DGPPN-Kongress

Depressionen lassen sich online behandeln

Psychotherapie via Internet kann Patienten mit leichter Depression helfen. Davon sind viele Experten überzeugt - und verweisen auf erste Studiendaten. Doch es gebe noch viele Vorurteile gegen diese Art von Interventionen, klagen sie auf dem DGPPN-Kongress.

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BERLIN. Die Evidenz für Internetinterventionen bei Patienten mit leichter Depression gilt mittlerweile als hervorragend. Doch mit der Umsetzung tut sich das deutsche Gesundheitswesen schwer, wie auf dem DGPPN-Kongress in Berlin zu hören war.

Unter internetbasierten Gesundheitsinterventionen verstehen Psychotherapeuten Programme, die Patienten am Computer über einen Zeitraum von meist einigen Wochen durchlaufen.

"Sie sind ähnlich aufgebaut wie konventionelle psychologische Interventionen bei Depression und basieren meist auf der kognitiven Verhaltenstherapie", sagte PD Harald Baumeister von der Abteilung für Medizinische Psychologie und Soziologie am Universitätsklinikum Freiburg.

Weltweit werden solche Interventionen intensiv beforscht - auch in Deutschland. So starten derzeit mit WARD-BP und PROD-BP zwei neue, vom Bundesforschungsministerium geförderte Studien zur internetbasierten Therapie bzw. Prävention bei Patienten mit Rückenschmerz und Depression.

Auch wenn es noch nicht viele Studien dazu gebe, sei die Datenlage bereits sehr gut, so Baumeister. Insgesamt seien bei Patienten mit leichter Depression die Therapieerfolge von Internetinterventionen nicht kleiner als von konventionellen Verhaltenstherapien.

Diese Erkenntnis unterfütterte eine Studie von Wissenschaftlern der Universitäten Leipzig und Zürich. Sie hatten 62 Probanden mit Depressionen randomisiert entweder einer Behandlung vor Ort durch einen Therapeuten (Sprechzimmertherapie) oder einer internetbasierten, durch einen Therapeuten im Hintergrund begleiteten Interventionsgruppe (Online-Therapie) zugeordnet.

Nach Ende der achtwöchigen Behandlung waren in der Online-Gruppe 53 Prozent beschwerdefrei - in der Sprechzimmer-Gruppe 50 Prozent (Journal of Affective Disorders 2013; ePub 23. Juli).

Hoch effektiv, wenig genutzt

Wie auf dem DGPPN-Kongress betont wurde, ist Intervention nicht gleich Intervention. Hilfe per E-Mail- und SMS-Erinnerungen sind effektiver als Interventionen ohne solche Erinnerungsfunktionen. Auch gelegentlicher menschlicher Support per Chat oder per E-Mail ist ein Erfolgsfaktor.

Insgesamt könne an der Effektivität von Internetinterventionen bei leichter Depression kein Zweifel bestehen, so Baumeister. Auch aus Versorgungssicht handele es sich um gute Instrumente: "Wir können damit Menschen therapeutisch erreichen, die wir sonst niemals erreichen würden."

Auch dürfe nicht vergessen werden, dass der wachsende Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung bei leichter Depression mit derzeitigen Therapien nicht zu decken sei. Trotzdem wird, wer sich mit Internetinterventionen befasst, in Deutschland immer noch schief angesehen.

In anderen Ländern sei das anders, sagte Professor Klaus Lieb von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Mainz. So werden in den britischen Leitlinien Internetinterventionen bei leichter Depression explizit empfohlen.

Lieb selbst hat vor einige Zeit in einem Zeitungsbeitrag einmal Ähnliches für Deutschland angeregt: "Das hat mir prompt eine massive Schelte der Berufsverbände eingebracht." (gvg)

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