Pneumokokken-Impfung

Abwehr gegen invasive Pneumokokken

Bereits seit 1998 wird die Pneumokokken-Impfung für alle Menschen ab 60 Jahren als Standard-Impfung empfohlen. Die Impfrate dümpelt jedoch bei nur rund 20 Prozent. Dabei ist der Schutz vor invasiven Erkrankungen belegt.

Dr. Michael HubertVon Dr. Michael Hubert Veröffentlicht:
Sie sind die häufigsten Erreger ambulant erworbener Lungenentzündungen: Pneumokokken (grün).

Sie sind die häufigsten Erreger ambulant erworbener Lungenentzündungen: Pneumokokken (grün).

© science photo library / Agentur Focus | CNRI / SCI

Bei den Standard-Impfungen für Menschen ab 60 Jahren klafft bei der Pneumokokken-Impfung eine riesige Lücke. Die Impfrate liegt hier bei nur 22,5 Prozent (Epid Bull 50/2021, p5). Dabei wird die Impfung seit fast einem Viertel-Jahrhundert von der STIKO als Standard-Impfung für alle ab 60 Jahren empfohlen.

Aktualisierung (27. November 2023): Seit Ende September empfiehlt die STIKO für die Standardimpfung von Personen ab 60 Jahre den 20-valenten Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff (PCV20). Die Anwendung des 23-valenten Polysaccharidimpfstoffs (PPV23) wird nicht mehr empfohlen (EpidBull 29/2023).

Zur Erinnerung: Pneumokokken sind die häufigsten Erreger ambulant erworbener Lungenentzündungen. Schwerwiegend sind invasive Pneumokokken-Erkrankungen (invasive pneumococcal diseases, IPD), bei denen die Bakterien in normalerweise sterile Körperregionen eindringen und dort Erkrankungen hervorrufen. Es wird geschätzt, dass in Deutschland jährlich über 5000 Menschen an einer Pneumokokken-Erkrankung sterben (Homepage Robert Koch-Institut).

Hoher Schutz vor invasiven Erkrankungen

Schon Anfang der 2000er Jahre hatten Fachgesellschaften und Berufsverbände aufgerufen, die STIKO-Empfehlung verstärkt umzusetzen. Sie hatten dabei den Schutz vor allem vor invasiven Pneumokokken-Erkrankungen durch den 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (PPV23) betont. Die Effektivität der Impfung vor einer IPD wurde mit 50 bis 80 Prozent beziffert (Reinert RR et al., Positionspapier „Impfungen gegen Pneumokokken-Erkrankungen“, Aachen 2002).

Polysaccharid-Impfstoff war umstritten

Dennoch war die Impfung mit diesem Impfstoff in der Ärzteschaft immer umstritten. Denn der Schutz vor Pneumonien durch die Vakzine ist deutlich geringer als vor IPD. Noch 2015 hatten die Fachgesellschaften der Pneumologen und Geriater (DPG und DGG) die STIKO kritisiert, den falschen Impfstoff zu empfehlen. Statt PPV23 solle ein konjugierter 13-valenter Pneumokokken-Impfstoff (PCV13) empfohlen werden (Pneumologie 2015; 69: 633–637). Betont wurde hier vor allem der bessere Schutz vor Pneumonien durch den PCV13.

Durch die Corona-Pandemie rückte der Schutz vor Lungenentzündungen zügig in den Fokus. Bereits im Frühjahr des ersten Pandemie-Jahres (2020) rief der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf, Risiko-Gruppen gegen Pneumokokken zu impfen. Der Effekt: erstmals gab es beim PPV23 seit seiner Markteinführung 1983 Lieferengpässe.

Höhere Impfraten durch neue Vakzine?

Abzuwarten bleibt, ob durch den Anfang dieses Jahres zugelassenen 20-valenten Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff (PCV20) die Impfraten bei Senioren gesteigert werden. Noch gilt die Empfehlung der STIKO, den PPV23 einzusetzen. Die STIKO wird – wie immer – auf wissenschaftlicher Basis ihre Empfehlungen aussprechen und ggf. anpassen.

Nötig ist, die Impfrate gegen Pneumokokken bei Menschen ab 60 Jahren deutlich zu erhöhen. Dies kann ganz einfach geschehen: Die Erwachsenen-Gruppen, denen die Influenza-Impfung empfohlen wird, ist fast deckungsgleich mit denen für die Pneumokokken-Impfung.

Die Impfrate gegen Influenza liegt bei Menschen ab 60 Jahren bei knapp 50 Prozent (Epid Bull 50/2021, p5). Da beide Impfungen zeitgleich kontralateral gegeben werden können, könnte in der kommenden Grippe-Impfsaison die Impfrate gegen Pneumokokken ebenfalls auf 50 Prozent angehoben und damit verdoppelt werden.

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