Interview

Kleine Schritte gegen Darmkrebs

Zum Auftakt des Darmkrebsmonats März schildert Dr. Christa Maar, was die Felix Burda Stiftung in der Prävention beim kolorektalen Karzinom erreicht hat.

Veröffentlicht:

Dr. Christa Maar

Dr. Christa Maar: "Wir geben nicht auf!"

© Klaus Rüschhoff

Aktuelle Position: Vorstand der Felix Burda Stiftung und Präsidentin des Netzwerks gegen Darmkrebs

Ausbildung: Studium der Kunstgeschichte

Karriere: Drehbuchautorin, Regisseurin und Chefredakteurin

Privates: Ihr Sohn Felix starb 2001 an Darmkrebs

Ärzte Zeitung: "...aus Liebe zur Vorsorge!", so heißt das Motto des diesjährigen Darmkrebsmonats März. Welche Gedanken stehen dahinter?

Dr. Christa Maar: Die Gedanken an familiäre Verantwortung und dass man sich durch nahestehende Menschen am ehesten überzeugen lässt. Obwohl auf Anzeigen und in TV-Spots Paare zu sehen sind, richten wir uns besonders an Männer, die ja für ihre Gesundheit eher ins Fitnessstudio gehen als zur Vorsorge.

Die Kampagne mit drei prominenten Paaren ist darauf angelegt, dass die Frauen ihre Männer zur Früherkennungsuntersuchung animieren. Daher der Slogan: "Wer seinen Partner liebt, schickt ihn zur Darmkrebsvorsorge!" Die Männer wiederum können dann ihre Liebe unter Beweis stellen, indem sie tatsächlich gehen.

Ärzte Zeitung: PR ist das eine, Lobby-Arbeit das andere Projekt der Felix Burda Stiftung. Was haben Sie seit dem vorigen Jahr in puncto Einladungsverfahren erreicht?

Maar: Oje, ein zäher Prozess, jedes Detail muss durch Gremien abgesegnet werden. Beim Einladungsverfahren hakt's am Datenschutz - er ist Ländersache, so dass viele einzelne Regelungen erarbeitet werden müssten. Wir vereinbaren Termine mit Ministern, überlegen Umwege, um doch noch ans Ziel zu kommen, aber wann es soweit ist, das ist ungewiss.

Ärzte Zeitung: Die Berücksichtigung des familiären Risikos in der Früherkennungsrichtlinie ist wahrscheinlich ebenfalls eine Dauerbaustelle?

Maar: Der Antrag liegt seit 2008 beim G-BA, das IQWiG hat ihn geprüft, aber die Sache kommt nicht voran, Es gibt keine Studien, die aus reichend belegen, dass ein anamnestischer Fragebogen diese Personen zuverlässig erfasst.

Eins immerhin ist erreicht: In die S3-Leitlinie zu Darmkrebs wurde der Zusatz aufgenommen, diese Menschen - vier Millionen in Deutschland! - ab 40 bis 45 Jahre zu untersuchen. Denn Professor Hermann Brenner hat in einer Meta-Analyse bestätigt, dass jene, die Verwandte ersten Grades mit Darmkrebs haben, im Schnitt zehn Jahre früher erkranken.

Sobald die Leitlinie herausgegeben ist, machen wir sie bei Gastroenterologen bekannt.

Ärzte Zeitung: Gibt's weitere Erfolge?

Maar: Ein Fortschritt ist, dass Mitte des Jahres, finanziert durch eine Zuwendung des Bundesfamilienministeriums, an der Uni München eine Studie beginnt, die klärt, inwieweit der Fragebogen familiär belastete Personen tatsächlich identifiziert. Dazu sollen Kliniken und Gastro enterologen Patienten mit Darmkrebs einbringen.

Als Erfolg werten wir außerdem, dass schon 50 000 Menschen die APPzumARZT heruntergeladen haben. In diesem Tool sind die gesetzlichen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen zu Krankheiten, Impfungen, Zahnarztleistungen und U-Untersuchungen hinterlegt. Man kann Termine für die ganze Familie ausmachen und wird dann erinnert.

Ärzte Zeitung: Dringend nötig, denn die Inzidenz von Krebs steigt ...

Maar: Ja, für ein paar Jahre haben die Zahlen stagniert. Aber nun hat Professor Wolfgang Hoffmann aus Greifswald in einer Studie die Häufigkeit von Karzinomen und anderen Erkrankungen von 2008 bis 2030 abgeschätzt, aufgeschlüsselt nach Bundesländern. So rechnet man für Männer in Bayern mit einer Zunahme von Darmkrebs um 40 Prozent - ein wichtiges Argument für Vorsorge!

Ärzte Zeitung: Bloß gehen leider im Kontrast dazu die Zahlen für Früherkennungskoloskopien zurück.

Maar: Als Gegenmaßnahme forcieren wir die betriebliche Vorsorge. So haben wir eine Petition an den Bundestag gerichtet, mehr Anreize dafür zu schaffen. Gestützt wird das durch eine Studie, die Booz & Company für die Felix Burda Stiftung und das Netzwerk gegen Darmkrebs gemacht hat.

Demnach verliert die deutsche Volkswirtschaft jährlich rund 225 Milliarden Euro durch kranke Arbeitnehmer. Dagegen zahlt sich jeder Euro, der in betriebliche Prävention investiert wird, mit fünf bis 16 Euro aus.

Doch sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer Krankenkassen vorsorgend agieren können, zu eng gefasst. Daher sollte man sie ermächtigen, mehr Geld in die betriebliche Vorsorge zu stecken, ohne dass vom Bundesversicherungsamt eine Abmahnung kommt.

Inzwischen hat sich Daniel Bahr unserem Anliegen angenommen und die Betriebe an den Runden Tisch geholt. Und der BKK Landesverband Nordwest hat mit einem Einladungsverfahren angefangen.

Ärzte Zeitung: Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?

Maar: Die alten Projekte sind auch die neuen: vorgezogene Früherkennungsuntersuchungen für Menschen mit familiärem Risiko durchzusetzen, ebenso das Einladungsverfahren, das auch mit Tumorregistern abgeglichen werden muss. Wir geben nicht auf!

Die Fragen stellte Angela Speth

Lesen Sie dazu auch: Darmkrebs wird bis 2030 stark zunehmen

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Kommentare
Dr. Karlheinz Bayer 01.03.201216:28 Uhr

wohin treiben wir?


"sobald die Leitlinie bekannt ist, machen WIR sie den Gastroenterologen bekannt" - dieser Satz spricht Bände.

Die Frage in der Überschrift lautet, "was haben wir erreicht?".
Man könnte meinen, darauf würde eine Antwort kommen, welche Fortschritte es in der Darmkrebsbekämpfung gegeben habe. Tatsche ist aber, daß es der Stiftung in erster Linie um das Erreichen von Patienten für die Prävention geht.

Das ist sehr bedenklich, denn vor dem massiven Einsatz der Coloskopien wurden nicht wesentlich weniger Patienten durch einfache Stuhlproben erfasst. Diese sind zwar unspezifisch, weil sie alle Blutungen erfassen, es mehren sich jedoch die Aussagen, daß sie unter diesen die Krebsfälle sicherer miterfassen als die Coloskopie. Zudem ist das Risiko hier gleich Null, während die Coloskopie eigentlich zu riskant ist, um ihr einen Leitlinienstandard zu geben.

Natürlich hat man es argumentativ sehr schwer, gegen eine millionenschwere Stiftung anztureden, hinter der auch noch eines der größten Presseunternehmen steht. Aber gerade weil Felix Burda ein Opfer war, könnte es womöglich fruichten, wenn man sagt, der grtößere Teil des hier ausgegebenen Geldes könnte sinnvoller und effektiver in anderen bereichen ausgegeben werden. Es würde fürs erste schon genügen, Stuhluntersuchungen anzuibieten und nur bei den positiven Fällen zur Coloskopie - oder vielleicht besser gleich zu benefalls komplikationsarmen MRT zu retan.

Dr.Karlheinz Bayer, Bad Peterstal

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