Langzeit-Beobachtungsstudie

Risiken für Demenz und Psychosen nach COVID-19 noch lange erhöht

Bis zu zwei Jahre sind die Risiken für einige neurologische oder psychiatrische Krankheiten nach durchgemachter COVID-19 erhöht. Die Erkrankungsgefahr für andere psychiatrische Leiden normalisiert sich schon nach zwei Monaten. Das ergab eine Langzeitstudie mit über 1,2 Millionen SARS-CoV-2-Infizierten.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Altenpflegerin und Demenzpatientin: Noch lange nach COVID-19 ist das Risiko für kognitive Störungen erhöht.

Altenpflegerin und Demenzpatientin: Noch lange nach COVID-19 ist das Risiko für kognitive Störungen erhöht.

© Alexander Raths / stock.adobe.com

Oxford. Seit Beginn der Pandemie mehren sich die Hinweise, dass nach durchgemachter COVID-19 die Risiken für neurologische und psychiatrische Krankheiten erhöht sind. Ein Team um Professor Paul Harrison von der Universität Oxford hat nun in einer großen Beobachtungsstudie gezeigt, dass die dabei gesteigerte Risiken etwa für Demenz, Psychosen oder Krampferkrankungen bis zu zwei Jahre nach durchgemachter COVID-19 bestehen können. Das Risiko für Angststörungen und Depressionen sinkt hingegen nur zwei Monate nach COVID-19 wieder auf Normalniveau (Lancet Psychiatry 2022; online 17. August).

Die Forscherinnen und Forscher haben für die Studie Daten von 1,3 Millionen Patienten mit laborbestätigter SARS-CoV-2-Infektion aus dem „TriNetX electronic health records network“ in den USA analysiert. Darunter waren über 185.000 Kinder, 856.00 Erwachsene (bis 64 Jahre) und 242.000 Senioren im Alter ab 65. Jedem der Individuen wurde dabei eine gematchte Kontrollperson ohne COVID-19, aber mit anderen respiratorischen Erkrankungen in der Vorgeschichte, gegenübergestellt.

Risiko stieg während der Delta-Welle

Die Ergebnisse:

Das Risiko für Depressionen war nur 43 Tage nach COVID-19 erhöht und ging dann auf das Niveau in der Kontrollgruppe zurück, das erhöhte Risiko für Angststörungen normalisierte sich nach 58 Tagen.

18- bis 64-Jährige hatten ein bis zu zwei Jahre erhöhtes Risiko für kognitive Störungen und Bewusstseinstrübung („brain fog“). Registriert wurden im Vergleich zur Kontrollgruppe 640 vs. 550 Fälle pro 10.000 Teilnehmer. Bei neuromuskulären Erkrankungen waren es 44 vs. 32 Fälle pro 10.000.

Bei den Senioren ab 65 wurden im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich mehr Störungen registriert: Bewußtseinseinstrübung (1540 vs. 1230 pro 10.000), Demenz (450 vs. 330 pro 10.000) und Psychosen (85 vs. 60 pro 10.000).

Auffällig bei Kindern: Bis zu zwei Jahre nach COVID-19 häuften sich, verglichen mit der Kontrollgruppe, Krampferkrankungen (260 vs. 130 Fälle pro 10.000) und Psychosen (18 vs. 6 pro 10.000).

Mit dem Auftreten der Deltavariante stiegen die Risiken für Angststörungen (+10 Prozent), Insomnie (+19 Prozent), kognitive Defizite (+38 Prozent), Epilepsie und Krampfanfälle (+26 Prozent) und ischämischen Schlaganfällen (+27 Prozent). Das Risiko für Demenz nahm hingegen ab (–40 Prozent). Die Risiken für neurologische Erkrankungen während der Omikronwelle waren ähnlich wie bei der Deltawelle.

Da Risiken für einige neurologische Störungen bis zu zwei Jahre nach COVID-19 erhöht sein können, sollten Ärzte langfristig aufmerksam bleiben, betonen die Studienautoren. Und: Nachdem die Akutphase der Pandemie langsam abklingt, müssen nun ausreichend Ressourcen für die Diagnostik und Behandlung von Folgekrankheiten bereitgestellt werden.

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