Risikofaktoren

Kranke Psyche + Alkohol = Demenz

Als junger Erwachsener schon nicht ganz helle, später psychische Probleme und dazu Alkoholexzesse - damit steigt das Risiko für eine frühe Demenz locker um das Zwanzigfache.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:

UMEA. Gibt es Möglichkeiten eine früh beginnende Demenz durch früh einsetzende Präventionsmaßnahmen zu verhindern? Diese Frage haben sich Geriater um Dr. Peter Nordström von der Universität in Umea in Schweden gestellt (JAMA Intern Med 2013, online 12. August 2013).

Zwar beginnen weniger als zehn Prozent der Demenzerkrankungen vor dem 65. Lebensjahr - diese verursachen jedoch äußerst hohe Kosten durch eine oft lang andauernde Pflegebedürftigkeit. Zudem stellen sie die Angehörigen vor gewaltige Herausforderungen und Probleme.

Um Antworten zu finden, hat sich das Team um Nordström nun die vielen Datenbanken zunutze gemacht, die in Schweden gesundheitsrelevante Daten der gesamten Bevölkerung erfassen.

Speziell interessierten sie sich für das Schicksal schwedischer Rekruten, die zwischen 1969 und 1979 ihren Pflichtwehrdienst absolviert hatten.

Da diese Männer bei der Musterung sowohl körperlich als auch kognitiv gründlich untersucht worden waren, lässt sich daraus der Gesundheitszustand aller schwedischen Männer der Geburtskohorte 1950 bis 1960 ermitteln, und zwar zu einem Zeitpunkt, als diese 18 bis 19 Jahre alt waren.

Etwa ein Promille der Männer erkrankt früh an einer Demenz

Mit welchen medizinischen Problemen die Männer anschließend zu kämpfen hatten, konnten Nordström und Mitarbeiter aus dem nationalen Krankenhausregister entnehmen, das zentral alle Diagnosen erfasst.

Darin werden auch die Demenzerkrankungen erfasst - der Demenzverdacht gerade bei relativ jungen Betroffenen wird in Kliniken mit diversen Untersuchungen überprüft.

Aber auch andere stationäre Ereignisse wie Schlaganfälle, Depressionen oder Alkoholvergiftungen konnten die Geriater über die Klinikdatenbank problemlos ermitteln. Ergänzt wurden die Analysen durch das nationale Medikamentenregister. Daraus ließ sich entnehmen, wer welche Medikamente im Laufe seines Lebens benötigt hat.

Die Forscher fanden nun im Jahr 2011 bei 506 der ursprünglich knapp einer halben Million gemusterter Männer eine Demenzdiagnose.

Nach Abzug von Diagnosen wie Parkinsondemenz, Lewy-Körperchen-Demenz, Alkohol-bedingte Demenz und leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) blieben noch 487 Diagnosen, die sie der nicht näher spezifizierten "frühen Demenz" zuordneten und die Basis für ihre Berechnungen bildeten.

Neun relevante Risikofaktoren

Insgesamt fand das Team um Nordström neun von 19 untersuchten Faktoren, die bei den Demenzkranken signifikant häufiger zu finden waren als bei den Personen ohne Demenz.

So schnitten die späteren Demenzkranken schon bei der Musterung in den Kognitionstests deutlich schlechter ab, und zwar in Einzelbereichen wie Logik, Gedächtnis, räumlich-visuelle und technische Funktionen.

Wenig erstaunlich ist, dass die späteren Demenzkranken dann auch ein geringeres Bildungsniveau erreichten - nur 20 Prozent erzielten einen Hochschulabschluss, 28 Prozent waren es bei den Männern ohne frühe Demenz. Entsprechend war auch das Einkommen der späteren Demenzkranken 15 Jahre nach der Musterung um etwa 22 Prozent geringer.

Doch auch andere Faktoren waren entscheidend: So registrierten die Forscher bei einem Drittel der Demenzkranken im Laufe ihres Lebens mindestens eine Krankenhauseinweisung aufgrund einer Alkoholvergiftung, bei den geistig Gesunden lag der Anteil nur bei 5,5 Prozent.

Personen mit späteren Alkoholvergiftungen hatten schon bei der Musterung vermehrt einen bedenklichen Alkoholkonsum zugegeben.

Krankenhauseinweisungen aufgrund von Vergiftungen

Der Anteil der Einweisungen wegen Intoxikationen mit anderen Drogen war bei den Demenzkranken ebenfalls weitaus höher (7,6 Prozent versus 1,3 Prozent). Zudem hatten knapp 40 Prozent der Demenzpatienten eine Depressionsdiagnose, oder sie hatten Antidepressiva eingenommen, 23 Prozent auch Antipsychotika.

Der Anteil bei den kognitiv Gesunden war hier mit 14 Prozent und 2,5 Prozent weitaus niedriger. Schlaganfälle traten bei 6,4 Prozent versus 1 Prozent ebenfalls häufiger im Leben der Demenzkranken auf.

Andere Faktoren wie Körpergröße und erhöhter systolischer Blutdruck bei der Musterung oder eine Demenz bei den Eltern unterschieden sich zwar ebenfalls, fielen aber nicht weiter ins Gewicht.

Daraus ergibt sich folgendes Bild: Patienten mit früh beginnender Demenz waren häufig schon im jungen Erwachsenenalter nicht ganz clever, hatten oft ein lockeres Verhältnis zu Drogen und Alkohol und fielen später durch massive psychische Probleme und Alkoholexzesse auf.

Kommen diese drei Faktoren zusammen, so lässt sich ein etwa 20-fach erhöhtes Risiko für eine frühe Demenz errechnen.

Die Studie wirft natürlich einige Fragen auf. Übermäßiger Alkoholkonsum mag eine Reihe der frühen Demenzerkrankungen erklären. Hier kann man vermuten, dass eine Alkohol-bedingte Demenz vorliegt, die vermutlich nicht als solche diagnostiziert worden war.

Welche Rolle spielen die Gene?

Weitgehend unklar ist aber der Zusammenhang mit den frühen kognitiven Defiziten und psychischen Erkrankungen.

Führt eine bestimmte genetische Konstitution zu einer defizitären kognitiven Entwicklung und zugleich zu einem erhöhten Demenzrisiko? Begünstigen dieselben genetischen Faktoren auch psychische Erkrankungen? Erhöhen Antidepressiva und Antipsychotika das Demenzrisiko?

Oder ist es vielmehr so, dass eine psychische Labilität zu einem Lebenswandel führt, der für die Hirngesundheit wenig vorteilhaft ist?

Immerhin lassen sich Risikopersonen für eine frühe Demenz offenbar schon früh erkennen. An dieser Stelle könnten dann auch Präventionsmaßnahmen ansetzen, die sich mäßigend auf den Alkoholkonsum und günstig auf die psychische Gesundheit auswirken.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Rauchfreies Europa?

Rauchstopp: EU hat neben Tabak auch Nikotin im Blick

Das könnte Sie auch interessieren
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

© brizmaker | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Depressionsscreening

Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

© Vink Fan / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!