"Häufiges Fasten verschärft Nahrungsdefizite"

Bereits wenige Tage Nahrungskarenz können die Beschwerden von Rheumatikern lindern. Von wiederholten Fastenkuren rät der Münchner Ernährungsmediziner Professor Olaf Adam jedoch ab, da Patienten mit Rheumaerkrankungen ohnehin häufig mangelernährt sind.

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Professor Olaf Adam Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Ludwig-Maximilians- Universität München

ernährung: Wie sinnvoll sind Fastenkuren für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen?

Professor Olaf Adam: Wenn der Mensch beschließt zu Fasten, schaltet das Gehirn das Notprogramm ein. Das heißt, der Körper setzt alle nicht aktuell lebensnotwendigen Funktionen auf ein Minimalprogramm herunter. Dazu gehört auch die immunologische Reaktion. Das verschafft Rheumapatienten in ganz kurzer Zeit Erleichterung. Binnen drei Tagen ist der Patient deutlich von seinen Schmerzen befreit. Das Erlebnis, dass man so, ohne Medikamente, die Beschwerden los werden kann, verleitet viele dazu, wiederholt zu fasten. Und hier liegt das Problem. Wir wissen, dass etwa 40 Prozent der Patienten mit Rheumaerkrankungen eine Fehl- oder Mangelernährung haben. Häufiges Fasten verschärft die Nahrungsdefizite.

ernährung: Was sind die Folgen?

Adam: Wenn eine junge Frau, die einen BMI von 22 hat, immer wieder versucht, ihre Beschwerden durch Fasten zu lindern, kommt sie nach einem halben Jahr mit einem BMI von 18 oder 17 zu mir. Abgesehen von dem Untergewicht kann ich davon ausgehen, dass sie zu wenig von den wichtigsten Nährstoffen aufgenommen hat. Vor allem die ohnehin kritische Versorgung mit Calcium wird durch häufige Fastentherapien noch schlechter. Das wirkt sich natürlich auf die Knochendichte aus. Die maximale Knochenmasse (peak bone mass), die diese Frau erreicht, ist viel geringer.

Zudem haben gerade Patienten mit rheumatoider Arthritis und anderen Entzündungskrankheiten einen höheren Grundumsatz, sie benötigen also mehr Energie als Gesunde. Und sie haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Osteoporose, weil sie sich nicht so gut bewegen können, häufig Kortison einnehmen müssen und vor allem weil der Entzündungsprozess eine Osteoporose bewirkt.

ernährung: Worauf sollten Patienten beim Fasten achten?

Adam: Wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Zwei bis drei Liter elektrolytreiche Getränke wie Gemüsebrühen, Gemüsesaftschorlen oder Mineralwasser sollten aufgenommen werden. Und die Fastenkur sollte maximal sieben Tage dauern.

ernährung: Wem würden Sie von einer Fastenkur abraten?

Adam: Allen, die eine Stoffwechselerkrankung wie Diabetes mellitus oder Gicht haben. Wenn ein Patient mit Gicht eine Fastenkur macht, kann er davon ausgehen, dass er einen Gichtanfall bekommen wird. Denn beim Fasten steigt die Harnsäure im Blut extrem an. Gleichzeitig kommt es zur Azidose. Ist der Urin sauer, kann die Harnsäure nicht mehr ausgeschieden werden. Auch Menschen, die infektgefährdet sind, sollten nicht fasten.

Entscheidend beim Fasten ist, dass eine andere Einstellung zum Leben und Essen gefunden wird. Es kann mental von der Notwendigkeit befreien, dauernd essen zu müssen. Das ist ein Lernprozess, der bei Übergewichtigen durchaus okay ist. Wer abnehmen will, muss jedoch zusätzlich langfristig seine Ernährung umstellen. Das wäre auch meine Empfehlung für Menschen mit entzündlich- rheumatischen Erkrankungen. (nke)

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