Positive Effekte körperlichen Trainings bei MS sind belegt

Nicht nur wer gesund ist, bleibt durch Sport länger fit. Auch bei Krankheit ist Bewegung oft ein wesentlicher Therapiebaustein. So auch bei Multipler Sklerose (MS).

Veröffentlicht:
Laufband-Training erhöht bei MS-Patienten die Ganggeschwindigkeit und mindert die Fatigue.

Laufband-Training erhöht bei MS-Patienten die Ganggeschwindigkeit und mindert die Fatigue.

© Foto: BVDCfotolia.de

 Von Sabine Stürmer

Wichtiges Behandlungsziel bei MS ist, die Gehfähigkeit und damit die Selbstständigkeit der Patienten so lange wie möglich zu erhalten und zwar durch Medikamente ebenso wie durch gezielte Physiotherapie. Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2005 etwa belegt, dass körperliches Training bei MS die Mobilität fördert und sogar die Fatigue reduzieren kann.

Gerade Gangstörungen schränken MS-Patienten stark ein. Die Betroffenen gehen langsamer, machen kürzere Schritte und haben eine längere Doppelbelastungsphase. Für sie ist es dadurch etwa schwierig, eine Fußgänger-Ampel in der meist kurzen Grünphase zu überqueren. Da zudem die Gehstrecke limitiert ist, ist der Aktionsradius stark eingeschränkt. Außerdem besteht die große Gefahr zu stürzen. Aufgrund des häufig progredienten Verlaufs benötigt jeder zweite MS-Patient nach im Schnitt 15 Jahren Erkrankungsdauer eine Gehhilfe.

Gerade in den vergangenen Jahren wurde nun verstärkt untersucht, wie sich die motorischen Defizite mittels Physiotherapie verbessern lassen, wie Ziegler vom Neurologischen Krankenhaus München berichtet (Nervenheilkunde, 26, 2007, 1088). Der Erfolg der Maßnahmen wurde dabei mit standardisierten Testverfahren ermittelt. Die Ganggeschwindigkeit wurde etwa mithilfe des MS Functional Composite (MSFC) erhoben, bei dem die benötigte Zeit für eine 7,62 m lange Gehstrecke gestoppt wird. Zur Messung von Kraft, Spastik und Gleichgewicht gibt es den "Six-Spot-Stepp-Test". Dabei werden fünf Holzzylinder in definiertem Abstand möglichst schnell mit dem Fuß umgestoßen.

In einer Studie wurde so nachgewiesen, dass sich bei MS-Patienten, die dreimal wöchentlich jeweils maximal 30 Minuten auf dem Laufband trainierten, nach einem Monat Ganggeschwindigkeit und -ausdauer verbessert hatten. Bewiesen wurde auch, dass mittels Ausdauer-Krafttraining bei MS-Patienten Muskelmasse aufgebaut und damit der Gang stabilisiert werden kann. Dazu hatten Patienten über einen Zeitraum von 15 Wochen kombinierte Arm- und Beinübungen gemacht. Die Teilnehmer übten dreimal wöchentlich 40 Minuten lang.

In der Übungsgruppe verbesserten sich signifikant die isometrische Kraft der Knieextensoren, die Gehfähigkeit, Mobilität und die Fähigkeit zur Körperpflege. In zwei weiteren Studien wurde der Effekt eines 7- und eines 14-wöchigen klassischen Krafttrainings an Geräten für die Bein- und Rumpfmuskulatur geprüft. In beiden Studien verbesserten sich Kraft, Ganggeschwindigkeit und -ausdauer. Die Fatigue nahm sogar ab. Aber auch ohne Geräte lässt sich ein wirkungsvolles Krafttraining machen, wie eine andere Studie ergeben hat: Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen, Aufstehen vom Stuhl, Zehenspitzen- und Fersenstand wurden dabei in einem systematischen Übungsprogramm trainiert.

Ziegler rät aufgrund dieser Erkenntnisse, dass MS-Patienten zwei- bis dreimal wöchentlich über einen Zeitraum von jeweils 20 bis 30 Minuten trainieren sollten. Die Hauptmuskelgruppen sollten dabei mit 50-70 Prozent der Maximalkraft angespannt werden.

Der Forscher weist noch auf einen zweiten Effekt durch ein moderates, körperliches Langzeittraining hin, nämlich einen positiven Effekt auf immunologische und endokrine Parameter. Auch gebe es erste Belege für die Ausschüttung von Nervenwachstumsfaktoren durch körperliches Training. In weiteren Studien müsse nun untersucht werden, wie effektiv die verschiedenen Therapien bei unterschiedlichen Krankheitsstadien sind. Bereits bekannte Behandlungsformen könnten so optimiert und neue Physiotherapien entwickelt werden.

Mehr Infos zu MS im Internet bei www.dmsg.de

Tipps bei Spastik, Tremor und Ataxie

Spastik und daraus resultierende Muskelverkürzungen lassen sich mit aktiven und passiven Muskeldehnungen mit oder ohne Gewichtsbelastung therapieren. Bereits ein einmaliges 20-minütiges Fahrradfahren ohne Widerstand senkt die Spastik über das Training hinaus.

Ein Haltetremor lässt sich verbessern, indem zunächst der aktive Arm durch eine Unterlage unterstützt und diese dann schrittweise reduziert wird, sodass die Anforderung an die statische Muskelarbeit steigt. Der Intensionstremor kann durch Kühlung gebessert werden: Der Patient taucht etwa vor einer Unterschrift seinen Unterarm eine Minute lang in Eiswasser oder trägt 15 Minuten lang eine Kühlmanschette.

Bei Stand- und Gangataxie können spezielle Übungen wie Einbeinstand, Liniengang oder Stehen und Gehen auf unebenem Untergrund den Körperschwerpunkt zu stabilisieren helfen. Aufwendiger ist das Training mittels Posturografieplatte. Dabei erhält der Patient visuelles oder akustisches Feedback über seine Schwankungen und kann sich so selbst korrigieren. (stü)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Das könnte Sie auch interessieren
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

© brizmaker | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Depressionsscreening

Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Eine Ärztin hält einen Reagenzstreifen zur Analyse einer Urinprobe in der Hand.

© H_Ko / stock.adobe.com

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant