Gutachten

Nutzen von Kieferorthopädie ist unklar

Neuer Wirbel um die Kieferorthopädie: Welchen medizinischen Nutzen diese Behandlungen haben, konnte in einem Gutachten nicht festgestellt werden.

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Was bringen Zahnspangen für die Mundgesundheit? Diese Frage zu beantworten, fällt selbst Experten offenbar schwer.

Was bringen Zahnspangen für die Mundgesundheit? Diese Frage zu beantworten, fällt selbst Experten offenbar schwer.

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BERLIN. Ein vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten hält den medizinischen Nutzen von Zahnspangen und kieferorthopädischen Behandlungen für nicht ausreichend erforscht.

Die untersuchten Studien ließen „in Bezug auf die diagnostischen und therapeutischen kieferorthopädischen Maßnahmen keinen Rückschluss auf einen patientenrelevanten Nutzen zu“, heißt es in einer Meta-Studie des Berliner IGES-Instituts. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet.

Ein Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte am Donnerstag, dass das Ministerium nicht an der Notwendigkeit kieferorthopädischer Leistungen zweifle.

Langfristige Auswirkung unklar

Dem Gutachten zufolge belegen Studien zwar Erfolge bei der Korrektur von falsch stehenden Zähnen und positive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten, aber die langfristige Auswirkung etwa auf Zahnausfall oder Parodontitis würden nicht betrachtet.

Dass Zahnspangen Probleme wie Karies, Parodontitis oder Zahnverlust verringern, könne zwar nicht belegt werden, sei aber der Untersuchung zufolge auch nicht ausgeschlossen, teilte das Ministerium dazu mit.

„Prinzipiell bewertet den Nutzen einer Therapie nicht der Gesetzgeber“, hieß es weiter. Das Ministerium werde mit den Beteiligten „den weiteren Forschungsbedarf und Handlungsempfehlungen erörtern“.

Die Analyse beschäftigt sich auch mit den Ausgaben der Krankenkassen für kieferorthopädische Behandlungen. Diese seien über die vergangenen Jahre hinweg kontinuierlich angestiegen und hätten 2017 mit 1,1 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht, heißt es in der mehr als 100 Seiten langen Untersuchung.

Die verschiedenen Daten dazu seien aber nur eingeschränkt vergleichbar. „Auf Basis der Daten kann daher nicht beurteilt werden, ob die Ausgaben in der kieferorthopädischen Versorgung den Kriterien der Wirtschaftlichkeit genügen“, schreiben die Autoren.

Bundesrechnungshof sieht Missstände

Im Frühjahr hatte bereits der Bundesrechnungshof eine unzureichende Erforschung des medizinischen Nutzens kieferorthopädischer Behandlungen wie etwa Zahnspangen bemängelt.

Das Bundesgesundheitsministerium gab anschließend das nun vorliegende Gutachten in Auftrag. Nach Angaben des Bundesrechnungshofes geben die Krankenkassen jährlich rund 1,1 Milliarden Euro für kieferorthopädische Behandlungen aus.

„Bild“ berichtete weiter unter Berufung auf ein Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums an den Bundestag, dass das Ministerium nun den GKV-Spitzenverband am Zug sehe. Dieser müsse den Nutzen der Behandlungen bewerten. So etwas sei „keine staatliche Aufgabe“.

In einigen Wochen aber wolle das Ministerium ein „Expertengespräch“ zum dem Thema durchführen. (dpa)

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 03.01.2019 um 13:25 Uhr.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 03.01.201920:16 Uhr

Kardiologie vs. Kieferorthopädie

Schon erstaunlich! Da müssen in der Kardiologie für jede noch so kleine Intervention (z.B. "bare-metal-stent" BMS vs. "drug-eluting-stent" DES oder Medikation (z.B. ASS 100 in der Primär- oder Sekundärprophylaxe) die Morbiditäten, Co-Morbiditäten, die morbiditätsbezogene und die allgemeine Mortalität herausgerechnet werden, um zu hohen Evidenzgraden bei Leitlinien-Empfehlungen bzw. Evidenz-based-Medicine (EbM) zu gelangen.

Kieferorthopäden haben diese Probleme nicht. Sie schenken uns ein strahlendes Lächeln, um die Sinnhaftigkeit ihres Tuns zu belegen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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