Urologen-Kongress

Große Konkurrenz um knappen Nachwuchs

Wenn die deutschen Urologen jetzt bei ihrem Kongress in Dresden die Vielfalt des Fachgebiets betonen, geht es um ihr Image und darum, junge Ärztinnen und Ärzte anzulocken. Dafür greifen sie zu Mitteln modernen Marketings. Ist das angemessen?

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Maskottchen der Urologen: Manneken Pis.

Maskottchen der Urologen: Manneken Pis.

© eyetronic - Fotolia

Es mutet seltsam an, wenn die Urologen bei ihren Jahreskongressen wie jetzt wieder in Dresden die Ökonomisierung der Medizin beklagen, zugleich aber das Werbeinstrumentarium der Marktwirtschaft auspacken. Erklärtes Ziel: Imagepflege. Die "Marke Urologie" soll in die Köpfe von Medizinstudierenden gestempelt werden, möglichst viele Frauen und Männer, Väter und Mütter sollen erfahren, dass Urologen mehr sind als die "Frauenärzte für Männer".

FFF – "Für alle. Für jeden. Für uns", so haben es sich die Urologen auf die Fahnen geschrieben. "Für uns" ist eine Botschaft, die an die innerärztliche Konkurrenz gerichtet ist. Da sind die sonst so nonchalanten Spezialisten fürs Urogenitalsystem in der Lage, auch mal die Zähne zu zeigen: Die Fachkompetenz, werden sie nicht müde zu betonen, die liege nicht primär bei Frauenärzten, die sich ebenfalls um urogynäkologische Probleme kümmern, die liege nicht bei Kinderchirurgen, die dreimal im Jahr Kinder mit Steinleiden operieren. "WIR verfügen über die Fachkompetenz", betont der derzeitige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), Professor Tilman Kälble aus Fulda. Damit knüpft er nahtlos an den DGU-Kongress von vor zwei Jahren an, als der damalige Präsident Professor Stephan Roth aus Wuppertal "sieben plus eine These zur Zukunft der Urologie" formulierte.

Es scheint, als ginge besonders bei den sogenannten kleinen Fachdisziplinen ein Gespenst um. Das Gespenst des Untergangs in die Bedeutungslosigkeit, wenn angeblich Fachfremde in Subdisziplinen wildern, die man für das eigene Fachgebiet beansprucht. Freilich befürchtet niemand ernsthaft, ihm würde bald die Arbeit ausgehen. Vielmehr wird die Konkurrenz um den knappen Nachwuchs zunehmend härter.

Werbetrommeln auf allen Kanälen

Chancen in diesem Wettbewerb hat nur ein Fach, das breit aufgestellt ist und das vielfältige Betätigungsmöglichkeiten in Klinik und Praxis bietet. Dies haben die Urologen erkannt und rühren die Werbetrommel auf allen Kanälen, und zwar sowohl "Für jeden" und ganz besonders "Für uns".

So macht sich DGU-Vorstandsmitglied Professor Christian Wülfing aus Hamburg in der Zeitschrift "Der Urologe" 2017; 56: 1005-1007) Gedanken um Zielgruppen, die anzusprechen seien, um Markenbildung und um Logos. Da wird ein Strategieworkshop veranstaltet und zur Bundestagswahl eine Plakatkampagne ausgerollt: "Mein Körper will nicht jeden Arzt". Das Urologenportal (www.urologenportal.de) ist stets auf aktuellem Stand, weitere, nach neuester Mode designte Internetauftritte heißen Jungensprechstunde.de, Hodencheck.de oder Urologie- fuer-alle.de. Wer möchte, folgt der DGU auf Facebook oder Twitter, auf Youtube laufen Aufklärungs- und Erklärvideos. Patienten können Urologen in ihrer Region per Postleitzahl suchen, Broschüren herunterladen, gedruckt bestellen oder sich per E-Mail gleich direkt an die DGU wenden.

Geschickt verbinden die Urologen Vorsorgekonzepte wie die Jungensprechstunde mit Werbung fürs eigene Fachgebiet, nutzen politische Ereignisse, um ihre Kompetenzen hervorzuheben und Forderungen ("Gegen die Bürgerversicherung") zu formulieren. Letztlich sollen Männer wie Frauen sowie Eltern mit ihren Kindern überzeugt werden, bei Erkrankungen des Urogenitaltrakts einen Urologen aufzusuchen – und niemand anderen. Dem potenziellen Ärzte- und Ärztinnen-Nachwuchs wird zugleich signalisiert: Urologie ist toll. Urologie ist vielfältig. Kommt zu uns!

So verständlich dieses Bemühen ist, muss doch gefragt werden: Ist das, in Gänze betrachtet, zielführend? Die Urologie ist ein Fach, das überproportional vom demografischen Wandel betroffen ist, und zwar wegen des hohen Anteils betagter Patienten bei relativ wenigen jungen Patienten. Der Ärztemangel macht sich umso stärker bemerkbar. Wie kann also zugleich der Anspruch aufrechterhalten werden, möglichst alle Subdisziplinen des Faches flächendeckend abzubilden, zumal schon heute urologische Kliniken stark spezialisiert sind?

Gegen die interdisziplinäre Zusammenarbeit

Eine Antwort der Urologen heißt: Mehr Nachwuchs werben. Die andere: mehr Kooperation – bevorzugt innerhalb der Disziplin! Gynäkologen und Kinderchirurgen sind unerwünschte Konkurrenz. Umgekehrt dürfte es genauso sein. Ganz ähnlich ist dies bei anderen "kleinen" Fachgesellschaften zu beobachten: Ob Dermatologie, Pneumologie, HalsNasen-Ohrenheilkunde – überall gibt es natürlich Überlappungen mit anderen Fachgebieten. Und jeder Berufsverband, jede Fachgesellschaft achtet darauf, dass von der Konkurrenz ja nicht zu viel abgeknabbert wird an den Fachgebietsrändern.

Doch damit gehen Ärztefunktionäre jenen auf den Leim, die die Ökonomisierung der Medizin betrieben haben und betreiben, jenen also, die sie zunehmend heftig kritisieren. Geredet wird viel von interdisziplinärer Zusammenarbeit, gelebt wird sie noch lange nicht. Noch dominiert altes Konkurrenzdenken. Dabei ist es irrelevant, ob eine Urologin oder ein Gynäkologe sachgerecht die Frau mit Harnwegsinfektion behandelt. Auf das Ergebnis kommt es an.

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