Mehnert-Kolumne

Gibt es ein "humaneres" Insulin als Humaninsulin?

Noch sind wir weit davon entfernt, die Wirkungsweise des körpereigenen Insulins nachahmen zu können. Ein Schritt in diese Richtung ist aber mit der Einführung der Analoga getan worden.

Prof. Hellmut MehnertVon Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Prof. Hellmut Mehnert

Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Wir spritzen Insulin am falschen Ort und zum falschen Zeitpunkt, und wir spritzen das falsche Insulin. Diese Aussage zur Behandlung mit dem Hormon als Medikament gibt es schon lange und sie lässt sich bisher auch nicht widerlegen.

Das verdeutlicht der Vergleich der Eigenschaften des körpereigenen endogen produzierten Insulins mit den Eigenschaften von Arzneimitteln, sei es mit Insulin-Analoga oder auch mit Humaninsulin. Im Vergleich mit Humaninsulin ahmen aber moderne Insulin-Analoga die Wirkprofile des endogenen Insulins deutlich besser nach.

Endogenes Insulin geht in die Leber

Das körpereigene Insulin gelangt bekanntlich über die Pfortader zuerst in die Leber, wo es wichtige Eigenschaften entfaltet. Das ist ein gravierender Unterschied zur subkutanen Injektion von Humaninsulin oder Analoga. Die in der Therapie verwendeten Insuline oder Insulinabkömmlinge werden daher zwangsläufig am falschen Ort gespritzt.

Etwas anders sieht es schon aus, wenn man die Zeitpunkte der Insulinsekretion oder der Verabreichung des Hormons als Medikament miteinander vergleicht. Zwar kann man das Ideal, dass der Körper unmittelbar auf eine Erhöhung des Blutzuckers reagiert und endogenes Insulin sezerniert (pulsatil, rasch und auch basal wirksam) mit einem Arzneimittel bisher nicht erreichen.

Die kurzwirksamen Analoga können aber - etwa im Rahmen einer ICT - in Form von Lispro, Aspart oder dem besonders kurz wirksamen Glulisin unmittelbar vor oder sogar kurz nach dem Essen gespritzt werden. Bei der Therapie mit Humaninsulin ist hingegen ein Spritz-Ess-Abstand der Injektionen vor der Mahlzeit nötig.

Auch die langwirkenden Analoga ahmen die Basalsekretion ohne nachteiliges Wirkungsmaximum im Vergleich zum NPH-Humaninsulin wesentlich "physiologischer" nach. Das gilt besonders für das über 24 Stunden wirksame Insulin glargin.

Das Fazit: Beim Eintritt und beim Verlauf der Insulinwirkung haben die Analoga bereits einen deutlichen Vorsprung vor Humaninsulin.

Analoga haben die Nase vorn

Gibt es also ein "humaneres" Insulin als das Humaninsulin? Ja, im Vergleich haben die Analoga die Nase vorn: Die kurzwirksamen Analoga wirken rascher als normales Humaninsulin und ahmen damit den Wirkungseintritt des endogenen Insulins besser nach.

Ein Nachteil von NPH ist auch das Wirkungsmaximum nach der Injektion, das im Vergleich zu häufigeren vor allem nächtlichen Hypoglykämien führen kann. Auch hier haben die langwirkenden Analoga Glargin und Detemir mit ihren flachen Wirkprofilen Vorteile.

Und schließlich lassen sich die Analoga leichter handhaben: Sie müssen - im Gegensatz zur trüben NPH-Insulin-Suspension - vor der Injektion mit dem Pen nicht geschwenkt werden. Auch das ist im Vergleich "physiologischer": Oder hat man jemals davon gehört, dass sich ein Mensch vor Eintritt der endogenen Insulinwirkung schütteln muss?

Noch sind wir weit davon entfernt, die Wirkungsweise des körpereigenen Insulins nachahmen zu können. Ein Schritt in diese Richtung ist aber mit der Einführung der Analoga getan worden. Weitere Verbesserungen der Insulintherapie sind zu erwarten. Man denke nur an die Anstrengungen zur Entwicklung eines künstlichen Pankreas.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 31.03.201415:01 Uhr

@ Steffen Jurisch - narzistisch überhöhte Selbsteinschätzung?

Auf Ihrer Webseite schreiben Sie: "Steffen Jurisch - Heilpraktiker mit Leib und Seele". Dann bleiben Sie doch einfach dabei!

Und vergaloppieren sich nicht ausgerechnet bei Herrn Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert, der sich sein ganzes medizinisches, wissenschaftliches und diabetologisches Leben damit beschäftigt hat, wie man d e n j e n i g e n Patientinnen und Patienten helfen kann, deren Diabetes mellitus (Typ I u n d Typ 2) eben n i c h t alleine diätetisch zu behandeln, sondern nur und ausschließlich medikamentös zu re-stabilisieren und zu therapieren war: Eine Diabetes-Medikation und eine sinnvolle Medikation von Co-Morbiditäten, die übrigens bei unseren Diabetikern im krassen Gegensatz zur Situation um die Mitte des 20. Jahrhunderts zu einer heute weitgehend normalen Lebenserwartung führen können!

Wie allerdings ein "Diabetes weder auf aufzuhalten, noch in einem frühen Stadium auf Dauer eingefroren oder gar rückgängig gemacht werden kann", wie Sie zu formulieren pflegen, ist mir persönlich schleierhaft. Und übrigens: Vergleiche von Populationen mit hoher Typ-2-Diabetes-Prävalenz und mit niedriger sind umfänglich wissenschaftlich publiziert und diskutiert worden.

Deren Ergebnisse beleuchten nur den genetischen, biologischen und sozialen Zusammenhang der Diabetes-Entwicklung im Zusammenhang mit Lebensstil, Fehlernährung, metabolischem Syndrom, Insulinresistenz bzw. Spätkomplikationen wie diabetischer Nephropathie, Gastro-Enteropathie, Neuropathie, Mikro- und Makroangiopathie bzw. metabolischen Entgleisungen im Sinne von Hypo- und Hyperglykämie. Spätestens hier endet der Arbeitsauftrag des gewissenhaften Heilpraktikers.

Ich kenne Herrn Professor Mehnert seit vielen Jahren persönlich. In Gesprächen und Diskussionen, aber auch Kontroversen hat er immer wieder betont, dass diabetologisch-ärztliche Entscheidungsfindungen insbesondere in der Pharmakotherapie immer u n a b h ä n g i g von der Pharma-Industrie getroffen werden müssen. Genau davon handelt auch seine Kolumne in der Ärzte Zeitung.

Der Vorwurf der Handlangertätigkeit, Herr Jurisch, fällt auf Sie selbst zurück: Denn durch die erniedrigende Diktion gegenüber Herrn Professor Mehnert machen Sie sich zum Handlanger Ihrer eigenen narzistisch überhöhten Selbsteinschätzung.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Steffen Jurisch 31.03.201408:11 Uhr

Witzig...

erscheint mir bei solchen Texten und Überlegungen, dass man dem Leser vermitteln will, dass man verstanden hat um was es geht und vor allem von was man da spricht. Aber wenn man die Grundlagen eines Zusammenhanges, in dem speziellen Fall, die Ernährung des Menschen noch nicht begriffen hat - wie will man dann richtig Schlussfolgerungen für eine daraus resultierende Krankheit begreifen?
Schon in den 60zigr Jahren wurde dieser Herr von Kollegen darauf hingewiesen, dass seine Ernährungsratschläge wohl nicht so ganz richtig sein dürften, wenn damit der Diabetes weder auf aufzuhalten, noch in einem frühen Stadium auf Dauer eingefroren oder gar rückgängig gemacht werden kann.
Auch scheint der Herr nur wenig auf diesem Gebiet dazugelernt zu haben, wenn er nicht mal auf die Idee gekommen ist, Bevölkerungen mit einem hohen und immer höher werdenden Aufkommen an Erkrankungen vom Typ Diabetes Typ II mit solchen anzustellen, bei denen es diese Krankheit nahezu nicht gibt…
Ich frage mich dann oft, für was erhielten diesen Menschen die Ehrungen - für die Handlangertätigkeit der Pharma?

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