Plädoyer für frühe Therapie bei Hodenhochstand

MÜNCHEN (hsr). Spätestens zwischen dem zehnten und zwölften Lebensmonat, also bei der U6, sollten Jungen auf Hodenhochstand untersucht werden. Um Infertilität und irreversiblen Schäden des Hodengewebes vorzubeugen, muß die Therapie bei Hodenhochstand, ob hormonell oder chirurgisch, bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres abgeschlossen sein.

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An diese zeitlich sehr eng gezogenen Grenzen bei Maldescensus testis erinnert Professor Stephan Kellnar von der Kinderklinik Dritter Orden in München. Denn bei über der Hälfte der nicht behandelten Klein- und Schulkinder mit Hodenhochstand seien die Spermatogonien entweder stark dezimiert oder überhaupt nicht mehr nachweisbar, so Kellnar (pädiatrie hautnah 3, 2005, 130).

Um zu klären, ob ein Pendelhoden, bei dem keine Therapie erforderlich ist, oder ob ein Gleit-, Leisten-, Bauchhoden oder eine Hodenektopie vorliegt, hilft meist die Palpation.

Neugeborene und Säuglinge werden im Liegen mit warmen Händen abgetastet, Kleinkinder am besten im Schneidersitz, so sind der Hodenheber-Reflex (Kremaster-Reflex) abgeschwächt und der Samenstrang entlastet. Hilfreich sei außerdem, einen Finger auf den äußeren Leistenkanal zu legen, damit der Hoden nicht zurückschnellen kann.

Lasse sich so kein Hoden ertasten und bestehe der Verdacht auf Kryptorchismus, rät der Kinderchirurg zur Laparoskopie. Diese Methode könne zugleich auch therapeutisch eingesetzt werden.

Die Behandlung bei Hodenhochstand sei grundsätzlich eine Operation, so Kellnar. Die Fixierung des Hodens mit Hilfe der Orchidopexie habe eine Erfolgsrate von etwa 95 Prozent.

Lediglich bei Gleithoden oder distal liegenden Leistenhoden hält der Kinderchirurg einen medikamentösen Therapieversuch für geeignet: mit intramuskulär injiziertem humanem Choriongonadotropin (HCG) oder mit nasal appliziertem luteinisierendem Hormon-Releasing-Hormon (LHRH). Rezidive seien allerdings sowohl bei der HCG- als auch LHRH-Therapie nicht selten.

Bei jedem fünften der Patienten trete der Hodenhochstand nach abklingender Hormonstimulierung erneut auf. Bei diesen Knaben bestehe dann die Indikation einer operativen Therapie.



STICHWORT

Hodenhochstand

Hodenhochstand ist die häufigste kongenitale urogenitale Anomalie. Bei bis zu fünf Prozent neugeborener Jungen befindet sich mindestens ein Hoden nicht im Skrotum.

Zu einem spontanen Descensus testis kommt es im ersten Lebensjahr nur bei knapp jedem Dritten. Danach steigt der Hoden von selbst nicht mehr ins Skrotum ab.

Es werden fünf verschiedene Formen des Hodenhochstands unterschieden:

  • Pendelhoden: Vorübergehende präskrotale oder inguinale Hodenhochlage, ausgelöst durch den Kremaster-Reflex, etwa nach Kältereiz oder bei psychischer Anspannung.
  • Gleithoden: Läßt sich manuell zwar vom Leistenkanal ins Skrotum ziehen, rutscht aber nach Loslassen dorthin zurück. Bei dieser Hodenfehllage ist zu therapieren , um irreversiblen Gewebeschäden vorzubeugen.
  • Leistenhoden: Ständige Fehllage des Hodens im Leistenkanal.
  • Hodenektopie: Das Organ liegt außerhalb des physiologischen Descensusweges.
  • Bauchhoden (Kryptorchismus ): Die Hoden sind präskrotal oder im Leistenkanal nicht tastbar. Eine Diagnose kann durch Laparoskopie oder Kernspintomographie vorgenommen werden. (hsr)


Therapie erfolgt häufig zu spät

Bei Hodenhochstand werden bereits nach dem ersten Lebensjahr Parenchymschäden mit Folgen für Spermatogenese und spätere Fertilität nachgewiesen. Grund ist die enge Lage und überhöhte Temperatur. Das Risiko, daß die Hoden maligne entarten, ist um das 32fache erhöht, so Professor Gerhard Zöller. Deshalb müsse die Therapie bis Ende des zweiten Lebensjahres beendet sein. Doch das geschehe nur bei etwa jedem zehnten dieser Jungen, so der Urologe vom Universitätsklinikum Göttingen (Dt Ärztebl 102, 2005, A1750). Zöller hat die Krankengeschichten von 141 bis zu zwölf Jahre alten Kindern mit Maldescensus testis aus den Jahren 2000 bis 2004 analysiert. Der Vergleich mit zwei Erhebungen aus den 90er Jahren ergab: Bis 2004 wurden nur 13 Prozent der Jungen zeitgerecht vor Ende des zweiten Lebensjahres operiert, 46 Prozent im Alter von zwei bis vier Jahren und 40 Prozent nach dem fünften Geburtstag. In den 90er Jahren wurden noch 17 und 20 Prozent der unter Zweijährigen rechtzeitig operiert. (hsr)

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