Kohortenstudie mit 85.256 jungen Frauen

Erkranken adipöse Menschen frühzeitig an Darmkrebs?

Adipositas in jungen Jahren geht offenbar mit einem deutlich erhöhten Risiko einher, vor dem 50. Lebensjahr an Darmkrebs zu erkranken.

Veröffentlicht:

ST. LOUIS. Adipositas scheint bei der Entstehung von kolorektalen Karzinomen (KRK) jenseits der 50 eine entscheidende Rolle zu spielen; dies belegen etwa Daten aus der Health Professionals Follow-up Study und der Nurses‘ Health Study (NHS). Ob ein hoher BMI auch das Risiko erhöht, bereits in jungen Jahren an KRK zu erkranken, war bisher unklar. Die Inzidenz von KRK-Fällen vor dem 50. Lebensjahr ist mit einer Rate von 8 pro 100.000 in der Gesamtbevölkerung derzeit (noch) recht niedrig. Der Trend geht jedoch steil nach oben: Hochrechnungen zufolge sollen Kolonkarzinome bei den 20- bis 34-Jährigen bis 2030 um 90 Prozent zunehmen, Rektalkarzinome gar um 124 Prozent.

Ein Team der Washington University School of Medicine in St. Louis hat mit dieser Fragestellung Daten aus der Nachfolgestudie der NHS, der NHS II, ausgewertet (JAMA Oncol 2018, online 11. Oktober). An der prospektiven Kohortenstudie waren 85.256 junge Frauen im Alter zwischen 25 und 42 Jahren beteiligt. Diese durften zu Studienbeginn keinen Krebs und keine chronisch entzündlichen Darmerkrankungen haben.

Nach einer Nachbeobachtungszeit von im Mittel 14 Jahren waren 114 Teilnehmerinnen vor dem 50. Lebensjahr an KRK erkrankt; das mittlere Erkrankungsalter lag bei 45. Wie Dr. Po-Hong Liu und Kollegen nachweisen konnten, war Adipositas unabhängig mit einem erhöhten Risiko einer solchen frühen KRK-Erkrankung assoziiert. Verglichen mit Frauen, die im Studienzeitraum einen BMI zwischen 18,5 und 22,9 aufwiesen, hatten adipöse Frauen (BMI = 30) ein beinahe doppelt so hohes Risiko, frühzeitig an einem KRK zu erkranken (RR 1,93).

Diese Assoziation schien nach Liu und Kollegen linear zu sein: Mit jedem BMI-Anstieg um 5 Einheiten erhöhte sich das Risiko um 20 Prozent. Der Zusammenhang blieb bestehen, wenn man die Auswertung auf Frauen ohne familiäres KRK-Risiko beschränkte.

Die Forscher fanden außerdem heraus, dass sowohl der BMI im frühen Erwachsenenalter als auch die Gewichtszunahme seit dem 18. Lebensjahr mit dem Risiko einer frühen KRK-Erkrankung verknüpft waren. Am höchsten war das Risiko bei Teilnehmerinnen, die bereits mit 18 einen BMI von 23 oder darüber gehabt und seitdem 20 kg oder mehr zugenommen hatten.

Von einem „alarmierenden Anstieg“ der KRK-Inzidenz bei Erwachsenen unter 50 zeugt auch eine aktuelle Auswertung der US-Krebsdatenbank SEER (Surveillance, Epidemiology and End Results): In den Jahren zwischen 2002 und 2009 stieg die Inzidenz in der Altersgruppe der 20- bis 49-Jährigen um jährlich 1,8 Prozent, zwischen 2009 und 2013 um jährlich 0,8 Prozent. Gleichzeitig nahm die Rate adipöser Patienten, die sich im Alter zwischen 18 und 49 einer krebsbedingten Darmresektion unterzogen, um jährlich gut 13 Prozent zu.

„Adipositas scheint eine substantielle Rolle in der kolorektalen Karzinogenese bei jüngeren Menschen zu spielen“, so Liu und sein Team. Welche Mechanismen diesem Phänomen zugrunde liegen, sei allerdings noch unklar. Die Forscher vermuten, dass Faktoren wie Insulinresistenz, metabolisches Syndrom, systemische Entzündung und Immunität als Mediatoren daran beteiligt sind.

Auch die adipositasabhängige Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms könne möglicherweise eine Rolle spielen. Und schließlich könne die Adipositas Störungen in glykolytischen und lipogenetischen Stoffwechselwegen hervorrufen.

Andererseits sei es auch denkbar, dass die Adipositas nur einen Marker für andere Risikofaktoren darstelle: So sei etwa auch eine Ernährung mit viel rotem Fleisch sowie ein überwiegend sitzender Lebensstil nicht nur mit Gewichtszunahme, sondern auch mit der Entwicklung eines KRK assoziiert.

Wenngleich die Ergebnisse der Kohortenstudie keinen kausalen Zusammenhang beweisen können, sprechen sie nach den Autoren doch zumindest dafür, einen gesunden Lebensstil zu pflegen, und zwar das ganze Leben lang. (eo)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Durvalumab im Real-World-Vergleich

© Springer Medizin Verlag

ED-SCLC

Durvalumab im Real-World-Vergleich

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Mirikizumab wirksam bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn

© Oleh / stock.adobe.com

Zielgerichtete Interleukin-23p19-Inhibition

Mirikizumab wirksam bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg v.d.H.
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!