Große Datenanalyse

Drei Tools unterstützen die Sepsis-Früherkennung

CIP, NEWS und qSOFA – mit diesen drei Instrumenten können Rettungskräfte eine Sepsis schon auf dem Weg in die Klinik gut erkennen. Besonders simpel ist das qSOFA.

Thomas MüllerVon Thomas Müller Veröffentlicht:
Einsatzprotokoll: Das Sepsis-Screening basiert meist auf Daten zu Puls- und Atemfrequenz, Temperatur, Sauerstoffsättigung und Bewusstseinszustand. (Symbolbid mit Fotomodellen)

Einsatzprotokoll: Das Sepsis-Screening basiert meist auf Daten zu Puls- und Atemfrequenz, Temperatur, Sauerstoffsättigung und Bewusstseinszustand. (Symbolbid mit Fotomodellen)

© motortion / stock.adobe.com

Das Wichtigste in Kürze

  • Frage: Was bringt das Sepsis-Screening bei Rettungseinsätzen?
  • Antwort: Tools wie CIP, NEWS und qSOFA eigenen sich noch am ehesten, um Patienten mit und ohne Sepsis zu unterscheiden.
  • Bedeutung: Solche Tests könnten bei der klinischen Sepsis-Diagnose hilfreich sein.
  • Einschränkung: Keine prospektive Studie – Resultate beruhen lediglich auf der Analyse von Klinikdaten und Einsatzprotokollen.

Toronto. Da es bei einer Sepsis auf eine rasche Intervention ankommt, wäre es sehr hilfreich, wenn Notärzte und Rettungskräfte einen infektbedingten lebensbedrohlichen Zustand schon vor der Klinikaufnahme zuverlässig erkennen könnten. Dies ist jedoch anhand klinischer Zeichen nicht sehr einfach.

Inzwischen wurden einige simple Instrumente entwickelt, um die klinische Diagnostik zu erleichtern. Diese hätten jedoch oft den Nachteil, dass sie retrospektiv bei Patienten evaluiert worden seien, deren Zustand bekannt war. Dabei bestehe die Gefahr, dass die klinische Diagnose mehr anhand der Schwere der Erkrankung als über spezifische Zeichen gestellt worden sei, berichten Gesundheitsforscher um Dr. Daniel Lane von der Universität in Toronto.

Einsatzprotokolle von Rettungskräften analysiert

Sie haben nun in einer reinen Datenanalyse geschaut, ob sich die Tools auch bei Patienten mit zunächst unbekanntem Status bewähren. Dazu haben sie Einsatzprotokolle von Rettungskräften aus der Provinz Alberta in Kanada ausgewertet und sich später die Diagnosen und Krankheitsverläufe der Patienten in den Kliniken angeschaut.

Die Protokolle enthalten in der Regel Angaben zu Vitalzeichen, zum Bewusstseinszustand (etwa zur Glasgow Coma Scale, GCS), zu körperlichen Untersuchungen und zu ersten ambulanten Labortests wie Blutglukose- und C02-Werten. Solche Angaben werden auch in den meisten Sepsis-Tools abgefragt. Die Forscher konnten also im Nachhinein schauen, wie prädiktiv die Angaben sind (CMAJ 2020; 9. März).

Das Team um Lane hat Daten zu rund 131.000 Patienten ausgewertet, die im Laufe eines Jahres von Rettungskräften in Kliniken in Alberta eingeliefert worden waren. Davon hatten 12.700 eine Infektion, bei 10.000 deuteten die ICD-Diagnosen und dokumentierten Befunde auf eine Sepsis.

Anhand der Einsatzprotokolle schauten sich die Forscher an, wie insgesamt 21 publizierte Tests zum Sepsis-Screening bei den Patienten abgeschnitten hätten. Die Tests bezogen sich zumeist auf Puls- und Atemfrequenz, Temperatur, Sauerstoffsättigung und Bewusstseinszustand, einige nahmen auch Alter, Blutglukosekonzentration oder den CO2-Partialdruck in der ausgeatmeten Luft mit auf. Unterschiede gab es bei der Berechnung und den Cut-off-Werten.

qSOFA besonders einfach

Wie sich zeigte, ließ sich für keinen der Tests eine gute Sensitivität und Spezifität nachweisen. Halbwegs brauchbare Ergebnisse lieferten vor allem drei Tests: qSOFA (Quick Sepsis-Related Organ Failure Assessment), CIP (Critical Illness Prediction) und NEWS (National Early Warning Score). qSOFA berücksichtigt nur Atemfrequenz, systolischen Druck und die GCS, das Tool sei daher besonders leicht von Rettungskräften anzuwenden, schreiben Lane und Mitarbeiter.

Sie schauten sich bei den Tests mit einem numerischen Summenscore die Sepsisrate über die gesamte Bandbreite des Scores an. So beträgt der Cut-off-Wert für eine Sepsis-Diagnose beim qSOFA 66 Prozent des Maximalwertes – mindestens zwei von drei Kriterien müssen erfüllt sein (GCS < 15, Atemfrequenz ≥22/min, systolischer Blutdruck ≤100 mmHg). Rund 60 Prozent der Patienten hatten dann tatsächlich eine Sepsis, etwa 87 Prozent beim Maximalwert (alle drei Kriterien erfüllt) und nur 7 Prozent beim Minimalwert (kein Kriterium erfüllt).

Beim CIP reicht die Bandbreite von 7–98 Prozent bezogen auf Minimal und Maximalwerte, beim NEWS von etwa 5–95 Prozent. Die übrigen Tests waren deutlich weniger prädiktiv – hier hatten selbst 20–60 Prozent der Patienten mit voller Punktzahl keine Sepsis. Immerhin schließt eine niedrige Punktzahl bei praktisch allen Tests eine Sepsis weitgehend aus.

Insgesamt ließen sich mit den Instrumenten CIP, NEWS und qSOFA am ehesten noch Patienten mit und ohne Sepsis unterscheiden. Für Rettungsdienste könnte es sich lohnen, solche Tests in ihre Standardabläufe aufzunehmen, berichten die Forscher um Lane.

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