GBA schränkt Verordnung von Teststreifen ein

BERLIN (af). Viele nicht insulinpflichtige Diabetiker des Typs 2 müssen künftig ihre Harn- und Blutzuckerteststreifen selbst bezahlen. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss am Donnerstag beschlossen.

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Geht der Beschluss beim Gesundheitsministerium durch, trete der weitreichende Verordnungsausschluss frühestens im vierten Quartal 2011 in Kraft, sagte Ausschussvorsitzender, Dr. Rainer Hess (wir berichteten). Grundlage des Beschlusses ist die Bewertung des Instituts für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen (IQWiG). Danach habe die Selbstmessung keinen Nutzen hinsichtlich des Verlaufs der Erkrankung ergeben.

Patienten, die Insulin spritzen, erhalten die Teststreifen weiterhin zu Lasten der Krankenkassen. Auch Schwangere mit Schwangerschaftsdiabetes müssen nicht selbst für die Streifen aufkommen.

Der Bundesausschuss hat Ausnahmeregelungen getroffen. Ärzte können die Teststreifen ihren nicht insulinpflichtigen Patienten weiterhin verordnen, wenn deren Stoffwechsellage instabil ist. Dann seien je Verschreibung 50 Streifen erstattungsfähig.

Nicht geklärt ist, ob Ärzte betroffenen Berufskraftfahrern und in Disease Management Programmen eingeschriebenen Patienten die Streifen weiterhin verordnen dürfen. Beides hält der Patientenvertreter Dr. Martin Danner, rechtlich für überprüfungsbedürftig.

Berufskraftfahrer sind verpflichtet, ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig zu kontrollieren. Der Ausschuss sei zu der Auffassung gelangt, dass Maßnahmen zur Erhaltung der Verkehrssicherheit nicht von den Kassen erstattet werden müssten, sagte Hess.

Enttäuscht zeigte sich der Verband der Diagnostica-Industrie von dem Beschluss. Ein Blutzuckerteststreifen sei kein Arzneimittel, sondern ein diagnostisches Instrument, das die Grundlage für die Therapie liefere, sagte Verbandsgeschäftsführer Dr. Martin Walger.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 19.03.201122:59 Uhr

Der G-BA nicht mehr Herr der Lage

Der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA mit seinem über 70-jährigen Vorsitzenden, Dr. jur. Rainer Hess, ist bei seiner Beschlusslage zur Glucose-Selbstmessung bei Diabetes-Typ-2-Patienten formal und inhaltlich untragbar:

1. Harn"zucker"teststreifen sind obsolet. Sie messen Glucose nur oberhalb der sogenannten ''Harnschwelle'' von ca. 180 mg/dl Blut (180 mg %) entsprechend 9.99 mmol/l und detektieren höchstens einen unzureichend eingestellten Glucosespiegel mit hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiken.

2. Blut"zucker"teststreifen messen ''Glucose''. Typ-2-Diabetes-Patienten haben eine Glucoseintoleranz und eine Insulinresistenz. Die Teststreifen werden nicht zu Therapiezwecken eingenommen, auch wenn sie dem Medikamentenbudget der Vertragsärzte zugeschlagen werden. Sie gehören schon immer therapeutisch zur Gruppe der Hilfsmittel.

3. Ausnahmeregelungen bei Teststreifen nicht insulinpflichtiger Patienten wegen instabiler Stoffwechsellage sind abwegig, weil Instabilität weder exakt vorhersehbar noch grundsätzlich immer auszuschließen ist. Außerdem würden Morbidität und Mortalität lt. IQWiG-Expertise dabei doch nicht signifikant verschlechtert, oder?

4. Absurd ist die Ansicht, die GKV sei bei Teststreifen-Verordnungspflicht bei Berufskraftfahrern mit Diabetes für "Maßnahmen zur Erhaltung der Verkehrssicherheit" (Zit. Dr. jur. Rainer Hess) erstattungspflichtig. Die GKV ist sehr wohl in jeglicher Hinsicht für die Heilung, Linderung und Besserung von Krankheiten zuständig, um nach Artikel 3, Abs. 3 Grundgesetz (GG) eine unbenachteiligte Teilhabe a l l e r Menschen im Geltungsbereich des GG zu gewährleisten.

5. Durch gesundheitsfördernde Maßnahmen der GKV insbesondere bei Krankheiten und medizinisch-therapeutischen Maßnahmen werden s e k u n d ä r die Öffentliche Ordnung, das gedeihliche Zusammenleben, der Schutz vor Krankheitsausbreitung, die Teilhabefähigkeit, der Bestand der Bevölkerung und u. a. a u c h die Verkehrssicherheit erhalten und gefördert.

6. Dies gilt offenkundig nach dem Gleichheitsgrundsatz, und den übersieht der G-BA, auch uneingeschränkt für alle Privatkraftfahrer mit Diabetes, deren gut eingestellte ''Zuckerkrankheit'' Verringerung von Morbidität und Mortalität u n d sekundär verbesserte Verkehrssicherheit bedeutet.

Sonst käme der G-BA etwa auf die ziemlich demente Idee, amputierte Patienten von der Versorgung mit Kunstgliedern auszuschließen. Weil dies
a) keine Verbesserung von Morbidität und Mortalität bewirkt (Im Gegenteil - mögl. Stumpfkomplikationen durch Belastung kämen hinzu?)
b) "Maßnahmen zur Erhaltung der Verkehrssicherheit nicht von den Kassen erstattet werden müssten", so der Vorsitzende.

Freundliche, kollegiale Grüße, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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