Studie mit Kindern zeigt

Probiotika könnten Typ-1-Diabetes vorbeugen

Eine gesunde Darmflora kann womöglich vor Autoimmunerkrankungen schützen. Eine Studie zeigt jetzt: Bekommen Kinder mit einem hohen Risiko für Typ-1-Diabetes früh Probiotika, werden sie seltener zuckerkrank.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Joghurts können Probiotika enthalten.

Joghurts können Probiotika enthalten.

© George Doyle / Stockbyte / Thinkstock

TAMPA. Eine gesunde Darmflora hat wichtige immunologische Funktionen: Sie reguliert die Barrierefunktion der Darmmukosa, trägt zur Reifung des Immunsystems bei und drängt Pathogene zurück.

Dadurch schützt sie möglicherweise auch vor Autoimmunkrankheiten wie Typ-1-Diabetes. Umgekehrt lassen sich bei Typ-1-Diabetikern Verschiebungen und eine reduzierte Vielfalt des intestinalen Mikrobioms feststellen.

Ein internationales Forscherteam mit deutscher Beteiligung hat daher untersucht, ob zwischen einer Probiotikagabe im ersten Lebensjahr und dem Entstehen einer Inselautoimmunität ein Zusammenhang besteht. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die einer gesunde Darmflora unterstützen sollen.

Nach ersten Ergebnissen der prospektiven TEDDY-Studie (das Akronym steht für: The Environmenal Determinants of Diabetes in the Young) könnten sie zumindest bei Hochrisikokindern und Anwendung schon im ersten Lebensmonat einen protektiven Effekt haben (JAMA Pediatr 2015, online 9. November).

Studie mit 7473 Kindern

An der noch laufenden Studie beteiligen sich sechs Zentren in den USA und Europa, darunter das Institut für Diabetesforschung in München. Kinder nehmen daran teil, bei denen nach der Geburt aufgrund ihres HLA-Genotyps ein hohes Typ-1-Diabetes-Risiko festgestellt wurde.

Sie werden bis zum vierten Lebensjahr alle drei, danach alle sechs Monate auf Insel-Autoantikörper getestet. Zudem müssen die Eltern regelmäßig Fragebögen zu Ernährung und Erkrankungen der Kinder ausfüllen.

Der Einfluss von Probiotika im ersten Lebensjahr konnte an 7473 Kindern bis zum Alter von vier bis zehn Jahren untersucht werden. Deutschland war nach Finnland mit 47 Prozent das Land mit der zweithöchsten Supplementierungsrate, meistens durch Milchersatzprodukte.

Die erste Exposition erfolgte im Median im Alter von 42 Tagen. Besonders häufig wurden Probiotika unter anderem dann gegeben, wenn auch die Mütter in der Schwangerschaft Probiotika genommen hatten, wenn es sich um die Erstgeborenen handelte oder wenn die Kinder an Diarrhö gelitten oder Antibiotika bekommen hatten.

Wurden all diese Unterschiede sowie Typ-1-Diabetes begünstigende Faktoren berücksichtigt, dann hatten nur diejenigen Kinder, die schon in den ersten 27 Tagen ihres Lebens Probiotika erhalten hatten (n =540), ein signifikant reduziertes Risiko, Insel-Autoantikörper zu entwickeln.

Es lag um 44 Prozent niedriger als bei Kindern, die später oder gar nicht mit Probiotika in Kontakt gekommen waren (Hazard Ratio 0,66).

Am stärksten ausgeprägt war dieser Effekt bei Kindern mit dem HLA-Genotyp DR3/4, der mit dem höchsten Erkrankungsrisiko einhergeht. Bei ihnen war das Risiko einer Inselautoimmunität um 60 Prozent reduziert (HR 0,40).

Antibiotika könnten Typ-1-Diabetes fördern

"Die ersten Lebenswochen öffnen möglicherweise ein Fenster, in dem das Darmmikrobiom positiv moduliert werden kann", schreiben die Studienautoren um Ulla Uusitalo von der Universität in Tampa.

Dies könne erklären, warum eine Probiotikasupplementierung nur bei sehr frühem Beginn günstige Auswirkungen auf die Entstehung einer Inselautoimmunität habe.

Dass später kein Schutzeffekt zu beobachten war, könne aber auch damit zusammenhängen, dass Probiotika oft zur Regeneration der Darmflora nach einer Antibiotikatherapie gegeben würden.

Für Antibiotika gebe es aber Hinweise, dass sie die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes fördern könnten.

Das Forscherteam betont allerdings, dass aus den Daten noch keine praktischen Konsequenzen abzuleiten sind: "Die Ergebnisse müssen erst noch in randomisierten klinischen Studien bestätigt werden, bevor Empfehlungen zum Einsatz von Probiotika gegeben werden können."

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