"Prostatahyperplasie ist eine Volkskrankheit"

In Deutschland hat knapp ein Drittel der rund zwölf Millionen Männer über 50 Jahre behandlungsbedürftige Symptome einer benignen Prostatahyperplasie. Dazu gehören überaktive Blase, Restharn, schwacher Harnstrahl und Nykturie.

Von Angela Speth Veröffentlicht:
Solange bei vergrößerter Prostata keine relevante Obstruktion der Harnröhre vorliegt, ist eine konservative Therapie indiziert.

Solange bei vergrößerter Prostata keine relevante Obstruktion der Harnröhre vorliegt, ist eine konservative Therapie indiziert.

© Foto: www.prostatazentrum-ffm.de

Mit 50 Jahren hat die Hälfte der Männer, mit 90 haben fast alle die histologischen Zeichen einer benignen Prostatahyperplasie. "Die BPH ist daher eine Volkskrankheit", sagte Professor Klaus Höfner beim Uro Update in Düsseldorf. Der größte Teil der Männer kommt mit Beschwerden des unteren Harntrakts in die Praxis.

Zur Anamnese gehöre auch die Frage nach Medikamenten, so ein Tipp des Urologen aus Oberhausen. Denn Anticholinergika, Psychopharmaka und Antiparkinsonmittel setzen die Kontraktilität des Detrusors herab, Cholinergika steigern sie, Alpha-Blocker, Alpha-Adrenergika oder Antidepressiva mindern den Widerstand der Urethra.

Der am häufigsten verwendete Fragebogen, um Frequenz und Ausmaß der Symptome sowie die Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erfassen, ist der Internationale Prostata-Symptomen-Score IPSS. Weiter gehören zur Diagnostik digito-rektale Untersuchung, Sonografie von Prostata, Blase und Niere auf Nierensteine oder Tumoren, Uroflowmetrie und Tests auf Kreatinin und PSA. Dabei sei zu bedenken, dass bei einem Fünftel der Patienten mit Prostatakarzinom der PSA-Wert nicht erhöht ist, so dass nur die rektale Palpation einen Hinweis geben kann.

Die Einengung der Harnröhre bei vergrößerter Prostata bedingt oft eine Blasenauslassobstruktion. Deren Ausmaß lässt sich durch sonografische Messung der Detrusordicke ermitteln: je ausgeprägter die Schädigung, um so dicker der Blasenmuskel. Ein Wert über 2 mm bei mindestens 250 ml Blaseninhalt deute mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 Prozent auf eine Obstruktion hin, berichtete Höfner. Nach neuen Studien ist die Vorhersage-Genauigkeit dieser Messung deutlich größer als die der Uroflowmetrie oder der Bestimmung von Restharn und Prostatavolumen.

Für die Therapie empfahl Höfner den Algorithmus aus den Leitlinien der Deutschen Urologen. Entscheidende Kriterien sind der Grad der Obstruktion und die Wahrscheinlichkeit einer Progression, die sich anhand von Lebensalter, Serum-PSA, Prostatavolumen, Restharn und Uroflowmetrie abschätzen lässt. Liegen keine klinisch relevante Obstruktion und keine Komplikationen vor, kommt ein konservatives Vorgehen in Frage.

Bei leichten Beschwerden und geringer Einschränkung der Lebensqualität genügen regelmäßige Kontrolluntersuchungen, begleitet von Änderungen des Lebensstils wie Blasentraining oder Maßhalten bei Alkohol und Kaffee. Der vorläufige Verzicht auf eine Therapie beschleunigt den natürlichen Verlauf der Obstruktion nicht.

Bei leichten Beschwerden reichen regelmäßige Kontrollen aus.

Zur Phytotherapie stehen etwa Extrakte aus Sägezahn-Palmen-Früchten, Brennnesselwurzeln, Kürbissamen oder Roggenpollen zur Verfügung. Allerdings verwenden die Hersteller je eigene Extraktionsverfahren, so dass sich die Produkte in ihrer Zusammensetzung unterscheiden. Für einige Präparate gibt es aus kontrollierten Studien Hinweise auf Wirksamkeit, trotzdem erstatten die gesetzlichen Krankenkassen sie nicht.

Bei den Alpha-Blockern sind nach Angaben Höfners in Deutschland vier Wirkstoffe erhältlich: Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin und Terazosin. Nach neuen Studien wirken sie einer Verschlechterung der Symptome entgegen, halten aber das Wachstum der Prostata nicht auf und verhindern deshalb langfristig auch nicht Komplikationen wie akuten Harnverhalt oder die Notwendigkeit einer Operation. Dagegen reduzieren die 5-Alpha-Reduktase-Hemmer Dutasterid und Finasterid BPH-Komplikationen und verkleinern die Prostata um etwa 20 Prozent.

Eine Kombination von Präparaten ist dann sinnvoll, wenn sie wirksamer ist als die Einzelpräparate oder Patienten nicht auf die Monotherapie ansprechen. Schon länger ist belegt, dass Doxazosin plus Finasterid Symptomverschlechterung, Risiko von Harnverhalt und Operation stärker hemmen als jede Substanz allein. Die Interimsanalyse einer Studie (COMBAT) nach zwei Jahren belegt einen additiven Effekt auch für Tamsulosin plus Dutasterid. Die BPH-Symptome besserten sich rascher und stärker als mit den Einzelsubstanzen, die maximale Harnflussrate nahm stärker zu.

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