Coronavirus

Mehr MERS-Tote und eine Hypothese

Mehr Infizierte und mehr Todesfälle wegen MERS: Das saudische Gesundheitsministerium hat seine Statistik revidiert. Forscher präsentieren derweil einen neuen Fall einer Tier-zu-Mensch-Übertragung - und hinterfragen das Reservoir.

Veröffentlicht:
MERS-CoV in grau: In Saudi-Arabien sind daran weit mehr Menschen gestorben als bislang bekannt war.

MERS-CoV in grau: In Saudi-Arabien sind daran weit mehr Menschen gestorben als bislang bekannt war.

© Cynthia Goldsmith / CDC

RIAD/DSCHIDDA. Mit einer Mitteilung waren es hundert Fälle mehr: Das Gesundheitsministerium in Saudi-Arabien hat die Zahlen der mit dem neuen MERS-Coronavirus infizierten und gestorbenen Patienten revidiert. Damit kommen die Behörden nun auf fast 700 Fälle und damit deutlich mehr als noch Anfang der Woche.

Nach Angaben des Ministeriums in der saudischen Hauptstadt Riad vom Dienstag sind bisher 688 Menschen an einer Infektion mit dem "Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus" (MERS-CoV) erkrankt und 282 davon gestorben.

Das sind gegenüber der amtlichen Statistik von tags zuvor 113 Erkrankungsfälle und 92 Tote mehr. Nach dem jüngsten Ministeriumsbericht vom Mittwoch sind noch einmal drei neue Infektionsfälle, darunter zwei mit letalem Ausgang, hinzugekommen.

Woher der plötzliche Anstieg in der Statistik kommt, vermochte das Ministerium in seiner Mitteilung nicht zu sagen. Fakt ist aber, dass die neu hinzugekommenen Fälle bis zum Frühjahr vergangenen Jahres reichen. Will heißen: Seitdem wurden schlicht weniger Fälle registriert (oder gemeldet respektive veröffentlicht) als nach der neuen Erhebung tatsächlich aufgetreten waren. Einen deutlichen Peak bei den Nachmeldungen gibt es ab März dieses Jahres, als die neuerliche Infektionswelle ihren Lauf nahm.

Nach Angaben von Dr. Tariq Madani, dem Chef des Beratergremiums für das nationale Lagezentrum, basieren die neuen Zahlen auf einer "gründlichen Untersuchung" der MERS-Daten. Mit dieser Maßnahme habe man ein "umfassendes Verständnis der Fakten" erlangen wollen.

Als Konsequenz aus den neuen Fallzahlen hat das Ministerium ein verbessertes Berichtswesen angekündigt. Künftig sollen die Informationen "akkurat, verlässlich und zeitnah" publiziert und weitergegeben werden. Dazu werde unter anderem ein elektronisches Meldesystem installiert.

Der Schwenk bei der MERS-Berichterstattung kommt nur einen Tag nachdem der stellvertretende Gesundheitsminister Dr. Ziad Memish entlassen wurde. Manche Beobachter machen dafür wachsenden Unmut in Fachkreisen an dessen Krisenmanagement während der MERS-Epidemie aus. Wenige Wochen zuvor wurde bereits sein damaliger Chef Minister Abdullah al-Rabiah von König Abdullah ibn Abd al-Aziz as-Saud seines Amtes enthoben.

Neuer Bericht einer Kamel-zu-Mensch-Übertragung

Derweil haben saudische Forscher erneut eine Übertragung der MERS-Viren von einem Kamel auf einen Menschen nachgewiesen - für Letzteren mit tödlichem Ausgang. Die Forscher um Professor Tariq Ahmed Madani von der Uniklinik der König-Abdulaziz-Universität in Dschidda stellen zudem die Hypothese auf, dass die Tiere womöglich nicht die ursprünglichen MERS-Reservoire sind, sondern nur Überträger (NEJM 2014; online 4. Juni).

Die Coronaviren müssten dann in anderen Lebewesen ihren ursprünglichen Wirt haben. Bisher wird von zahlreichen Forschern angenommen, dass die auf der arabischen Halbinsel ubiquitären Kameltiere der Ursprung der MERS-CoV-Epidemie sind. Zoologen aus Riad hatten im Frühjahr harte Indizien vorgelegt, dass die Viren bereits seit vielen Jahren in den Tieren schlummern.

In dem jetzigen Fallbericht von Madani und Kollegen war ein 44 Jahre alter Mann Anfang November mit Atemwegssymptomen in die Klinik eingeliefert worden. Gut zwei Wochen später starb er an den Folgen der Erkrankung. Der RNA-Nachweis von MERS-CoV im Nasenabstrich war positiv. Kurz vor seinem Tod ließen sich zudem deutlich erhöhte Antikörpertiter gegen das Virus im Blut nachweisen.

Der Mann war Kamelbesitzer und hatte täglich Kontakt zu den Tieren. Vier der Tiere zeigten vor seiner Erkrankung Krankheitssymptome samt Ausfluss von Nasensekret. Der Mann hat einem der Tiere eine Woche vor seiner eigenen Erkrankung eine topische Tierarznei in die Nase injiziert.

Das könnte womöglich der Infektionszeitpunkt gewesen sein, denn auch bei den Kamelen ließ sich MERS-RNA nachweisen. Vollständige Genomsequenzierungen der MERS-Viren, die die Forscher aus Nasenabstrichen des Mannes und des von ihm behandelten Kamels gewonnen und angezüchtet hatten, wiesen eine hundertprozentige Übereinstimmung aus.

Damit haben die saudischen Ärzte erneut eine Kamel-zu-Mensch-Übertragung nahezu nachgewiesen. Eine gleichzeitige Infektion durch einen anderen Wirt wollen sie wegen fehlender Indizien ausschließen.

Die Daten liefern laut Madani et al. aber auch Indizien, dass Kamele womöglich nicht zwingend persistente Reservoire der MERS-Viren sein müssen, sondern womöglich auch nur Überträger sein können. Denn die Tiere auf der Farm des gestorbenen Mannes lieferten nur zeitweise einen positiven RNA-Nachweis in den Nasenabstrichen. Andere Proben blieben negativ.

Die Antikörpertiter waren zudem entweder ansteigend oder kontinuierlich hoch. Das lässt den Forschern zufolge eher daraus schließen, dass die Tiere kürzlich erst eine Infektion durchgemacht aber überstanden haben. Das könnte zudem gegen eine bereits früher erworbene Immunität sprechen. Ergo hätten sich die Tiere selbst erst vor einiger Zeit infiziert. Unklar bleibt bloß, wer der Wirt war.

Ausgeschlossen ist mit dieser Überlegung allerdings noch lange nicht, dass Kamele doch die ursprünglichen Wirte sind. Denn die Tiere des Patienten aus dem Fallbericht können sich schließlich auch bei anderen Artgenossen angesteckt haben. (nös)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 05.06.201411:19 Uhr

Übertragungs-Wege

Das ist schon mal ein epidemiologischer Fortschritt: das saudisch-arabische Gesundheits-Ministerium will nach "gründlichen" Untersuchungen die MERS-Daten "akkurat, verläßlich und zeitnah" publizieren. Da sollten natürlich Spekulationen über die Ansteckungs-Quelle des "Midle- East- Respiratory-Syndrome- Corona-Virus" draußen vor bleiben.
Einseitig den Ansteckungs-Weg nur vom Kamel zum Menschen zu sehen, -statt auch reziprok aus menschlicher Sicht-, könnte nämlich in die Irre führen. Vorher wurden ja schon aus dem Tierreich fruchfressende Flughunde dafür verantwortlich gemacht.
Wir wissen seit vielen Jahren, daß heute einzelne Tuberkulose-Fälle bei Rindern meistens humaner Provinienz sind; also nicht Mykobakterium bovis, sondern M. tuberkulosis als Krankheitserreger nachgewiesen wird.
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt (FTA für Hygiene und Mikrobiologie) aus Rostock

Sonderberichte zum Thema
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion von Gilead Sciences beim DÖAK 2025 von links: Dr. Nazifa Qurishi, Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie, Gemeinschaftspraxis Gotenring Köln; Kelly Cavalcanti, HIV-Aktivistin und Referentin für Gesundheit und Empowerment, Köln, und Martin Flörkemeier, Senior Director Public Affairs, Gilead Sciences, München

© Gilead

Unternehmen im Fokus

HIV-Versorgung: Vertrauen in unruhigen Zeiten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Abb. 1: PD-1-Inhibitoren: immunvermittelte Nebenwirkungen

© Springer Medizin Verlag GmbH

Thoraxchirurgie beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom

Wie können neoadjuvante Immuntherapien die Tumorresektion beeinflussen?

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!