HINTERGRUND

Erste Hilfe bei Katastrophen - "Tue das Beste für die meisten Menschen"

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

Flutkatastrophen, Terroranschläge und Pandemien - wenn es um diese Themen geht, müssen Rettungskräfte und Mediziner gut vorbereitet und vernetzt sein. Nach Ansicht von Notfallmediziner Dr. Heinzpeter Moecke ist das für die meisten Szenarien auch der Fall.

Der ärztliche Direktor der Hamburger Asklepios Klinik Nord, der gerade die von 1000 Fachleuten aus 20 Ländern besuchte vierte International Emergency and Rescue Congress und Exhibition (Intercon) in Hamburg mit organisiert hat, ist mit dem Treffen der Spezialisten zufrieden. "Der internationale Erfahrungsaustausch ist wichtig. Wenn man hört, wie sich andere vorbereiten, kann man vielleicht einzelne Bausteine daraus übernehmen und die eigene Vorbereitung verbessern", sagte Moecke im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Im Notfall müssen Kliniken ihre Kapazitäten erhöhen

Ein Beispiel dafür ist die von der kalifornischen Notfallmedizinerin Professor Kristi Koenig in Hamburg vorgestellte Kommandostruktur für das Krankenhausmanagement im Fall von Katastrophen wie Erdbeben oder Orkane. Dazu gehört auch, dass die Krankenhäuser kurzfristig ihre Patientenversorgungskapazität erhöhen. Koenig rät:

  • Operationen absagen, die nicht sofort vorgenommen werden müssen,
  • stabile Patienten entlassen,
  • Verwaltungspersonal in klinischen Funktionen einsetzen.

Weitere Möglichkeiten wären die Reaktivierung von Mitarbeitern, die nicht mehr im Dienst sind, die Ausdehnung der Dienstzeiten und die Prävention: "Klinikpersonal muss die wichtigsten Schutzimpfungen haben", sagt Moecke. Was aber, wenn Personal und Betten nicht ausreichen, um alle Patienten zu retten?

Koenig empfiehlt die Katastrophentriage. Dabei wird ja nach dem Motto "Tue das Beste für die meisten Menschen" vorgegangen. Nicht die individuelle, sondern die bevölkerungsbasierte Fürsorge steht im Vordergrund. Koenig rät Kliniken außerdem dazu, nicht isoliert, sondern abgestimmt mit den Partnern der Region vorzugehen.

In Hamburg funktioniert die Alarmierung

Ärzten und Rettungskräften in Deutschland bescheinigte Moecke in Hamburg eine hohe Professionalität im Umgang mit unvorhergesehenen Zwischenfällen. Als Beleg dafür führt er etwa die Brände in zwei Hamburger Kliniken, auf die nach seiner Beobachtung angemessen reagiert wurde. Auch die jedes Jahr geprobten vier unangemeldeten Großübungen in Hamburger Kliniken bezeichnet er als gelungen.

"Die Alarmierung muss funktionieren. Dann muss jeder wissen, welche Aufgabe er übernehmen soll und welchen Platz er hat. Und dann muss die nötige Infrastruktur aufgebaut werden", so Moecke. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch ehrenamtliche Helfer. Bundesweit sind 1,3 Millionen freiwillige Feuerwehrleute und 3 70 000 Jugendliche bei Feuerwehr und Technischem Hilfswerk aktiv.

Mögliche Schwachstellen sieht er allerdings, wenn ein Fall eintritt, den Menschen bislang für undenkbar gehalten haben. Als Beispiel nennt er einen Zwischenfall mit Plutonium: "Da könnte man das Wissen der Mitarbeiter verbessern, damit diese ihre Furcht überwinden".

Mit chemischen Kampfstoffen kennen sich nur wenige aus

Schwer ist für Rettungskräfte auch die Vorbereitung auf Attacken mit chemischen Kampfstoffen. "Nur wenige Spezialisten wissen, wie man mit dem flüssigen Nervengas Sarin umgehen muss", gibt Moecke zu bedenken. Da Katastrophenschutz Ländersache ist, befürchtet er einen Zeitverlust, wenn aus den wenigen Fachleuten für solche Themen schnell ein Team gebildet werden muss.

Doch außer solchen Ausnahmefällen standen auf der Intercon auch konkrete Fragen aus dem Alltag der Retter und ihrer Institutionen auf dem Programm. Wer bezahlt zum Beispiel Krankenhäusern die Vorbereitung auf die diskutierten Ausnahmefälle? Moecke nennt als Beispiel die Vorhaltung von Schutzkleidung. Da im Falle einer Pandemie Lieferschwierigkeiten auftreten dürften, wäre die Vorhaltung sinnvoll. 500 000 Schutzhandschuhe müssten allein die Hamburger Kliniken anschaffen. Die Kosten dafür liegen bei 25 000 Euro. Moecke: "Das wird von Kliniken erwartet, aber wer bezahlt das? Über DRG lässt sich das nicht abbilden. Es muss einen fairen Weg geben, um Krankenhäusern diese Kosten abzunehmen."

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