Bildgebung - Paradebeispiel für Fortschritt

Bildgebung in der Inneren Medizin: Das ist für Professor Jürgen Schölmerich ein Paradebeispiel für fortschrittliche Patientenversorgung. Sorgen bereiten ihm dagegen die Internistische Intensiv- und Notfallmedizin. Schölmerich sieht in ihnen die "Stiefkinder der Inneren Medizin".

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Ärzte Zeitung: Herr Professor Schölmerich, für den Internistenkongress haben Sie die Bildgebung in der Inneren Medizin zu einem der Hauptthemen gemacht. Sie haben vorab zum Kongress schon mehrfach auf dramatische Fortschritte in diesem Bereich hingewiesen. Ein Beispiel?

Professor Jürgen Schölmerich: Nur ein Beispiel sind Studien, die den Stellenwert der Magnetresonanzenterographie, kurz MRE des Dünndarms definieren. So ist die MRE des Dünndarms nicht nur in der Lage, die bisherigen radiologischen Verfahren wie die Dünndarmkontrastdarstellung nach Sellink abzulösen, sondern sie kann auch im Gegensatz zu diesem Vorläufer zahlreiche Befunde außerhalb des Darmes aufdecken.

In einer Studie wurden zum Beispiel über 1000 Patienten wegen chronisch entzündlicher Darmkrankheit, wegen Verdachts auf eine solche Erkrankung oder wegen unklarer abdomineller Symptome und Befunde mit MRE untersucht. Dabei wurde bei 600 Patienten insgesamt 1113 mal ein pathologischer Befund außerhalb des Darmes, etwa der von Abszessen oder eines Tumors, erhoben.

Ärzte Zeitung: Ein solches Beispiel erweckt den Eindruck, dass es sich bei der "Bildgebung in der Inneren Medizin" um ein Thema vorwiegend für Klinik-Kollegen handelt ...

Schölmerich: Dieser Eindruck ist nachvollziehbar. Aber die Bildgebung wird beim Kongress ganz und gar nicht reines Kliniker-Thema sein.

Ich denke da zum Beispiel an neue Studiendaten, nach denen die Abdomensonographie auch bei nicht nüchternen Patienten aussagekräftige Befunde ergibt. Nach diesen Daten ist die vielfach geübte "Hungerkur" bis in den Mittag also hier mit Ausnahme der Untersuchung der Gallenblase nicht mehr nötig. Dies scheint besonders für die ambulante Medizin von erheblicher Bedeutung.

Ärzte Zeitung: Das Hauptthema Bildgebung reicht dabei ja bis in den Bereich der Intensiv-/Notfallmedizin hinein, zum Beispiel was die Anwendung der Sonographie im Intensivbereich betrifft …

Schölmerich: Das Hauptthema Bildgebung ist sicher für alle Schwerpunkte und assoziierten Gebiete der Inneren Medizin von erheblicher Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Intensiv- und Notfallmedizin. Die Sonographie als "bedside"-Untersuchung ergibt bei vielen Intensivpatienten und ebenso vielen Patienten in der Notaufnahme diagnose- und vorgehensweisende Befunde und erspart oft weitere Untersuchungen.

Studien haben ergeben, dass bei jedem zehnten Patienten auf der Intensivstation die Ultraschalluntersuchung eine Änderung der Behandlungsstrategie zur Folge hat. In jedem dritten Fall konnten die Intensivmediziner mit der Sonographie bisher unbekannte Erkrankungen finden.

Ärzte Zeitung: Die Internistische Intensiv- und Notfallmedizin sehen Sie ja ein bisschen als Stiefkinder der Inneren Medizin. Warum?

Schölmerich: Bis heute ist es nicht gelungen, die Internistische Intensiv- und Notfallmedizin als eigenen Schwerpunkt der Inneren Medizin in der Weiterbildungsordnung zu verankern. Dies hat natürlich auch den Grund, dass beide Bereiche auch von anderen Gebieten in der Medizin betrieben werden.

Nichtsdestotrotz ist die Mehrzahl der intensivmedizinischen Erkrankungen mit internistischen Aspekten verbunden. Dennoch ist es offensichtlich insbesondere für Aspiranten auf leitende Positionen in Krankenhäusern eher karrierehinderlich, wenn sie sich vorwiegend der Intensiv- und Notfallmedizin widmen.

Ärzte Zeitung: Die Konsequenz?

Schölmerich: Daraus resultiert ein Mangel an entsprechenden Weiterbildungsbefugnissen in den internistischen Kliniken und Abteilungen. Da zahlreiche internistische Erkrankungen krisenhafte Situationen bewirken können - man denke an endokrine Krisen, rheumatologische Erkrankungen mit krisenhaftem Verlauf wie die Sklerodermie oder den Lupus erythematodes, schwere Erkrankungen des Verdauungstraktes wie die akute Pankreatitis oder die gastrointestinale Blutung oder Nieren-, Lungen- und kardiales Versagen oder schließlich die Sepsis - bedarf die Intensivmedizin grundlegender Kenntnisse verschiedener Aspekte der Inneren Medizin. Dies lässt sich durch ein Consulting System nur schwer umsetzen. Dies bedeutet, dass Internisten in universitären wie nicht-universitären Kliniken entsprechende Weiterbildungssysteme aquirieren und durch entsprechende Kurse und andere Fortbildungsmaßnahmen Defizite kompensieren müssen.

Die DGIM versucht derzeit, den Ist-Status in Bezug auf Weiterbildungsbefugnisse und entsprechende Weiterbildung zu erfassen, um die exakten Ansätze zum Lösen des Problems zu erkennen.

Ärzte Zeitung: Der Internistenkongress bietet ja auch die Möglichkeit, berufspolitische Themen zu diskutieren? Welche Veranstaltungen sind hier zum Beispiel geplant?

Schölmerich: Selbstverständlich bietet der Kongress auch gute Gelegenheiten, um über Berufspolitik zu sprechen. Primär ist das dezidiert natürlich nicht die Aufgabe einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft, sondern eher die des Berufsverbandes.

Von wesentlicher Bedeutung erscheint mir auch berufspolitisch die Sicherung des internistischen Nachwuchses. Dies wird man aber weniger durch Debatten zur Berufspolitik erreichen können.

Ärzte Zeitung: Sondern eher wodurch ....?

Schölmerich: Eher durch Verdeutlichung der Attraktivität dieser "Königsdisziplin der Medizin" auch für junge Nachwuchsmediziner. Diesem Ziel widmet sich der Kongress intensiv, sowohl in der Veranstaltung "Chances" für Studenten und Berufsanfänger als auch in den fallorientierten Fortbildungssitzungen ebenso wie im Facharztpfad, der jungen Nachwuchsinternisten Hilfen bei der Vorbereitung zur Facharztprüfung geben soll.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns nur gelingt, die Innere Medizin als attraktives Fach zu erhalten, wenn wir neben einer Adaptation der täglichen Arbeit an die geänderten Lebenspläne unseres Nachwuchses auch eine Prozessoptimierung im Alltagsgeschäft realisieren. Beispielsweise durch Verlagerung von nicht zwingend ärztlichen Tätigkeiten auf entsprechend zu schulendes Personal und insbesondere durch eine familienfreundliche Personalpolitik.

Interview: Marlinde Lehmann

Der Internistenkongress findet vom 10. bis 14. April in Wiesbaden statt. Mit dem Online-Programmplaner können Termine direkt in den eigenen Outlook-Kalender übertragen werden, weitere Infos: www.dgim2010.de

Professor Jürgen Schölmerich

Studium: Professor Jürgen Schölmerich studierte von 1967 bis 1971 Mathematik und Medizin an der Uni Heidelberg und ab 1971 bis zum Medizinischen Staatsexamen 1973 Medizin an der Uni Heidelberg.

Berufliche Tätigkeiten: Seine Habilitation für das Fach Innere Medizin erlangte der gebürtige Marburger 1984 an der Uni Freiburg mit einer Schrift zu Biolumineszenztests für Gallensäuren und weitere Steroide.

Ebenfalls in den 80er-Jahren gastierte Schölmerich als Research Fellow an der University of California in San Diego. Mitte der 90er-Jahre nahm er eben dort eine Gastprofessur wahr.

Schölmerich leitet seit 1991 in Regensburg als Direktor die Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I der Uni Regensburg. Von 1996 bis 1999 leitete er das Klinikum der Uni Regensburg als Ärztlicher Direktor.

Weitere Ämter: Neben verschiedenen Ämtern in Beiräten und Gremien gehört Schölmerich seit dem Jahr 2005 als Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG an.

Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat ihn kürzlich als Präsidenten für das Jahr 2013 gewählt. (mal)

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