Notfallmedizin

Praktische Tipps gegen Hängetrauma

Hängetraumata, etwa bei Fensterputzern, sind einem neurokardiogenem Mechanismus geschuldet. Italienische Forscher geben Tipps zur Prävention.

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Ein Studienteilnehmer hängt an einem Klettergurt frei im Seil. Forscher haben die Folgen eines solchen Unfalls untersucht.

Ein Studienteilnehmer hängt an einem Klettergurt frei im Seil. Forscher haben die Folgen eines solchen Unfalls untersucht.

© Eurac Research/Simon Rauch

Bozen. Der Klettergurt rettet Bergsteigern, Fensterputzern oder Hangarbeitern oft das Leben. Doch wer nach einem Sturz länger im Seil hängt, kann ein sogenanntes Hängetrauma erleiden. Die Betroffenen werden bewusstlos, in schweren Fällen können sie sogar sterben.

Um das Syndrom besser zu verstehen, haben Experten für alpine Notfallmedizin des Forschungszentrums Eurac Research in Bozen, Italien, ein Experiment mit 20 Kletterern durchgeführt, teilt Eurac Research mit.

Dabei wurden die Studienteilnehmer nach dem Klettern beziehungsweise nach einer Ruhephase bis zu 60 Minuten lang an einem Klettergurt frei ins Seil gehängt (European Journal of Applied Physiology 2019; 119(6): 1353–1365).

Die Tests wurden gemeinsam mit dem Bergrettungsdienst im Alpenverein Südtirol und der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführt.

Neurokardiogener Reflex als Ursache

In 30 Prozent der Fälle kam es während des Hängens zu einer Beinahe-Bewusstlosigkeit. „Wir haben festgestellt, dass sich die Venen in den Beinen ausweiten und sich dort schwerkraftbedingt vermehrt Blut ansammelt“, wird Studienleiter Simon Rauch in der Mitteilung zitiert.

„Anders als bisher angenommen, führt dieser Umstand jedoch nicht zu einem Volumenmangelschock, bei dem zu wenig Blut zum Herzen gelangt und lebenswichtige Organe nicht mehr ausreichend durchblutet werden können. Wir konnten hingegen feststellen, dass das Herz in dieser Situation weiterhin ausreichend mit Blut versorgt wird und sind zum Schluss gekommen, dass der Kreislaufzusammenbruch auf einen sogenannten neurokardiogenen Reflex zurückzuführen ist. Dabei kommt es aufgrund einer Fehlregulation des autonomen Nervensystems plötzlich zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz und einer Weitstellung der Blutgefäße, was zu einem Abfall des Blutdrucks führt“.

Rascher Kreislaufstillstand

„Der Kreislaufzusammenbruch erfolgt völlig unerwartet und ohne besondere Warnzeichen“, meint Rauch. Die Experten empfehlen deshalb nach einem Sturz in das Seil, die betroffene Person unverzüglich davon zu lösen und in die horizontale Lage zu bringen.

Rettungskräfte, die zu frei hängenden Kletterern oder Arbeitern gerufen werden, sollten keine Zeit für die Bergung verlieren, auch wenn die Person voll bei Bewusstsein ist.

Nach dem Bewusstseinsverlust kann nämlich sehr rasch der Kreislaufstillstand eintreten. Sollte das Abhängen nicht umgehend möglich sein, ist es ratsam, die Beine so weit als möglich zu bewegen und den Betroffenen in eine möglichst horizontale Lage zu bringen.

„Der genaue Mechanismus, der den plötzlichen Kreislaufzusammenbruch auslöst, ist uns derzeit nicht bekannt. Indem man aber versucht die Blutansammlung in den herabhängenden Körperteilen zu verringern, kann der Kreislaufzusammenbruch wahrscheinlich hinausgezögert bzw. sogar vermieden werden“, so Rauch. (eb)

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