Kasuistik

Die Grillbürste als Gesundheitsgefahr

Bei akuten rechtsseitigen Unterbauchschmerzen und den typischen Zeichen bei der Palpation denken Ärzte schnell an eine Appendizitis. Manchmal zu schnell – das macht der Fall eines jungen Mannes aus den USA deutlich.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Vorsicht beim Säubern des Grillrosts – die Drahtborsten der Grillbürste können unbemerkt ins Grillgut gelangen.

Vorsicht beim Säubern des Grillrosts – die Drahtborsten der Grillbürste können unbemerkt ins Grillgut gelangen.

© sergeevspb / Fotolia

COLUMBIA. Bei dem 20-jährigen Patienten deutete vieles auf eine akute Blinddarmentzündung hin: Die Schmerzen im rechten Unterbauch waren vier Stunden vor seinem Eintreffen in der Notaufnahme aufgetreten. Bei der körperlichen Untersuchung zeigte er Abwehrspannung und Loslassschmerz im rechten unteren Quadranten. Übelkeit und Fieber fehlten, dafür waren klassische Appendizitis-Zeichen – das Rovsing- und das Psoas-Zeichen – eindeutig positiv (Int J Surg Case Reports 2018; online 9. April).

Im Labor ergab sich eine Leukozytose mit Linksverschiebung. In der Ultraschalluntersuchung war der Blinddarm nicht sichtbar, man sah lediglich etwas Flüssigkeit im unteren Abdomen.

Die Ärzte führten daraufhin eine Kontrastmittel-CT durch, aber auch diese half bei der Ursachenfindung nicht weiter: Die Appendix war vom Durchmesser her normal, es gab keine Hinweise auf eine gastrointestinale Obstruktion, Hernie oder Aszites.

Laparoskopie bringt Ursache zu Tage

Nun entschloss man sich zu einer exploratorischen Laparoskopie. Hier stießen die Chirurgen auf den Übeltäter: einen etwa 2 cm langen, dünnen metallischen Fremdkörper, der den Dünndarm im Bereich des rechten unteren Quadranten perforiert hatte. Nun war klar, dass man auf eine offene Op umsteigen musste, um den perforierten Darmabschnitt mit dem Fremdkörper zu entfernen.

Nach überstandener Op erinnerte sich der Patient, dass er zwei Tage vor Einsetzen der Schmerzen gegrillte Hamburger gegessen hatte. Im Fleisch musste sich wohl eine Drahtborste von der Grillbürste versteckt haben, vermuteten die Ärzte. Jedenfalls passte das im Darm steckende Drahtstück zu dieser Annahme. Der junge Mann konnte zwei Tage nach dem Eingriff in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden.

Treffsicherheit nur bei 70 Prozent

Dr. Jeremy M. Reeves und sein Team von der Palmetto Health Richland-Klinik in Columbia, South Carolina, weisen darauf hin, dass die diagnostische Treffsicherheit auf der Grundlage von Anamnese und körperlicher Untersuchung beim Verdacht auf akute Appendizitis lediglich bei 70 Prozent liegt.

Theoretisch könne eine Vielzahl von Pathologien mit ganz ähnlichen Symptomen und Befunden einhergehen. Die Differenzialdiagnose umfasst neben Magen-Darm-Infekten zum Beispiel auch die Nierenkolik, eine akute Verstopfung, einen Morbus Crohn sowie bei Frauen zusätzlich Ovartorsion, ektope Schwangerschaft, Ovarialzysten oder Endometriose.

Mit einer Sensitivität und Spezifität von 99 beziehungsweise 98 Prozent ist die CT zwar ein relativ zuverlässiges diagnostisches Hilfsmittel. Aber Ausnahmen bestätigen, wie dieser Fall belegt, auch hier die Regel.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 16.05.201810:59 Uhr

"Heavy on wire"? - von Drahtborsten-Grillbürsten-Verletzungen


Beim unprofessionellen Grillen können krebsauslösende Stoffe entstehen: Das ist weithin bekannt und erforscht. Aber können beim Reinigen von Grillrosten mit Drahtbürsten deren Drahtborsten abbrechen, ganz herausfallen bzw. zusammen mit dem Grillgut oral wieder aufgenommen werden?

Ja, das bestätigten HNO-Kollegen mit einer Studie, publiziert im Jahr 2016.
"Epidemiology of Wire-Bristle Grill Brush Injury in the United States, 2002-2014" von Tiffany P. Baugh et al.
http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0194599815627794

US-Datenbank
Die HNO-Kollegin Tiffany Baugh et al. von der University of Missouri in Columbia/USA hatten eine Datenbank der US-Kommission für die Sicherheit von Konsumgütern nach Grillunfällen mit Drahtborsten durchsucht (Otolaryngology-Head and Neck Surgery, 2016; 645-649). Insgesamt 43 Fälle konnten in 13 Jahren eines Beobachtungszeitraums von 2002 bis einschl. 2014 gefunden werden. Mit welchen statistischen Methoden auch immer berechneten Baugh und Kollegen daraus eine geschätzte Prävalenz von landesweit insgesamt 1698 Borstenverletzungen.

Die Publikation von 2016
Doch schon der Titel macht stutzig: "Epidemiology of Wire-Bristle Grill Brush Injury" publiziert, kann uns nur von ganzen 43 inzidenten Fällen berichten, die im "National Electronic Injury Surveillance System" (NEISS) als "Drahtborsten-Grillbürsten-Verletzungen" erfasst und aufgeführt wurden.

Drahtborsten-Grillbürsten-Verletzungen
In 13 Jahren (2002 zählt als Startjahr mit) wurden also bei ca. 330 Millionen Bewohnern der USA pro Jahr nur 3,3 Fälle von "Drahtborsten-Grillbürsten-Verletzungen" (Bevölkerungs-Inzidenzrate 1:100 Millionen) dokumentiert. Dies hinderte das Autorenteam allerdings nicht daran, die wahrscheinliche Prävalenz auch noch mit einem Konfidenzintervall von 95 % auf 1.468 bis 1.927 Fälle zu extrapolieren ["extrapolated to an estimated 1698 (95 % confidence interval, 1468-1927) emergency department visits nationwide"].

Mögliche Fehlerquellen
Das lässt sich nur damit erklären, dass die HNO-Spezialisten von frisch drahtgebürsteten Grillrosten ausgehen, die nicht zusätzlich mit einem Tuch abgewischt werden bzw. bei denen die Anwender das Grillgut dann trotzdem grundsätzlich direkt in die Glut legen, um sich die eventuell dort hineingefallenen Drahtborstenbruchstücke zusätzlich mit einzuverleiben? Und die Grillroste blieben dabei vor erneuter Verschmutzung geschont? Oder man hätte dieselben nur nicht sorgfältig genug abgewischt?

Abdominalchirurgische Aspekte
Dass Grillbürsten-Borsten auch bauchchirurgische Krankheitsrisiken bedeuten können, zeigt das Beispiel akuter rechtsseitiger Unterbauchschmerzen und typischer Zeichen bei Verdacht auf akute Appendizitis, wie hier in der Ärzte Zeitung eindrucksvoll beschrieben:
"Ingested foreign body mimicking acute appendicitis" von Jeremy M. Reeves et al.
https://www.casereports.com/article/S2210-2612%2818%2930126-3/fulltext

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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