Alkoholprävention

Schlechte Noten für Deutschland

Europa hat laut WHO den höchsten Alkoholkonsum. Die Länder haben sich daher auf zehn konkrete Gegenmaßnahmen verständigt. Nun zeigt eine erste Auswertung: Gerade in Deutschland hat sich noch nicht viel getan.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Ist Alkohol zu einfach erhältlich? Bei Verkaufseinschränkungen attestiert die WHO Aufholbedarf.

Ist Alkohol zu einfach erhältlich? Bei Verkaufseinschränkungen attestiert die WHO Aufholbedarf.

© patrickjohn71/stock.adobe.com

BERLIN. In Sachen Alkoholprävention herrscht in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten deutlicher Aufholbedarf: So liegt die Bundesrepublik im Bereich der Aufklärung zu dem Thema auf Platz 23 von 29 untersuchten Staaten, bei der Prävention am Arbeitsplatz und in der Kommune zusammen mit Österreich, Malta und der Schweiz gar auf dem vorletzten Rang. Was die Einschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol angeht, bildet Deutschland unter 30 untersuchten europäischen Ländern sogar das Schlusslicht. Dieses drastische Bild zeichnet ein jüngst veröffentlichter Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Basis für die Analyse der Anstrengungen der europäischen Staaten zur Reduzierung des Alkoholkonsums ist der 2011 verabschiedete "European action plan to reduce the harmful use of alcohol 2012-2020" (EAPA). Auf den Aktionsplan einigten sich alle 53 Mitgliedsstaaten der europäischen WHO-Region. Ihr gemeinsames Ziel: mithilfe verschiedener Maßnahmen wie Preispolitik, Promillegrenzen für Autofahrer, Altersbeschränkungen bei der Abgabe oder Einschränkungen von Marketing alkohol-assoziierte Probleme zu reduzieren. Jetzt hat die WHO mit einem Punktesystem für die insgesamt zehn Maßnahmen überprüft, inwiefern die Staaten die empfohlenen Schritte umgesetzt haben.

Deutschland schneidet dabei in vielen Bereichen nur mittelmäßig, häufig sogar unter den letzten Plätzen ab. Kommt es etwa zu Maßnahmen gegen Alkohol am Steuer, so erreicht Deutschland 68 der 100 zu erreichenden Punkte (Platz 26 von 30). Im Kampf gegen illegal produzierten Alkohol vergibt die WHO 20 der 100 Punkte (Platz 52 von 53).

"Der Bericht macht deutlich, dass die deutsche Politik dringend Maßnahmen gegen den hohen Alkoholkonsum ergreifen muss", erklärte Dr. Dietrich Garlichs, Sprecher der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), am Freitag. Dr. Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum, forderte konkrete Schritte, etwa eine Erhöhung der Alkoholsteuern sowie eine einheitliche Altersgrenze von 18 Jahren für die Abgabe und den Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit.

Lediglich bei Marketingbeschränkungen (Platz 12 von 30) und bei der Verringerung der negativen Auswirkungen des Alkoholkonsums (Platz 15 von 31) belegt Deutschland mittlere Ränge. Regelmäßig unter den Spitzenplätzen anzutreffen sind Estland sowie skandinavische Länder, aber auch Portugal – etwa im Bereich der Prävention am Arbeitsplatz und in der Kommune (Platz 1 von 29; 100 von 100 Punkten) oder Einschränkungen der Verfügbarkeit (Platz 2 von 30; 89 von 100 Punkten). Bei den Marketingbeschränkungen belegt Polen den ersten Platz.

Die WHO kündigt in ihrem Bericht an, aus der Analyse unter anderem einen Werkzeugkasten zu entwickeln, der Staaten in der Alkoholprävention helfen soll. Außerdem soll das Thema auch während der Suchtkonferenz in Lissabon im Oktober 2017 behandelt werden, heißt es. Europa hat laut WHO den höchsten Alkoholkonsum und die höchste damit zusammenhängende Krankheitslast in der Welt.

Unterdessen soll die Nachsorge bei einer Alkoholsucht in Deutschland künftig nahtlos ablaufen: Betroffene sollen nach einem Entzug im Krankenhaus direkt in eine Einrichtung der ambulanten oder stationären Suchtrehabilitation verlegt werden, wenn dies medizinisch notwendig ist. Entsprechende Handlungsempfehlungen haben am Freitag unter anderem die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Deutsche Rentenversicherung Bund und verschiedene Kassen veröffentlicht. Ziel ist die Verringerung des Rückfallrisikos.

Die konkrete Umsetzung soll nun auf Landesebene durch die Vertragspartner (Krankenkassen, Rentenversicherungsträger, Krankenhäuser) beschlossen werden.

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