ADHS bleibt, die Symptome ändern sich

Ein ADHS verschwindet nicht plötzlich mit dem 18. Geburtstag: Bei etwa zwei Dritteln der Kinder und Jugendlichen persistiert die Krankheit bis ins Erwachsenenalter. Die Symptome ändern sich allerdings.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Problematischer Geburtstag: Bei Erwachsenen persistiert ADHS meist weiter, doch die Kassen wollen nicht zahlen.

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© Jjava / fotolia.com

HAMBURG. Nach den Ergebnissen mehrerer Langzeitstudien wächst sich die Erkrankung nur bei den wenigsten ADHS-Patienten aus. Die meisten - je nach Studie sind das zwei Drittel bis drei Viertel - haben auch als Erwachsene Symptome, berichtet die Kinderneurologin Dr. Kirsten Stollhoff aus Hamburg (pädiatrie hautnah 2010; 1: 14). Dies macht sich auch in der Prognose bemerkbar: In einer kleinen deutschen Verlaufsstudie mit 48 Patienten lebten über 60 Prozent der jungen Erwachsenen mit ADHS noch bei ihren Eltern, ohne ADHS waren es nur halb so viele. Ein Viertel war auch im Alter von 25 bis 33 Jahren nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen: Sie lebten entweder weiter mit den Eltern, einige waren auch straffällig geworden und inhaftiert. Schwierigkeiten hatten besonders Patienten mit schwerem ADHS, mit zusätzlichen Depressionen sowie mit Eltern, die selbst psychische Probleme hatten, etwa Angst, Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen.

Dagegen waren bei schwacher Symptomatik, hoher Intelligenz der Betroffenen, guter medikamentöser Compliance sowie tatkräftiger Unterstützung der Eltern die Chancen gut, den Alltag als junge Erwachsenen zu bewältigen. Insgesamt erfüllte noch die Hälfte der Kinder auch als Erwachsene die DSM-IV-Kriterien für ADHS. Allerdings, so Stollhoff, sagt dies mitunter wenig aus, da sich die ADHS-Symptome bei jungen Erwachsenen oft verändern:

  • Die motorische Unruhe verschwindet meist beim Übergang ins Erwachsenenalter. Hochfrequentes Fußwippen oder häufige Fingerbewegungen können persistieren. Die Patienten empfinden zudem oft eine unangenehme innere Unruhe.
  • Unaufmerksamkeit bleibt dagegen bestehen. Oft genügt schon ein normaler Geräuschpegel, um die Fokussierung auf eine Aufgabe zu verhindern. Zugleich können sich die Patienten aber auf bestimmte Aufgaben hyperfokussieren, wenn sie ihnen besonders interessant erscheinen. Sie widmen sich diesen Aufgaben dann intensiv und ausdauernd, vergessen dabei aber, Alltagsaufgaben zu erledigen. Generell fällt es ihnen schwer, Termine einzuhalten oder pünktlich zu erscheinen - sie verpassen dadurch nicht nur Züge und Flugzeuge, sondern gelten als unzuverlässig.
  • Auch die Impulsivität bleibt problematisch. Aus den Kindern mit Wutanfällen werden jähzornige Erwachsene. Sie reagieren mitunter sehr stark auf Ungerechtigkeiten, kaufen aus einem Impuls heraus Dinge, die sie sich nicht leisten können, essen zu viel, oder wechseln häufig die Partner. Verschuldung, Übergewicht oder Frühschwangerschaften können die Folge sein.
  • Motivationsprobleme sind auch bei Erwachsenen mit ADHS zu beobachten. Routineaufgaben werden als langweilig abgetan und vermieden, ein hohes Abwechslungsbedürfnis führt zu riskantem Verhalten. Viele suchen den "Kick", auch im Straßenverkehr, andere begeistern sich für Risikosportarten. Die hohe Risikobereitschaft geht oft mit dem Konsum von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen einher. Drogen werden aber auch zur Selbstmedikation geschätzt. So beeinflussen Stimulanzien wie Nikotin und Kokain den Dopamintransport in einer ähnlichen Weise wie auch ADHS-Medikamente - allerdings mit erheblichem Suchtpotenzial. Entsprechende Drogen werden von einem Drittel bis der Hälfte der ADHS-Kranken konsumiert.

Die gute Nachricht: Einige Symptome verschwinden tatsächlich. So haben Erwachsene mit ADHS kaum noch motorische Defizite oder Sprachstörungen, Tics und Bettnässen sind ebenfalls selten, und auch das Sozialverhalten ist kaum noch gestört. Dagegen rücken neue Symptome in den Vordergrund: Die Prävalenz von Angststörungen und Depressionen ist bei Erwachsenen mit ADHS doppelt so hoch wie bei Jugendlichen, soziale Phobien werden bei mehr als einem Fünftel der erkrankten Erwachsenen beobachtet.

Angesichts der vielen persistierenden Symptome hält es Stollhoff für problematisch, die medikamentöse Therapie aufgrund der fehlenden Zulassung für Erwachsene mit 18 Jahren dann abrupt abzusetzen. Dies gefährde die berufliche Ausbildung und die soziale Integration der Patienten.

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