„Hyper-Interleukin-6“
Künstliches Protein lässt gelähmte Mäuse wieder laufen
Mit einem „Designer-Zytokin“ ist es Wissenschaftlern gelungen, Mäuse, deren Hinterbeine durch einen Wirbelsäulenbruch gelähmt waren, wieder zum Laufen zu bringen.
Veröffentlicht:Bochum. Bisher sind Lähmungen, die auf Rückenmarksschädigungen zurückgehen, bekanntlich irreparabel. Mit einem neuen Therapieansatz ist es Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum (RUB) nun gelungen, dass gelähmte Mäuse wieder laufen können (Nat Comm 2021; online 15. Januar). Schlüssel dazu sei „Hyper-Interleukin-6“ (hIL-6), ein künstliches Protein, das Nervenzellen über den JAK/STAT3-Signalweg zur Regeneration der Axone anregt, berichtet die RUB.
„Bei hIL-6 handelt es sich um ein sogenanntes Designer-Zytokin, das bedeutet, es kommt so in der Natur nicht vor und musste gentechnologisch hergestellt werden“, wird Letztautor Professor Dietmar Fischer in der Mitteilung zitiert. Seine Arbeitsgruppe hat schon in einer früheren Arbeit dargelegt, dass hIL-6 die Regeneration von Nervenzellen effizient anregen kann.
Gentherapeutische Behandlung
In seiner aktuellen Arbeit brachte das Bochumer Team per Gentherapie Neuronen des Motosensorischen Cortex dazu, hIL-6 selbst zu produzieren. Da diese Zellen über axonale Seitenäste auch mit anderen, für Bewegungsvorgänge wie das Laufen wichtigen Neuronen in anderen Gebieten des Gehirns verknüpft sind, wurde das hIL-6 auch direkt zu diesen sonst schwer zugänglichen, aber wichtigen Nervenzellen transportiert und dort gezielt freigesetzt.
„So wurde durch die gentherapeutische Behandlung nur weniger Nervenzellen die axonale Regeneration verschiedener Nervenzellen im Gehirn und mehrerer motorischer Trakte im Rückenmark gleichzeitig angeregt“, erklärt Fischer. „Das hat es letztlich ermöglicht, dass die so behandelten, kurz zuvor gelähmten Tiere nach zwei bis drei Wochen begannen zu laufen. Dies hat uns am Anfang sehr überrascht, da es noch nie zuvor nach einer kompletten Querschnittslähmung gelungen ist.“
Das Team untersucht nun, inwieweit sich dieser oder vergleichbare Ansätze mit weiteren Maßnahmen kombinieren lassen, um die Gabe von hIL-6 weiter zu optimieren und zusätzliche Funktionsverbesserungen zu erreichen. Auch untersuchen die Forscher die Frage, ob hIL-6 bei Mäusen auch dann noch positive Effekte erzielt, wenn die Verletzung schon mehrere Wochen zurückliegt. (eb)