Kommentar zur Depressionstherapie

Gebt Psychedelika eine Chance!

Seit Jahrzehnten gibt es kaum Fortschritte in der Depressionstherapie. Es ist Zeit, bei Psychedelika die Scheuklappen abzulegen.

Thomas MüllerVon Thomas Müller Veröffentlicht:

Für manchen Arzt mag es befremdlich erscheinen, wenn plötzlich lange verteufelte Psychedelika in der psychiatrischen Forschung ein Comeback feiern. Hatten wir das nicht alles schon mal in den 1960er und -70er-Jahren?

Tatsächlich blühte damals die Erforschung psychedelischer Substanzen kurz auf, bevor deren euphorischer Gebrauch als Partydroge in der Hippiekultur dem Ganzen ein Ende bereite. Damals ging es aber kaum um medizinische Anwendungen, erst recht gab es keine kontrollierten klinischen Studien.

Wenn nun Psychedelika wie Psilocybin wieder in den Fokus der Psychiater rücken, hängt dies mit den ausbleibenden Erfolgen in der Arzneientwicklung zusammen. Seit der Einführung der SSRI gab es über Jahrzehnte hinweg keine größeren Fortschritte mehr in der Depressionstherapie – die wirksamste Methode sind noch immer Elektroschocks.

Lesen sie auch

Erst Ketamin, eine psychotrope Substanz, brachte wieder etwas Bewegung in die Pharmakotherapie. Damit lassen sich auch hartnäckige Depressionen ungewöhnlich schnell lindern. Ähnliche Effekte deuten sich auch für Psilocybin an – wird die Einnahme mit einer Psychotherapie kombiniert.

Experten vermuten, dass ein starkes psychisches Erleben organische Veränderungen bewirkt und die Depressionsschleifen im Gehirn durchbricht. Mit bisherigen Medikamenten verfolgt man einen umgekehrten Ansatz: Das Drehen an Neurotransmittern sollte das psychische Erleben verändern – und das gelingt eben nur mit mäßigem Erfolg.

Es wird also Zeit, den engen Horizont zu erweitern, Psychedelika aus der Schmuddelecke zu holen und sie rigoros in großen klinischen Studien zu testen. Davor scheuen sich noch die meisten der üblichen Geldgeber: Eine nun publizierte US-Studie musste per Crowdfunding finanziert werden.

Das ist jedoch der falsche Weg. Nach dem langen Stillstand in der Arzneitherapie gehört jeder plausible Ansatz vorbehaltlos auf den Prüfstand. Auch in der mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschung darf es nicht länger Scheuklappen geben.

Schreiben Sie dem Autor: thomas.mueller@springer.com

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Mittel gegen Haarausfall

Post-Finasterid-Syndrom – ein Nocebo-Effekt?

Das könnte Sie auch interessieren
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Kommentare
Dirk Brandl 19.11.202011:27 Uhr

Halluzinogene wie Psilocybin oder LSD könnten tatsächlich neue Wege der Psychotherapie eröffnen. Allerdings sollte beachtet werden, dass sie alle Gefühle verstärken, auch negative (Schlagwort Horrortrips). Wie es gelingen soll, damit mit Patienten zu arbeiten ohne eigene Erfahrungen mit diesen Stoffen gemacht zu haben, ist mir nicht klar.

Sonderberichte zum Thema
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Abb. 1: a) Verlauf einer Gruppe unbehandelter Personen, b) 5-Jahres-Daten der SUNFISH-Studie Teil1, c) Teil2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Therapie der 5q-assoziierten SMA

Risdiplam-Filmtabletten: flexiblere Anwendung im Alltag

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Rett-Syndrom: früh diagnostizieren, Betroffene bestmöglich fördern und Familien entlasten

© Olia / Generated with AI / stock.adobe.com

Neurologische Entwicklungsstörung

Rett-Syndrom: früh diagnostizieren, Betroffene bestmöglich fördern und Familien entlasten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Acadia Pharmaceuticals (Germany) GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Chronobiologisch sinnvoll

Deshalb gehören Glukokortikoide in die Morgenmedikation

Kniegelenk

Neue Gonarthrose-Leitlinie setzt mehr auf Eigeninitiative

Lesetipps
Was ist bei Impfungen von Menschen mit Erdnussallergie zu beachten?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Was ist bei Impfungen von Menschen mit Erdnussallergie zu beachten?

Lungenkrebs in der mikroskopischen Ansicht – zumindest stellt sich so die KI erkranktes Lungengewebe vor.

© Curie / stock.adobe.com / Generated by AI

Datenanalyse

NSCLC in Deutschland: Wer wann wie schwer erkrankt