Ältere Patienten verschleiern häufig ihre Alkohol-Abhängigkeit

Bei älteren Menschen sind Gewohnheiten schwer zu durchbrechen. Hausärzte müssen damit rechnen, dass zehn Prozent der Rentner abhängig sind.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Ein Gläschen zuviel? Experten schätzen, dass die Dunkelziffer der älteren Patienten mit einem Alkoholabusus höher als die offiziellen Zahlen ausfällt.

Ein Gläschen zuviel? Experten schätzen, dass die Dunkelziffer der älteren Patienten mit einem Alkoholabusus höher als die offiziellen Zahlen ausfällt.

© Paul von Stroheim / imago

BERLIN. Der Tod des Partners, körperliche Schmerzen oder Stress mit der Rente, dazu die Entlassung aus der beruflichen Verantwortung und das daraus folgende Infragestellen des Selbstbildes: Es gibt viele Gründe, im Alter zu viel zu trinken oder sich Benzodiazepine verschreiben zu lassen.

1,3 Millionen Menschen zwischen 60 und 69 Jahren trinken täglich Alkohol in riskanten Mengen, sagt Professor Tilman Wetterling. Etwa die Hälfte dieser Zahl könnte Untersuchungen zufolge medikamentenabhängig sein, sagte der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Vivantes-Klinikum Berlin-Hellersdorf bei der Vivantes-Veranstaltung Sucht im Alter.

Alle epidemiologischen Daten zur Sucht im Alter seien kritisch zu betrachten, sagte Wetterling. Sie lägen zu niedrig. Tatsächlich müssten Hausärzte damit rechnen, dass etwa zehn Prozent ihrer männlichen Patienten und vier Prozent der weiblichen über 75 Jahre ein Suchtproblem haben könnten.

Glaubhaft abstinent sei in dieser Altersgruppe nur ein Viertel. Problematisch sei außer dem Alkohol die Einnahme von psychoaktiven Substanzen sowie die Wechselwirkungen von Medikamenten untereinander und mit Alkohol.

Etwa die Hälfte der Benzodiazepin-Konsumenten werde abhängig, bestätigte Dr. Andreas Dieckmann, Chefarzt einer Entwöhnungsklinik. Die Sucht im Alter sollte auf jeden Fall behandelt werden, dafür plädiert Dieckmann.

Ärzte sollten bedenken, dass das Langzeitgedächtnis abhängiger Menschen auch im Alter leide. Außerdem steige der Alkoholgehalt im Blut bei Älteren schneller an.

Leichter aber falle es älteren Menschen, mit dem Rauchen aufzuhören. Außerdem verringerten sich neuropsychologische Auffälligkeiten, wenn ein Patient keinen Alkohol mehr trinke. Selbst die Hirnsubstanzminderungen seien reversibel.

Problematisch seien weniger die Langzeitabhängigen, sondern diejenigen Menschen, die erst im Alter abhängig werden - in der Regel von Alkohol, sagte Dieckmann.

Ihr sozialer Status sei oft gesichert, weswegen das fehlende Geld als Motivation für einen Ausstieg wegfalle. Von 100 Gesprächen mit Patienten aus dieser Gruppe führe nur eines zu einer Suchtbehandlung.

Der Entzug älterer Menschen unterscheide sich nicht von dem jüngerer Suchtpatienten. Allerdings hielten sich die Krankenkassen wie auch die Privatversicherer bei der Übernahme der Kosten für eine Entwöhnung älterer Menschen zurück.

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