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Neue Leitlinien bei Vorhofflimmern

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Besteht Vorhofflimmern? Fast alle Betroffenen sollten eine antithrombotische Prophylaxe gegen Thromboembolie und Schlaganfall erhalten.

Besteht Vorhofflimmern? Fast alle Betroffenen sollten eine antithrombotische Prophylaxe gegen Thromboembolie und Schlaganfall erhalten.

© Hake / imago

Für die Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern gibt es jetzt neue Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie. Verändert haben sich die Leitlinien zur Antikoagulation und zur antiarrhythmischen Therapie.

Von Peter Overbeck

München. Die neuen Vorhofflimmern-Leitlinien hat Professor John Camm aus London jetzt beim ESC-Kongress in München erstmals vorgestellt worden. Geichzeitig wurden die Empfehlungen im "European Heart Journal" (online 24. August) publiziert.

Gemäß den neuen Leitlinien sollten nahezu alle Patienten mit Vorhofflimmern eine antithrombotische Therapie zur Thromboembolie- und Schlaganfall-Prophylaxe erhalten. Ausnahmen bilden nur Patienten, bei denen aufgrund des Alters (unter 65 Jahre) oder eines "lone atrial fibrillation" von einem niedrigen Risiko auszugehen ist oder bei denen Kontraindikationen bestehen.

Zur Abschätzung des Schlaganfall-Risikos sollte der CHA2DS2-VASc-Score herangezogen werden. Bei einem Risikoscore bei 0 wird eine antithrombotische Therapie als nicht erforderlich erachtet - auch nicht mit Acetylsalicylsäure (ASS).

Bei einem Score von 2 oder höher ist eine orale Antikoagulation - sei es mit einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) oder einem neuen oralen Antikoagulans (NOAC) - zwingend erforderlich.

Auch bei einem Score von 1 sollte eine orale Antikoagulation in Abwägung des Blutungsrisikos und unter Berücksichtigung der Präferenz des Patienten erwogen werden.

Die aktualisierten Leitlinien räumen den NOACs (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban) wegen ihrer höheren Wirksamkeit und Sicherheit sowie bequemeren Anwendbarkeit erstmals einen gewissen Vorrang ein. Zwar wird auf eine explizite "First-Line"-Klassifizierung verzichtet. Gleichwohl sollte, so die Empfehlung, bei indizierter Antikoagulation "für die meisten Patienten" eines der NOACs anstelle einer Antikoagulation mit VKA "in Betracht gezogen" werden.

Auf die bevorzugte Empfehlung eines der drei NOACs legen sich die Leitlinien mangels ausreichender Evidenz nicht fest.

Plättchenhemmung degradiert

Die Plättchenhemmung ist in ihrer Bedeutung bei Vorhofflimmern klar degradiert worden. Bei Patienten, die eine orale Antikoagulation ablehnen, wird dieser Form der Prophylaxe - wenn möglich mit ASS plus Clopidogrel - nur noch eine "Nischen"-Indikation eingeräumt.

Neue Empfehlungen gibt es auch zur antiarrhythmischen Therapie. So wird erstmals dem Antiarrhythmikum Vernakalant eine ausführliche Würdigung zuteil.

Für Patienten, bei denen eine medikamentöse Kardioversion geplant ist und bei denen keine oder nur eine mäßig ausgeprägte strukturelle Herzerkrankung besteht, wird nun neben anderen Substanzen als effektive Option auch die intravenöse Behandlung mit Vernakalant empfohlen. Dies gilt auch für Patienten mit postoperativem Vorhofflimmern nach Herzoperationen.

Auch Dronedaron ist einer Neubewertung unterzogen worden. Die Substanz wird weiterhin für die antiarrhythmische Rezidivprophylaxe bei Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern empfohlen, wobei auf seine im Vergleich zu Amiodaron schwächere Wirksamkeit hingewiesen wird.

Eine Konsequenz aus den Ergebnissen der PALLAS-Studie ist die Empfehlung, dass Patienten mit permanentem Vorhofflimmern keine Behandlung mit Dronedaron erhalten sollten.

Verwiesen wird auch auf die geänderte Zulassung, wonach die Substanz bei hämodynamisch instabilen Patienten mit Herzinsuffizienz oder linksventrikulärer Dysfunktion kontraindiziert ist. Von einer gleichzeitigen Behandlung mit Digoxin wird abgeraten. Die Einleitung einer Dronedaron-Therapie sollte in der Hand eines "Spezialisten" liegen.

Vorhofohr-Verschluss in Leitlinien

Auch der Vorhofohr-Verschluss mit einem Okkluder-System hat als interventionelle Therapieoption Eingang in die Leitlinien gefunden.

Diese kathetergestützte Behandlung kommt demnach bei Patienten mit hohem Schlaganfall-Risiko in Betracht, die wegen Kontraindikation keine langfristige orale Antikoagulation erhalten können.

Allerdings wird nicht verschwiegen, dass die wissenschaftliche Datenlage noch nicht ausreichend ist und die Empfehlung deshalb nur einen "Experten-Konsensus" zur Grundlage hat.

ESC-Kongress-Dossier mit allen aktuellen Beiträgen auf www.springermedizin.de

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