Kohortenstudie

Licht im Schlafzimmer: Offenbar ein Risikofaktor für Herz und Gefäße

Wer nachts das Licht anlässt, bringt nicht nur seinen zirkadianen Rhythmus durcheinander, sondern erhöht möglicherweise auch sein Risiko für eine spätere kardiovaskuläre Erkrankung. Das ist die Schlussfolgerung aus einer großen Kohortenstudie mit Daten aus der UK Biobank.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Eine Frau liegt im Bett und schläft

Wie viel Licht nachts das Schlafzimmer aufhellt, bestimmt womöglich auch das kardiovaskuläre Risiko der dort Nächtigenden.

© Creatas Images / Thinkstock

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Besteht ein Zusammenhang zwischen nächtlicher Lichtexposition und der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

Antwort: Offenbar ja, wie eine internationale Kohortenstudie anhand von individuellen Messungen bestätigt. In der Gruppe mit der höchsten Lichtexposition bei Nacht waren das Risiko für KHK, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, Herzinfarkt und Schlaganfall nach rund acht Jahren gegenüber der Gruppe mit minimaler Exposition signifikant erhöht.

Bedeutung: Das Studienteam schlussfolgert, dass das kardiovaskuläre Risiko sinkt, wenn man auf Licht im Schlafzimmer weitgehend verzichtet.

Einschränkung: Datenbankstudie; Rückschlüsse auf Kausalität nicht möglich; keine Informationen über die Art der nächtlichen Lichtquelle; Lichttracker wurden nur eine Woche lang getragen.

Adelaide (Australien). Dass es der Gesundheit schaden kann, wenn man die Nacht zum Tage macht, haben bereits viele Studien mit Schichtarbeitenden gezeigt. Als zugrundeliegender Mechanismus wird vor allem eine Störung des zirkadianen Rhythmus vermutet.

Dahinter verbirgt sich ein komplexes System fein aufeinander abgestimmter innerer Uhren, welches sich im Lauf der Evolution über Jahrmillionen entwickelt hat.

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Bekannt ist, dass speziell nächtliches Licht dieses System empfindlich stören kann. Es gibt auch bereits Hinweise auf Assoziationen mit verschiedenen kardiovaskulären Risiken, die entsprechenden Studien waren allerdings entweder als Querschnittstudien angelegt oder basierten auf ungenauen Satellitendaten zur Umgebungshelligkeit.

Studie mit Lichtmessern am Handgelenk

Jetzt legt ein internationales Team aus Australien, den USA und Großbritannien erstmals eine umfangreiche Longitudinalstudie vor, in der die individuelle Lichtexposition mit Sensoren am Handgelenk gemessen wurde (JAMA Netw Open 2025; online 23. Oktober).

Demnach war das Risiko, innerhalb von rund acht Jahren eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln, bei hoher gegenüber geringer Lichtexposition bei Nacht signifikant erhöht. Umgekehrt schienen Personen, die viel Tageslicht abbekamen, perspektivisch ein geringeres kardiovaskuläres Risiko zu haben.

Die Studie basiert auf den Daten von 88.905 Personen, davon 57 Prozent Frauen, aus der UK Biobank. Alle Teilnehmenden waren zu Beginn kardiovaskulär unauffällig.

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Im Studienzeitraum, zwischen Juni 2013 und November 2022, hatten sie eine Woche lang den Lichttracker getragen. Auf diese Weise waren insgesamt rund 13 Millionen Stunden Datenmaterial zur individuellen Lichtexposition zusammengekommen.

Das jeweilige Ausmaß der Exposition wurde in vier Perzentilen kategorisiert, vom 0. bis zum 50., vom 51. bis zum 70., vom 71. bis zum 90. und vom 91. bis zum 100. Perzentil (Ersteres entsprach den dunkelsten, Letzteres den hellsten Nächten).

Erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz und Myokardinfarkt

Am Ende der Studie – nach median 7,9 Jahren – schaute sich das Forschungsteam die kardiovaskulären Neuerkrankungsraten an, und zwar jeweils bei den Personen mit der stärksten im Vergleich zur schwächsten Lichtexposition bei Nacht.

Das Risiko, im Studienzeitraum eine koronare Herzkrankheit (KHK) zu entwickeln, war bei denjenigen mit den hellsten Nächten um relative 32 Prozent erhöht, das Risiko für Vorhofflimmern ebenfalls um 32 Prozent, für den Schlaganfall waren es immerhin 28 Prozent. Das Risiko für einen Myokardinfarkt war in der Gruppe mit den hellsten Nächten fast um 50 Prozent erhöht, das Risiko einer Herzinsuffizienz sogar um 56 Prozent.

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In diesen Rechenmodellen waren zunächst nur Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht und Tageslänge berücksichtigt. Die Assoziationen blieben aber auch dann signifikant, wenn etablierte Einflussfaktoren auf das kardiovaskuläre Risiko wie körperliche Aktivität, Rauchen, Alkohol, Ernährung, Schlafdauer, sozioökonomischer Status und genetische Risiken hinzugezogen wurden.

Und auch die Berücksichtigung von Vorerkrankungen (zum Beispiel Diabetes, Hypertonie, Übergewicht) änderte wenig an dem Zusammenhang, ebenso wenig der Chronotyp oder die Schlafeffizienz bzw. ob jemand in der Regel kurz oder lang schlief.

Assoziationen bei Frauen zum Teil stärker

Wie Daniel T. Windred von der Universität Flinders (Australien) und Mitforschende berichten, waren die Assoziationen bei Frauen zum Teil signifikant stärker als bei Männern, und zwar in Bezug auf die Herzinsuffizienz (p für Interaktion = 0,006) und auf die KHK (p für Interaktion = 0,02).

Überdies galten bei jüngeren Menschen signifikant stärkere Zusammenhänge als bei älteren, nämlich ebenfalls für die Herzinsuffizienz (p für Interaktion = 0,04), aber auch für das Vorhofflimmern (p für Interaktion = 0,02).

Tageslicht mit gewissem Schutzeffekt

Das Team hatte auch den Zusammenhang zwischen der Lichtexposition am Tag und dem jeweiligen kardiovaskulären Risiko untersucht. Dabei kam heraus, dass Teilnehmende, die mehr Tageslicht abbekamen, ein perspektivisch geringeres Risiko für KHK, Herzinsuffizienz und Schlaganfall hatten.

Stellte man diejenigen mit der stärksten denjenigen mit der geringsten Tagesexposition gegenüber, ergab sich für Erstere eine Risikoreduktion um relative 13 Prozent für die KHK, um relative 28 Prozent für die Herzinsuffizienz und um relative 27 Prozent für den Schlaganfall, aber nur im minimal adjustierten Modell.

Nach Berücksichtigung von Lebensstilfaktoren verflüchtigte sich der Zusammenhang. Vor Herzinfarkten oder Vorhofflimmern schien viel Tageslicht grundsätzlich nicht zu schützen, egal welches Rechenmodell zum Einsatz kam.

Zusammenhang unabhängig von der Schlafdauer

Für den Studienkommentator Jonathan Cedernaes von der Universität Uppsala in Schweden ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Effekte heller Nächte unabhängig waren von Faktoren, die häufig mit Lichtexposition zur Unzeit assoziiert werden, beispielsweise mit dem Chronotyp, der Schlafdauer, dem erholsamen Schlaf oder der Photoperiode. „Das zeigt, dass die Risiken heller Nächte nicht beispielsweise auf zu wenig Schlaf zurückzuführen sind.“

Cedernaes zufolge könnte in diesem Zusammenhang vor allem das Schlafhormon Melatonin eine Rolle spielen. Dieses werde von der Zirbeldrüse ausgeschüttet, wenn es üblicherweise Zeit sei, zu Bett zu gehen. Darin spiegle sich der Rhythmus des Nucleus suprachiasmaticus wider, einem Hauptverantwortlichen für die Regulation des zirkadianen Rhythmus.

Atherosklerotische Prozesse begünstigt

„Lichtexposition zur Schlafenszeit kann die Melatoninsekretion verzögern und abschwächen und damit unseren Tag-Nacht-Rhythmus beeinflussen“, erklärt der Schlafforscher. Studien hätten zudem gezeigt, dass nächtliches Licht auch noch andere neurophysiologische Systeme durcheinanderbringen könne.

So war eine Raumlichtstärke von 100 Lux (ähnlich wie in der Gruppe mit der höchsten nächtlichen Exposition in der aktuellen Studie) bei den Teilnehmenden mit einer erhöhten Herzfrequenz, kürzeren Tiefschlafphasen und einer schlechteren Insulinsensitivität verknüpft. Außerdem könne nächtliches Licht entzündliche und atherosklerotische Prozesse begünstigen, so der Kommentator.

In einer Studie mit 700 Teilnehmenden habe man einen Zusammenhang zwischen höheren Lichtstärken im Schlafzimmer und einer größeren Intima-Media-Dicke in der A. carotis communis nachgewiesen.

Nach Cedernaes bedarf es jetzt weiterer Studien, um zu zeigen, ob sich das kardiovaskuläre Risiko tatsächlich senken lässt, wenn gefährdete Personen das Licht zum Schlafen deutlich dimmen.

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