näher am Patienten, vor allen Dingen auch ein Weg zu Entstigmatisierung von Krankheiten.

Das schafft im deutschen Gesundheitswesen ein nur schwer lösbares Problem: Notwendig wäre eine Reallokation der Ressourcen auf Kosten der stationären Versorgung zugunsten der ambulanten Medizin einschließlich der für sie tätigen nichtärztlichen Assistenzberufe. Budgetierung und Subbudgetierung nach Leistungssektoren erschweren jede Neuverteilung von Mitteln.

Freilich könnte es sein, dass gerade von den Ärzte, aus der Disziplin selbst die Lösung geboren wird: und zwar, weil sich Ärzte, in diesem Fall Neurologen, mit anderen Disziplinen und nichtärztlichen Berufen problembezogen in völlig neuer Arbeitsteilung und Kooperation vernetzen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

© Vink Fan / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neuer Verschlüsselungsalgorithmus in der TI

gematik verlängert Frist für Austausch der E-Arztausweise

Lesetipps
Mit einer eher seltenen Diagnose wurde ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ursache der Hypoglykämie kam erst durch einen Ultraschall ans Licht.

© Sameer / stock.adobe.com

Kasuistik

Hypoglykämie mit ungewöhnlicher Ursache

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel

© undrey / stock.adobe.com

Kolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel