Geburtshilfe-Station in Daun

„Uns hat das Vorgehen sehr verwundert“

Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler hat im Interview wenig Verständnis für die kurzfristige Schließung der Geburtshilfe-Station in Daun.

Von Lydia Schumacher Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Frau Bätzing-Lichtenthäler, wann haben Sie von der Schließung der Geburtshilfe-Station in Daun erfahren?

Sabine Bätzing-Lichtenthäler: Die Geschäftsleitung des Maria-Hilf-Krankenhauses teilte uns Ende Oktober mit, dass der Gesellschafterbeschluss die Schließung zum Jahresende vorsieht.

Ist dieses Vorgehen üblich?

Bätzing-Lichtenthäler: In Rheinland-Pfalz haben einige Träger kleine Geburtshilfe-Abteilungen geschlossen. Sie haben uns frühzeitig informiert, so konnten wir dann gemeinsam einen Übergangszeitraum gestalten. Das war in Bezug auf Daun alles nicht der Fall. Uns hat das schon sehr verwundert!

Warum hat Sie das verwundert?

Bätzing-Lichtenthäler: Zur Erarbeitung des Landes-Krankenhausplanes hatten wir kurz vorher noch zahlreiche Gespräche mit dem Träger, der Gesellschaft der Katharinenschwestern in Berlin, geführt. Da wurde die Schließung noch nicht angekündigt. Deshalb haben wir ja den Versorgungsauftrag für die Geburtshilfe erteilt und Planbetten ausgewiesen.

Was haben Sie unternommen?

Bätzing-Lichtenthäler: Ich habe mit der Geschäftsführerin telefoniert und gefragt, was wir tun könnten, um die Schließung zu verhindern. Der Erhalt war ja unser Ziel. Aber es ist bei der Deadline geblieben – ohne Übergangsphase!

Kann man mit Geburten keine Gewinne erzielen, oder sehen Sie andere Ursachen?

Bätzing-Lichtenthäler: In der Regel schließen kleine Abteilungen, die mit Belegärzten geführt werden. Das System können sie heute kaum noch aufrechterhalten. In Daun haben sich zwei Belegärzte alles geteilt. Einer hat bereits ein fortgeschrittenes Alter erreicht, dann wäre nur noch ein Belegarzt übrig gewesen.

Der Träger war nach eigenen Aussagen aufgrund einer neuen Risiko-Bewertung zu dem Schluss gekommen, die Geburtshilfe zu schließen.

Andernorts wurden aus kleinen Geburtshilfen Hauptfachabteilungen. Wäre das eine Lösung für diese Region gewesen?

Bätzing-Lichtenthäler: In Simmern ist das gelungen, dort ist aber zusätzlich ein Brustkrebszentrum im Angebot. In Daun ist das Leistungsspektrum für eine Gynäkologie und Geburtshilfe zu gering. Eine Hauptfachabteilung hat einen hohen Personalbedarf, das kann man nicht ausschließlich für 400 Geburten im Jahr vorhalten. Für Hauptfachabteilungen gibt es einen Sicherstellungszuschlag. Davon haben in Rheinland-Pfalz schon Krankenhäuser Gebrauch gemacht….

Gibt es den nicht erst dann, wenn das gesamte Krankenhaus in eine wirtschaftliche Schieflage gerät?

Bätzing-Lichtenthäler: Sicherlich sind da Voraussetzungen zu erfüllen. In der Vulkaneifel war man sogar bereit, die Kreisumlage zu erhöhen, um die Geburtshilfe zu halten. Fakt ist aber: es scheitert nicht nur am Geld.

Der zuständige Landrat hat anlässlich der Schließung gesagt, da kollabiere das Gesundheitssystem vor seinen Augen. Der Deutsche Hebammenverband hält die Situation in der Eifel für gefährlich. Was sagen Sie beiden?

Bätzing-Lichtenthäler: Zunächst kann ich sagen, dass die umliegenden Krankenhäuser die Kapazitäten haben, um die Schwangeren aus der Vulkaneifel zu versorgen. Sollten diese nicht ausreichen, würden wir den Ausbau weiterer Kreißsäle unterstützen. Ich komme aus dem Westerwald und weiß, was Winter in einem Mittelgebirge bedeutet. Deshalb habe ich veranlasst, dass für ein halbes Jahr ein zusätzlicher Rettungswagen nur für den Transport von Schwangeren in Daun zur Verfügung gestellt wird.

Die Geburtshilfe in Daun war die letzte im Kreis. Welche Konzepte können dort in Zukunft greifen?

Bätzing-Lichtenthäler: Boarding-Konzepte wären denkbar, wie wir sie von den Inseln kennen (*). Umliegende Krankenhäuser haben die Idee von Familienzimmern ins Gespräch gebracht. Dort könnten Frauen schon in der Latenzphase der Geburt untergebracht werden. Wir werden außerdem die Einrichtung von Geburtshäusern vor Ort diskutieren.

Sollte Wohnortnähe ein Qualitätskriterium in der Geburtshilfe sein?

Bätzing-Lichtenthäler: Ein besserer Begriff ist die Erreichbarkeit. Hier gibt es bereits einen Konsens auf Bundesebene durch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses. Demnach sollte eine Geburtshilfe für die meisten Menschen innerhalb von 40 Minuten erreichbar sein. Das ist meines Erachtens ein guter Weg.

Der Deutsche Hebammenverband fordert, die Geburt aus dem Fallpauschalen-System rauszunehmen. Wäre das eine Lösung?

Bätzing-Lichtenthäler: Darüber kann man diskutieren. Wir müssen aber vielmehr über die Haftpflichtprämien bei jungen Ärzten und bei Hebammen reden. Der andere Punkt sind fehlende Fachkräfte aus beiden Disziplinen im ländlichen Raum. Das ist die größere Herausforderung.

Steht zu befürchten, dass angesichts steigender Geburtenzahlen das Risiko für werdende Mütter und ungeborene Kinder auf dem Land steigt?

Bätzing-Lichtenthäler: Die Geburtenraten stiegen von 2013 bis 2016 unerwartet. Diese Entwicklung führte vornehmlich zu Engpässen in den Großstädten. Die Auswirkungen müssen daher regional genau betrachtet werden. Ich sehe hier in Deutschland kein Risiko.

Würden Sie jungen Paaren mit Kinderwunsch raten, in die Vulkaneifel zu ziehen?

Bätzing-Lichtenthäler: Ich würde ihnen nicht davon abraten, denn in Bitburg, Mayen, Wittlich oder Trier können sie entbinden. Frauen, die jetzt schwanger werden, stellen sich darauf ein, das wird funktionieren.

(*) Dort werden Frauen möglichst zwei Wochen vor der Geburt ausgeflogen und im Krankenhaus untergebracht, wo sie ihr Kind zur Welt bringen. (Anmerkung d. Red.)

Lesen Sie dazu auch: Krankenhausplanung: Wenn Mami weit fahren muss

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