Zwang zu gesundem Essen?

Darum bringt eine Zuckersteuer nichts!

Dass Steuern auf ungesunde Lebensmittel keine abschreckende Wirkung haben, zeigt sich beim Alkohol. Die Prävention muss an einer ganz anderen Stelle ansetzen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Die großen Zuckermengen in Softdrinks begünstigen Übergewicht und Diabetes.

Die großen Zuckermengen in Softdrinks begünstigen Übergewicht und Diabetes.

© flaviuz / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Haben die Deutschen ein Alkoholproblem? Jedes Jahr sterben 74.000 Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs, die volkswirtschaftlichen Schäden schätzt die Bundesdrogenbeauftragte auf 27 Milliarden Euro - es wäre also höchste Zeit, hier endlich mit einer Alkoholsteuer gegenzusteuern.

Dumm nur, wir haben nicht nur eine, sondern schon fünf Alkoholsteuern. Schon jetzt besteht der Preis einer durchschnittlichen Flasche Sekt zu einem Drittel aus Sektsteuer - einst eingeführt, um die kaiserliche Kriegsmarine zu finanzieren.

Das Bier wird durch die Biersteuer um etwa ein Viertel teurer, und die Branntweinsteuer verdoppelt nicht selten den Preis von Hochprozentigem, hinzukommen Alkopop- und Zwischenerzeugnissteuer. Trotz allem tut dies dem Alkoholkonsum in Deutschland keinen Abbruch.

Für Taschengeld ins Koma trinken

Den Grund bringt Dr. Raphael Gaßmann von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen auf den Punkt: "Sie können sich in Deutschland sehr Taschengeld-kompatibel ins Koma trinken." Trotz des Alkoholsteueranteils von 25 bis 50 Prozent. Was also versprechen sich die Briten von der geplanten 20-prozentigen Steuer auf hochkalorische Softdrinks?

Vor allem wohl Mehreinnahmen für den Staatssäckel, eine Steuerwirkung auf den Konsum wird wohl ausbleiben. Es dürfte den Cola-Fan nicht groß jucken, wenn sein Lieblingsgetränk plötzlich ein paar Cent mehr kostet, er kann sich weiterhin billig ins Zuckerkoma befördern.

Der Kaiser ist tot, es lebe die Sektsteuer!

Wer mit Steuern den Konsum steuern will, stößt auf ein Problem: Sind die Steuern nicht hoch genug, haben sie keinen Effekt: Selbst ein Benzinpreis, der in Deutschland durch Steuern vervierfacht wird, führt nicht dazu, dass die Autobahnen leer sind.

Natürlich könnte die Regierung die Mineralölsteuer so stark erhöhen, dass auf den Straßen Ruhe herrscht wie in Nordkorea. Das würde aber keine Regierung überleben - nur eine wie in Nordkorea.

So weit kommt es natürlich schon deswegen nicht, weil der Staat mit der Besteuerung einen Interessenkonflikt schafft: Erhöht er die Abgaben zu stark und tritt dadurch tatsächlich ein deutlicher Konsumrückgang ein, verliert er lieb gewonnene Einnahmen, weshalb Steuern allenfalls nahe an der Schmerzgrenze, aber nicht darüber liegen.

Einmal eingeführt, würde eine Zuckersteuer folglich nie so hoch sein, dass sie den Konsum spürbar dämpft. Daher hatte die Zuckersteuer in den meisten Ländern, in denen sie eingeführt wurde, kaum Einfluss auf den Verkauf von Cola und Co.

Anders sieht es nur aus, wenn ein Produkt komplett unerwünscht ist: Alkopops wurden so hoch besteuert, dass sie vom Markt weitgehend verschwunden sind. Aber das beabsichtigt bei Süßgetränken niemand.

Die Höhe einer solchen Steuer wird auch dadurch limitiert, dass sie die Falschen trifft. Die meisten von uns besaufen sich weder regelmäßig noch kippen sie fassweise Cola in sich hinein, sondern gehen verantwortungsbewusst mit alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken um.

Wenn der Staat nun die Mehrheit der Konsumenten bestraft, weil einige wenige sich daneben benehmen, darf er nicht mit Beifall rechnen, sondern mit dem Protest, falls er es mit der Steuer übertreibt.

Es ist also zu befürchten, dass jede unter dem Vorwand der Prävention eingeführte Steuer letztlich nur dazu dient, dem Staat neue Einnahmequellen zu verschaffen - sie wirkt allenfalls präventiv auf die marode Finanzlage, nicht auf die Gesundheit der Bürger.

Und einmal etabliert - das ist quasi ein Naturgesetz - wird eine Steuer nie wieder zurückgenommen: Der Kaiser ist tot, seine Flotte versenkt, nur die Sektsteuer hat überlebt.

Wann kommt die Sportmuffel-Abgabe?

Doch was berechtigt eine Regierung, sich so weit in die Konsumgewohnheiten der Bevölkerung einzumischen? Softdrinks mit 10 Prozent Zucker halten die Briten für böse, Apfelsaft mit 12 Prozent für gut, das entbehrt jeglicher Logik. Anstatt sich dermaßen aufs Glatteis zu begeben, hätte die Politik ganz andere Möglichkeiten, Prävention zu fördern.

Sie könnte den Zuckergehalt in Getränken begrenzen, wenn sie darin einen Nutzen sieht. Doch optimal wäre auch ein solcher Ansatz nicht. Besser als die Bürger mit Verboten und Steuern zu gängeln und zu bevormunden - demnächst kommt wohl noch die Fast-Food-Gebühr und die Sportmuffel-Abgabe -, sollte man sie stärker in die Verantwortung nehmen.

Letztlich ist es doch irrelevant, ob sich die Speckröllchen durch Softdrinks oder zu wenig Bewegung breit machen, entscheidend ist, dass hier jemand nicht genug für die Gesundheit tut.

Finanzielle Anreize schaffen!

Damit sich das ändert, wäre es wichtiger, geeignete Anreize zu schaffen - durchaus auch finanzielle. Die Aussicht, ohne Übergewicht, Raucherlunge und alkoholzersetzter Leber 20 Prozent weniger Krankenkassenbeiträge zu zahlen, dürfte weit mehr Menschen von einem gesunden Leben überzeugen als eine 20 Prozent höhere Steuer auf Alkohol, Tabak und Cola.

Wenn Prävention schon übers Geld geregelt werden soll, dann bitte nicht mit Steuern, sondern über Versicherungsbeiträge, die sich eben auch am individuellen Gesundheitsverhalten orientieren! Ein Bonus von 100 oder 200 Euro, wie ihn manche Kassen gewähren, wird jedoch kaum jemand hinterm Ofen hervorlocken.

Hier wären 20 Prozent eine andere Nummer - damit ließe sich tatsächlich etwas steuern.

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