Koronarintervention

Stabile KHK: Keine bessere Prognose durch Herzkatheter

Die Hoffnung, einen prognostischen Nutzen der invasiven Revaskularisation durch perkutane Koronarintervention (PCI) bei stabiler KHK nachweisen zu können, hat sich in der bis dato größten Studie nicht erfüllt. Ein symptomatischer Nutzen konnte dagegen sehr wohl gezeigt werden.

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Herzkatheter-Labor: Wann ist für Patienten mit stabiler KHK der Eingriff nötig? Die Frage wird neu zu diskutieren sein.

Herzkatheter-Labor: Wann ist für Patienten mit stabiler KHK der Eingriff nötig? Die Frage wird neu zu diskutieren sein.

© bvmed.de

Philadelphia. Eine invasive Therapie führt bei Patienten mit stabiler KHK nicht zu einer besseren Prognose als eine alleinige optimale medikamentöse Therapie (OMT). Die Rate kardiovaskulärer Ereignisse ist mit beiden Strategien nahezu identisch, wie aus den lange erwarteten Ergebnissen der ISCHEMIA-Studie hervorgeht, die am Samstag beim Kongress der American Heart Association (AHA) in Philadelphia vorgestellt wurden.

Aufgrund der Ausschlusskriterien der ISCHEMIA-Studie sind ihre Ergebnisse allerdings nicht auf Patienten mit akutem Koronarsyndrom (in den letzten zwei Monaten), mit stark ausgeprägten Angina-Beschwerden, mit Hauptstammstenose oder Herzinsuffizienz mit eingeschränkter linksventrikulärer Auswurffraktion übertragbar.

Im Vergleich zu einer initial konservativen OMT konnten die Forscher um Professor Judith S. Hochman vom Langone Medical Center der New York University durch eine zusätzliche Koronarangiografie plus Revaskularisation per Herzkatheter oder Bypass-Op insgesamt keine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse nachweisen. Weder beim primären kombinierten Endpunkt noch bei einer Kombination harter klinischer Ereignisse (Myokardinfarkt oder kardiovaskulärer Tod) ergab sich ein Nutzen über den der OMT hinaus. Nach im Mittel 3,3 Jahren war der primäre Endpunkt nicht signifikant verschieden: 13,3 vs. 15,5 Prozent in der invasiven bzw. der OMT-Gruppe (HR 0,93; 95%-CI 0,80-1,08).

ISCHEMIA-Studie

  • 8518 Patienten seit 2012 rekrutiert, 5179 randomisiert
  • Studienarme: Invasive Strategie (Herzkatheter, PCI, Bypass-Op, Lebensstil, OMT) vs. konservative Strategie (Lebensstil plus OMT)
  • 3,3 Jahre medianer Follow-up
  • Primärer Endpunkt: Kombination aus kardiovaskulärem Tod, nichttödlichem Myokardinfarkt, Reanimation nach Herzstillstand, Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris oder Herzinsuffizienz
In den ersten zwei Jahren war die Ereignisrate – getrieben durch eine relative Zunahme von prozeduralen Herzinfarkten – in der Gruppe mit invasiver Strategie höher als in der OMT. Dann kreuzten sich die Ereigniskurven: In den folgenden zwei Jahren war die Ereignisrate dann – primär bedingt durch eine relative Abnahme spontaner Herzinfarkte – in der initial invasiv behandelten Gruppe niedriger als unter alleiniger OMT.

Gesamtmortalität praktisch identisch

Ähnlich war das Verlaufsmuster beim „harten“ Zwei-Komponenten-Endpunkt. Auch hier war die Ereignisrate bei invasiver Strategie zunächst höher, danach jedoch niedriger als in der konservativ behandelten Gruppe. Die Unterschiede in beiden Phasen glichen sich weitgehend aus.

Die Ereignisraten beim sekundären Endpunkt waren mit 11,7 vs. 13,9 Prozent nach vier Jahren ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich (HR 0,90; 95%-CI 0,77-1,06). Die Raten für die Gesamtmortalität waren mit 6,5 und 6,4 Prozent relativ niedrig und praktisch identisch.

Überlegen war die invasive Revaskularisation jedoch bei der Verbesserung der Symptomatik und Lebensqualität der Patienten. Grundlage der Analyse bilden mithilfe des „Seattle Angina Questionaire“ nach drei, zwölf und 36 Monaten bei jeweils rund 2300 Patienten in beiden Behandlungsgruppen erhobene Daten. Laut Professor John A. Spertus vom Saint Luke’s Mid America Heart Institute in Kansas City hatten rund 20 Prozent der Patienten in den vier Wochen vor Studienbeginn täglich oder wöchentlich und 44 Prozent mehrmals im Monat pektanginöse Symptome, während bei rund 35 Prozent in dieser Zeit keine Beschwerden aufgetreten waren.

Nutzen für Patienten mit Angina-pectoris-Symptomen

Wie Spertus berichtete, ging die invasive Strategie mit einer signifikanten und anhaltenden Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zur konservativen Strategie einher. Davon profitierten allerdings nicht überraschend nur jene Patienten, bei denen nach eigenen Angaben zuvor auch tatsächlich Beschwerden aufgetreten waren, nicht aber Patienten ohne Symptome. Von den Patienten mit täglich oder wöchentlich aufgetretenen Angina-Beschwerden waren bei OMT 15 Prozent, bei invasiver Therapie hingegen 45 Prozent komplett beschwerdefrei.

In die 2012 gestartete ISCHEMIA-Studie waren 8518 Patienten aufgenommen worden, von denen de facto 5179 in die beiden Studienarme randomisiert worden sind. Bei den 3339 Patienten, die durch das Screening-Raster fielen, waren ungeschützte Hauptstammstenosen, das Fehlen signifikanter Koronarobstruktionen in der koronaren CT-Angiografie sowie ein nicht ausreichender Schweregrad der Ischämie die Hauptgründe für den Ausschluss von der Studienteilnahme.

Anders als in früheren Studien wurden mögliche ISCHEMIA-Probanden zum Ischämie-Nachweis nicht-invasiven kardialen Stress-Tests (mit oder ohne Bildgebung) unterzogen. Nur Patienten mit dokumentierten mäßiggradigen bis schweren Ischämien wurden nach Ausschluss einer Hauptstammstenose (durch eine verblindete CT-Koronarangiografie) randomisiert.

So wurden die Studien-Probanden ausgewählt

Die Behandlung erfolgte dann entweder in invasiver Form (PCI/Stent oder Bypass-Operation additiv zu einer optimierten medikamentösen Therapie) oder zunächst in konservativer Form mit einer alleinigen OMT und einer Herzkatheteruntersuchung nur in Fällen, in denen die medikamentöse Therapie als nicht ausreichend erachtet wurde.

75 Prozent der Patienten hatten sich via bildgebendem Stresstest und 15 Prozent via Belastungstest für die Studienteilnahme qualifiziert. Bei 54 Prozent der Patienten lag eine schwere Ischämie, bei 33,0 Prozent eine moderate und bei zwölf Prozent eine nur mild ausgeprägte oder keine Ischämie vor.

Von den Patienten, die einer koronaren CT-Angiografie unterzogen worden waren (73 Prozent), hatten 79 Prozent eine koronare Mehrgefäß-Erkrankung, 87 Prozent Koronarläsionen im Ramus interventricularis anterior (RIVA/LAD) und 47 Prozent proximale RIVA-Stenosen.

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