Pandemiebekämpfung

Impfpriorisierung für Praxen fällt in immer mehr Ländern

Immer mehr Bundesländer wollen niedergelassenen Ärzten bei der Impfung freie Hand geben. Nach Ankündigungen aus Baden-Württemberg und Bayern zogen am Donnerstag weitere nach. Die Praxen müssen sich derweil weiterhin mit der Impfstoffknappheit arrangieren.

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Impftermine gegen SARS-CoV-2: In etlichen Bundesländern müssen sich Ärzte nicht mehr an Priorisierungsreihenfolgen halten.

Impftermine gegen SARS-CoV-2: In etlichen Bundesländern müssen sich Ärzte nicht mehr an Priorisierungsreihenfolgen halten.

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Berlin/Stuttgart/München. In Deutschland zeichnet sich ein Flickenteppich von Regelungen zum Impfen in den Praxen niedergelassener Ärzte ab.

In Baden-Württemberg können niedergelassene Ärzte ab 17. Mai ihre Patienten mit allen Impfstoffen ohne staatlich vorgegebene Priorisierung impfen. Das hat das Landessozialministerium am Mittwoch bekannt gegeben. Die Entscheidung, wer wann welchen Impfstoff erhält, liegt dann vollständig in der Hand der behandelnden Ärzte.

Dieser Schritt sei in Absprache mit der KV Baden-Württemberg erfolgt, heißt es. Damit gebe man den Praxen mehr Flexibilität bei der Organisation der Impfungen und der Terminvergabe. In den Impfzentren dagegen soll die Priorisierung zunächst weiter gelten, eine Aufhebung sei ab Anfang Juni geplant.

Beifall für diesen Schritt kommt vom Landeshausärzteverband: „Viele Praxen haben Wartelisten für ihre Patienten, die jetzt ohne Rücksicht auf die Priorisierung abgearbeitet werden können“, betonte Dr. Berthold Dietsche, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg. Nun müssten nur noch bestellte Impfstoffmengen auch tatsächlich in den Praxen ankommen, forderte der Verband.

Liefermengen bleiben hinter Bestellungen zurück

Bisher könnten Praxischefs nur die Impfstoffe von AstraZeneca (Vaxzevria®) und – in sehr begrenzten Mengen – von BioNTech (Comirnaty®) bestellen. Allerdings blieben die Liefermengen in der Regel deutlich hinter den Bestellungen zurück, so der Hausärzteverband.

Bayern hat angekündigt, im Laufe der kommenden Woche die Priorisierung für alle Corona-Impfstoffe bei Hausärzten aufzuheben. Das hat Ministerpräsident Markus Söder am Mittwoch nach einer CSU-Fraktionsklausur mitgeteilt. Die Ärzte bräuchten noch etwas Zeit, sich vorzubereiten, hieß es zur Begründung.

Berlin und Sachsen heben Priorisierung ebenfalls auf

Für Haus- und sogar für Betriebsärzte hebt Berlin bereits ab Montag die Priorisierung für alle verfügbaren Corona-Impfstoffe auf. Das kündigte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit am Donnerstag auf dpa-Anfrage an. Zuvor hatte das Magazin „Business Insider“ darüber berichtet.

Wie die „Ärzte Zeitung“ aus sicherer Quelle erfuhr, will auch Sachsen die Impfpriorisierung komplett aufheben. Das zuständige Sozialministerium will diesen Schritt demnach zum 24. Mai gehen. Ende April hatte das Ministerium bereits die Impfreihenfolge für den Wirkstoff von AstraZeneca aufgehoben. Nun soll dies noch für die restlichen Impfstoffe geschehen. Für die Impfzentren soll die Impfpriorisierung hingegen noch bestehen bleiben.

In Nordrhein-Westfalen steht nach Informationen von Mittwoch eine Aufhebung der Priorisierung aktuell nicht auf dem Programm. Mit der Prioritätsgruppe 3 werde zurzeit bei den Impfungen bereits ein sehr großer Anteil der Bevölkerung erreicht, sagte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).

NRW will warten, bis die Betriebsärzte mit Impfstoff versorgt sind

„Wir haben sowohl in den Arztpraxen als auch in den Impfzentren Beinfreiheit genug.“ Laumann hält es für sinnvoll, den ursprünglichen Fahrplan beizubehalten, nach dem die Priorisierung erst an dem Tag völlig aufgegeben wird, an dem die Betriebsärzte mit Impfstoff versorgt werden. Das ist nach den bisherigen Planungen am 7. Juni der Fall.

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Kritik an der Freigabe aller Corona-Impfstoffe in Praxen kommt von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Nicht die Priorisierung ist der Hemmschuh beim Impffortschritt, sondern einzig der Mangel an Impfstoff“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Dieser Schritt werde Aggressionen zwischen Ärzten und Patienten schüren und „Konflikte zwischen den Generationen“ anheizen, glaubt Brysch.

Bestellbare Vakzine-Mengen bleiben knapp

Das eine ist die vergrößtere Freiheit beim Impfen, das andere allerdings die vorhandenenen Impfstoffmengen. Auch in der letzten Maiwoche werden Praxen lediglich 2,7 Millionen Impfdosen zur Verfügung stehen. Das hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am Mittwochabend bekannt gegeben. Demnach können Ärzte bis Dienstag, 18. Mai (12 Uhr), zwar erstmals Impfstoff von Johnson & Johnson bestellen, insgesamt bleibt die Menge aber auf dem Niveau der Woche davor. 500.000 Dosen des Vektorimpfstoffs von J&J würden in der Woche vom 25. bis 30. Mai bereitgestellt, so die KBV.

Die Bestellmengen je Praxis seien für beide Vektorimpfstoffe, also auch für Vaxzevria® (AstraZeneca), unbegrenzt. Vom mRNA-Impfstoff Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) können für Erstimpfungen lediglich maximal zwei Vials je Praxis bestellt werden – es könne auch passieren, dass manche Praxen gar kein Comirnaty® für Erstimpfungen erhalten.

Eigenes Rezept für Zweitimpfungen

Für Zweitimpfungen mit Comirnaty® sollen Ärzte auf einem separaten Rezept möglichst nur die Anzahl der Dosen angeben, die sie in der Woche vom 12. bis 18. April verimpft haben (sechs Wochen Abstand). Die Rezepte für Zweitimpfungen werden bevorzugt geliefert. In der ersten Juniwoche sollen laut KBV dann rund 3,3 Millionen Dosen des BioNTech-Impfstoffes an die Arztpraxen geliefert werden. (fst/iss/sve/ger/dpa)

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