COVID-19

Plasma-Spende als Therapie: Studien laufen

Mit dem Auftauchen neuer Viren wird das alte Therapieprinzip der Transfusion von Rekonvaleszentenplasma wieder diskutiert. Erste klinische Studien laufen.

Von Thomas Meißner Veröffentlicht:
Plasmabehandlung bei COVID-19-Patienten als Therapieoption?

Plasmabehandlung bei COVID-19-Patienten als Therapieoption?

© Holger Hollemann / dpa

Neu-Isenburg. Eine Therapieoption für schwer kranke COVID-19-Patienten könnte die Transfusion des Plasmas von COVID-19-Rekonvaleszenten sein. Dies unter der Vorstellung, dass der Rekonvaleszent neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet hat, die den Heilungsprozess bei einem Infizierten unterstützen könnten. Es handelt sich um ein Behandlungsprinzip aus der Vor-Antibiotika-Ära und war vor mehr als 100 Jahren mit Erfolg bei Diphtherie angewandt worden.

Heute wird die Therapie mit Rekonvaleszentenplasma (RKP) verstärkt, aber kontrovers diskutiert, vor allem vor dem Hintergrund schwer verlaufender Infektionen mit neuen Viren. Bereits vor fünf Jahren hat der Arbeitskreis Blut des Bundesgesundheitsministeriums Empfehlungen für die praktische Umsetzung gegeben (Bundesgesundheitsbl 2015; 58:1371-1377).

Einsatz ohne Zulassung?

Demnach ist RKP als Fertigarzneimittel anzusehen, das im Falle einer gerichteten Anwendung für eine bestimmte Person keiner Zulassung bedarf und laut Zivilschutzausnahmeverordnung des Arzneimittelgesetzes ohne Zulassung in Verkehr gebracht werden darf. Gleichwohl hatte sich der Arbeitskreis in seinem Papier für eine exemplarische klinische Prüfung einer RKP-Therapie ausgesprochen, etwa während einer Grippesaison. Dies war bislang nicht erfolgt.

Und so fehlt es an belastbarer Evidenz. Zwar gab es während der Influenza-Pandemie 1918-1920 Studien mit insgesamt 1700 Patienten, diese genügen aber heutigen methodischen Ansprüchen nicht mehr. Im Jahre 2009 war im Zusammenhang mit der H1N1-Pandemie in Hongkong bei 20 intensivmedizinisch versorgten Patienten RKP eingesetzt worden, wodurch eine signifikant reduzierte Mortalität erzielt worden war.

In Houston, Texas, hat kürzlich eine Arbeitsgruppe 25 schwer an COVID-19 erkrankte Patienten mit RKP von neun genesenen Covid-19-Patienten behandelt. Primäres Studienziel war in erster Linie die Sicherheit der Therapie. Transfusionszwischenfälle gab es nach Angaben von Dr. Eric Salazar vom Houston Methodist Hospital und seinen Kollegen nicht. 19 der mit RKP behandelten Patienten verbesserten sich, zwei Wochen nach der Infusion waren bereits elf Patienten aus der Klinik entlassen worden. Allerdings lässt sich daraus keine Nutzenbewertung ableiten, zumal es keine Kontrollgruppe gab (Am J Pathol 2020; online, https://ajp.amjpathol.org/article/ S0002-9440(20)30257-1/pdf).

PEI: Anwendung nur im Rahmen von Studien

In Deutschland hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) „dringend“ empfohlen, die Behandlung von COVID-19-Patienten mit RKP nur im Rahmen von kontrollieren klinischen Prüfungen vorzunehmen. Für die Anwendung außerhalb von Studien müssten grundsätzlich alle Vorgaben für Plasmapheresespender in der Hämotherapie-Richtlinie berücksichtigt werden. Demnach sind Spenden frühestens vier Wochen nach vollständiger Genesung von COVID-19 oder zwei Wochen nach der letzten negativen PCR-Diagnostik aus einem Abstrich erlaubt, die spendenwillige Person muss Antikörper gegen Sars-CoV-2 aufweisen.

Nach Angaben des PEI gibt es „erste ermutigende Hinweise“ auf einen Nutzen der Anwendung von RKP bei schwer kranken COVID-19-Patienten. Im April war bereits eine klinische Studie genehmigt worden. Anfang Juni folgte die Genehmigung für eine weitere Phase-II-Studie (RECOVER) zur Sicherheit und Wirksamkeit SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper aus dem Blut Genesener. Empfänger sollen vor allem Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf sein, dazu zählen unter anderem Krebspatienten, medikamentös Immunsupprimierte und Patienten im Alter von über 75 Jahren. Verglichen wird die Behandlung in insgesamt neun Prüfzentren mit der antiviralen und unterstützenden Behandlung.

Zentrales Portal wünschenswert

Der Arbeitskreis Blut begrüße ausdrücklich diese Studien, erklärte die Vorsitzende Dr. Ruth Offergeld gegenüber der „Ärzte Zeitung“. Im Falle des Erfolges sei ein RKP-Programm empfehlenswert, so der Arbeitskreis und schlägt hierfür die Einrichtung einer zentralen Steuerungsgruppe mit Experten für Transfusionsmedizin, Infektiologen, Vertretern der Behörden und der Bundesärztekammer vor. Für eine Verteilung der in infektiologischen Krisen vermutlich knappen RKP-Ressourcen sei ein zentrales Portal wünschenswert.

Lesen Sie auch
Lesen sie auch
Lesen sie auch
Jetzt abonnieren
Mehr zum Thema

Sie fragen – Experten antworten

FSME-Impfung: Auch außerhalb der Risikogebiete auf Kasse?

Vergleich von Efbemalenograstim alfa und Pegfilgrastim

Studie: Fusionsprotein verhindert Neutropenien auch bei Brustkrebs

Sie fragen – Experten antworten

Nebenwirkungen: Lässt sich Fieber nach der FSME-Impfung vermeiden?

Das könnte Sie auch interessieren
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

© Spinger Medizin Verlag

Vitamin C als hochdosierte Infusionstherapie

Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion von Gilead Sciences beim DÖAK 2025 von links: Dr. Nazifa Qurishi, Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie, Gemeinschaftspraxis Gotenring Köln; Kelly Cavalcanti, HIV-Aktivistin und Referentin für Gesundheit und Empowerment, Köln, und Martin Flörkemeier, Senior Director Public Affairs, Gilead Sciences, München

© Gilead

Unternehmen im Fokus

HIV-Versorgung: Vertrauen in unruhigen Zeiten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried

Multiresistente gramnegative Erreger

Die Resistenzlage bei Antibiotika ist kritisch

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Shionogi GmbH, Berlin
In Deutschland leben derzeit etwa 96.700 Menschen mit einer HIV-Infektion.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Unternehmen im Fokus

Wie können wir die HIV-Epidemie beenden?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried b. München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tierverletzungen

Bis(s) zur Infektion: Das richtige Vorgehen bei Bisswunden

Grenzwerte zum 1. Juli heruntergesetzt

Wer diese Ausnahmeziffern kennt, rettet seinen Laborbonus

Lesetipps
Die unerwartete Gesprächssituation ist da, man würde gern reagieren – der Kopf scheint leer. Wie reagieren? Mit Schlagfertigkeit!

© DDRockstar / stock.adobe.com

Drei alltagstaugliche Techniken

Schlagfertiger werden: Tipps für das Praxisteam

Perianale Herpesinfektion: Bietet sich da eine Impfung an?

© Porträt: BVKJ | Spritze: Fiede

Sie fragen – Experten antworten

Perianale Herpesinfektion: Bietet sich da eine Impfung an?