Forschung

Depression? Die Pupille kann’s verraten

Die Reaktion der Pupille gibt Hinweise, ob ein Mensch depressiv oder gesund ist, legt eine Studie des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie nahe. Auch die Schweregrade einer Depression könnten durch Pupillenmessung unterschieden werden.

Von Lena Jamaszyk Veröffentlicht:
Neue diagnostische Option? Mithilfe einer Messung der Pupillenweite können Wissenschaftler depressive und gesunde Menschen unterscheiden.

Neue diagnostische Option? Mithilfe einer Messung der Pupillenweite können Wissenschaftler depressive und gesunde Menschen unterscheiden.

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München. Wird es bald möglich sein, die Diagnose „Depression“ unabhängig von den subjektiven Angaben der Patienten zu stellen? Forscher des Max-Planck-Instituts (MPI) für Psychiatrie in München sind hier optimistisch. Sie haben beobachtet: Die Pupille erweitert sich bei Aussicht auf Belohnung bei akut depressiven Patienten weniger, als bei Gesunden (Brain Sci. 2020, 10(12), 906; online 25. November ).

„Wir waren auf der Suche nach einem Marker für Differenzen der Depressionsschweregrade. Unsere Beobachtung: Je stärker die Depression und je mehr Symptome vorliegen, desto kleiner ist die Pupillenerweiterung während der Belohnungserwartung“, erklärt Professor Victor I. Spoormaker vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“. Die neu gewonnenen Erkenntnisse könnten langfristig zu einer fundierteren Diagnose führen, die nicht nur auf den Aussagen der Patienten basiere, sondern biologisch begründet sei. Daraus abgeleitet könne künftig vielleicht auch die antidepressive Therapie mit Medikamenten individueller angepasst werden.

Untersuchungen im MRT

In ihrer Studie haben die Forscher um Spoormaker 41 Patienten berücksichtigt, die alle vordefinierten Studienkriterien erfüllten; unter anderem musste eine Depression vorliegen, die nicht medikamentös behandelt wurde. 25 gesunde Patienten bildeten die Kontrollgruppe. Den Teilnehmern wurden, während sie sich im MRT befanden, zunächst visuelle Signale für je sechs Sekunden präsentiert. Im Anschluss an diese sechs Sekunden sollten die Probanden auf einen Lichtblitz mit Knopfdruck reagieren.

Bei den Probanden wurden mehrere Versuchsreihen gemacht. Bei schneller Reaktion erschien bei der ersten Versuchsreihe ein Geldsymbol (Euro-Zeichen; belohnender Reiz). Bei der zweiten Versuchsreihe war ein grünes Häkchen das Feedback für schnelle Reaktion (neutraler Reiz). Reagierten die Probanden zu langsam, erschien ein rotes Kreuz. „Vor Beginn des Versuchs wurden die Teilnehmer informiert, dass sie bei Erreichen des Geldsymbols nach dem Versuch tatsächlich Geld ausgezahlt bekommen“, berichtet Spoormaker.

Zum Vergleich wurden Versuche gemacht, bei denen keine Signale gesendet und keine Aktionen gefordert wurden (Kontrollversuche). Während aller Versuche wurden Kopf-MRT-Bilder aufgenommen, um bestimmte Hirnareale abzubilden. Die Pupillengröße wurde parallel mit 250 Bildern pro Sekunde gemessen.

Starke Pupillendilatation bei Aussicht auf Belohnung

Die wichtigsten Ergebnisse: Bei gesunden Probanden beobachteten die Forscher in der Phase, in denen zunächst sechs Sekunden lang visuelle Signale präsentiert wurden, eine starke Pupillendilatation bei belohnendem Stimulus, eine moderate bei neutralem Stimulus und eine Verengung der Pupille während der Kontrollversuche. Bei depressiven Patienten waren die Pupillen bei allen drei Versuchsreihen ähnlich weitgestellt.

Genau also in dieser Phase, in der sich bei den Studienteilnehmern eine bestimmte Erwartung aufbaue, hätten sich Unterschiede zwischen gesunden und depressiven Patienten beobachten lassen können, so Studienleiter Spoormaker. „Die sechs Sekunden sind ein Moment, in dem dem Probanden in Aussicht gestellt wird, etwas gewinnen zu können und wo er sich selber auch aktivieren muss. Zwischen akut Depressiven mit mehreren Symptomen in den letzten zwei Wochen und Gesunden, gab es klare Gruppendifferenzen“, so Spoormaker zur „Ärzte Zeitung“.

Ergebnisse auch für andere Krankheiten relevant?

Nach jetzigem Forschungsstand können die Wissenschaftler um Spoormaker noch nicht sagen, ob ihre Beobachtungen für alle Depressiven gelten. Die Depression sei eine sehr heterogene Störung, die schwer von anderen Störungen abzugrenzen sei, erinnert Spoormaker. Es könne sein, dass nur ein kleiner Teil der Depressiven eine verringerte Veränderung der Pupille zeige. Eine Vermutung sei, dass diese Gruppe eine Hypoaktivierung des Nervensystems habe. Dahinter könne ein gestörtes physiologisches System stecken, das mit der Antriebsstörung zu tun habe.

Bekannterweise weitet sich die Pupille, wenn Menschen etwas gewinnen oder verlieren können. Die Weite der Pupille werde oft als Surrogatmarker für die Aktivität des noradrenergen Systems verwendet, insbesondere für den Locus Coeruleus, einem Hirnstammzentrum, erklärt Spoormaker. Wenn man erkennen würde, dass dort bei depressiven Patienten die Aktivität während der Aussicht auf Belohnung geringer sei, könnte man vielleicht die Reaktion auf bestimmte Medikamente besser verstehen und vorhersagen.

„Eine Idee wäre, dass zukünftig Patienten in die psychiatrische Klinik kommen und man zu bestimmten Zeitpunkten den Pupillen-Test durchführt. Der Vorteil dieses Tests ist, dass er nicht invasiv ist. Und vielleicht sind die Ergebnisse für bestimmte andere Krankheiten auch relevant. Wir sind mit der Forschung aber noch ganz am Anfang“, so Spoormaker.

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