Nutzenbewertung

Experte rät zu früher Beratung mit dem GBA

Für Krebsmittel fällt die Nutzenbewertungs-Bilanz bisher deutlich besser aus als für Innovationen zu anderen Anwendungsgebieten. Aus Pharma-Sicht ein Indiz, dass das Verfahren noch weiter nachzuschärfen wäre.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

KÖLN. Mit Blick auf die frühe Nutzenbewertung sollten Pharmaunternehmen frühzeitig das Gespräch mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) suchen, empfiehlt Dr. Galin Michailov, Ressortleiter Health Economics and Outcomes Research beim Biotechunternehmen Amgen. Bei einer Frühberatung noch während der Studien-Planung könnten die Firmen Fragen zu Endpunkten, Dauer und Konzept stellen, so Michailov bei der MCC-Fachkonferenz "Onkologie 2017" in Köln. "Die Beratungsgespräche sind nicht rechtsbindend, aber ich würde vermuten, dass der GBA zu seinem Wort steht."

Bei den bisherigen Nutzenbewertungen haben Onkologika besser abgeschnitten als andere Arzneimittel. Nach Daten das Pharmaverbands vfa wurde bei 143 abgeschlossenen Verfahren ohne das Anwendungsgebiet Onkologie zu 45 Prozent ein Zusatznutzen festgestellt; bei den Onkologika waren es 80 Prozent. Werden Orphan Drugs ausgeklammert, ist das Verhältnis 34 Prozent (ohne) zu 72 Prozent (mit Zusatznutzen). Michailov sieht mehrere Gründe für die bessere Bewertung onkologischer Wirkstoffe. So hätten hier die erhobenen Endpunkte eine besondere Relevanz. "Die onkologischen Verfahren können eher Daten vorlegen, die bei der Bewertung zur Feststellung eines Zusatznutzens führen". Als wichtigen Faktor sieht der Experte auch das Engagement der onkologischen Fachgesellschaften, die eine aktive Rolle spielten. Michailov: "Im nicht-onkologischen Bereich beteiligen sich die Fachgesellschaften nicht richtig am AMNOG-Prozess".

Trotz der besonderen Situation der Krebstherapeutika sei auch in diesem Segment nicht alles in Ordnung. So sei das Erstattungsniveau seit Inkrafttreten des AMNOG unter den europäischen Durchschnitt gesunken. "69 Prozent der deutschen Preise liegen unter dem Mittel, 30 Prozent sogar unter dem niedrigsten Vergleichspreis." Bei den Onkologika seien neun Prozent nach Nutzenbewertung und Erstattungsbetragsverhandlung zurückgezogen worden. Zum Vergleich: Bei den übrigen Arzneien gingen 26 Prozent aus dem Markt. Das Problem ist für Michailov in vielen Fällen nicht das AMNOG selbst, sondern die Rahmenbedingungen. Etwa, dass Studien mit geringerer Evidenz nicht akzeptiert und berücksichtigt werden. "Man kann nicht immer die Daten vorlegen, die vom System gefordert werden." Die für die Bewertung zugrunde gelegte zweckmäßige Vergleichstherapie unterscheide sich zum Teil von der, die in anderen Ländern Standard ist. Kritisch findet Michailov auch, dass nur patientenrelevante Endpunkte akzeptiert werden. Wünschenswert sei die Akzeptanz neuer Endpunkte, etwa der Zeit bis zur nächsten Behandlung oder des progressionsfreien Überlebens – ein Surrogat-Endpunkt, der in der Medizin schon anerkannt werde. Die Ansprüche an die Studiendesigns seien sehr hoch. Die Forderung, nur randomisierte kontrollierte Studien zuzulassen, bezeichnete er als sehr strikt. "Das existiert anderswo so nicht."

An den genannten Punkten sollte das AMNOG modifiziert werden, forderte Michailov. Zu einer sinnvollen Weiterentwicklung gehöre auch die stärkere Berücksichtigung der Patientensicht und eine forcierte Beteiligung ärztlicher Fachgesellschaften. Sinnvoll sei zudem, die Innovationsdynamik in Indikationsgebieten mit vielen neuen Therapien zu berücksichtigen. "Das AMNOG-System reagiert nicht flexibel genug." Auch sei eine bessere Abstimmung zwischen den Zulassungsbehörden und den Bewertungsagenturen nötig, insbesondere bei bedingten Zulassungen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Abb. 1: Finale Analyse der SPOTLIGHT-Studie zum fortgeschrittenen, Claudin-18.2-positiven und HER2-negativen Adenokarzinom des Magens/AEG: Gesamtüberleben (PPS-Population)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Adenokarzinom des Magens/gastroösophagealen Übergangs

Zolbetuximab: Standardtherapie bei CLDN18.2+/HER2− Magenkarzinomen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Astellas Pharma GmbH, München

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau

Lesetipps
Hypochlorite desinfizieren gut, sind aber auch giftig und ätzend. In diesem Therapieversuch war die Chemikalie wirksam gegen eine Infektion der Haut mit Polyoma-Viren.

© Malivi / stock.adobe.com

Kasuistik

Trichodysplasia spinulosa: Die Säure hat geholfen

Herzinfarkt: Mehr als die Hälfte der Herzinfarkte ging in einer Studie bei Frauen unter 65 Jahren auf andere Ursachen als eine Atherosklerose der Herzkranzgefäße zurück. (Symbolbild mit Fotomodell)

© My Ocean studio / stock.adobe.com

An Embolie und Dissektion denken!

Junge Frauen mit Herzinfarkt: Oft ist es keine Atherosklerose