Hintergrund

Sind Hüftimplantate aus Metall sicher?

Auf Metall-Prothesen in der Hüfte sollte künftig verzichtet werden, weil die Versagerquote zu hoch ist, fordern britische Forscher im Fachblatt "Lancet". Deutsche Orthopäden halten dagegen: Die Mehrzahl solcher Implantate werde seit langem erfolgreich eingesetzt.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Totale Endoprothese (TEP) des Hüftgelenks im Röntgenbild.

Totale Endoprothese (TEP) des Hüftgelenks im Röntgenbild.

© Larento / fotolia.com

Bei Metall-auf-Metall-Hüftimplantaten haben Forscher ein deutlich erhöhtes Versagensrisiko gefunden, das mit der Größe des künstlichen Hüftkopfes korreliert.

Alison Smith und ihr Team von der Universität Bristol haben dabei Daten von etwa 400.0000 Hüftimplantatträgern aus England und Wales analysiert (Lancet 2012, Online 13. März).

Von diesen hatten 30.000 Patienten zwischen 2003 und 2011 Schaftprothesen erhalten, bei denen beide Gelenkflächen aus Metall-Legierungen bestehen.

Die Revisionsrate bei solchen Metall-auf-Metall-Implantaten lag bei 6,2 Prozent über fünf Jahre.

Im Vergleich dazu mussten andere Implantattypen, zum Beispiel aus Metall-Polyethylen oder Keramik, im selben Zeitraum nur in etwa 2 Prozent ausgetauscht werden.

Bei Frauen war die Versagerquote der reinen Metall-Implantate teilweise sogar um das Vierfache erhöht. Häufigste Gründe für den Austausch waren Lockerung des Implantats und Schmerzen.

Metall-Implantate versagten öfter, je größer die Hüftköpfe waren

Ein überraschendes Ergebnis der Studie: Die Metall-Implantate - und nur diese - versagten umso öfter, je größer die künstlichen Hüftköpfe waren.

Dieses Risiko nahm für jeden Millimeter um zwei Prozent zu. Bei Keramik-Paarungen verhielt es sich dagegen umgekehrt, hier waren größere Implantate wie erwartet auch sicherer. Metall-Metall-Implantate mit Kopfdurchmessern von über 36 mm (Großkopf-Prothesen), werden vor allem bei jüngeren Patienten propagiert, da sie sich angeblich weniger abnutzen und seltener dislozieren.

Die Daten dazu stammen aus Simulatortests. Auf solchen Prüfverfahren beruht das gegenwärtige Zulassungsprozedere für Endoprothesen.

Aufgrund von Materialmängeln musste der Implantathersteller DePuy, ein Tochterunternehmen von Johnson & Johnson, bereits vor zwei Jahren seinen Hüftersatz ASR zurückziehen. 5.500 dieser Implantate, die beiderseits aus Metall bestehen, wurden allein in Deutschland eingesetzt.

Gefahren ergeben sich durch Lockerung der Prothese

Bisher war man davon ausgegangen, dass das häufige Versagen einen implantatspezifischen Effekt darstellte; dies wird durch die Lancet-Studie, die ASR-Modelle ausgeschlossen hatte, nun widerlegt: "Es handelt sich um einen Klasseneffekt der Metall-auf-Metall-Implantate", kommentiert Dr. Art Sedrakyan vom Weill Cornell Medical College in New York (Lancet 2012, online 13. März).

In Deutschland führt derzeit das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Risikobewertung durch.

Das Ziel sei, so die Behörde, "mögliche gesundheitliche Risiken für Patienten verlässlich eingrenzen zu können".

Potenzielle Gefahren ergeben sich nicht nur durch die Lockerung der Prothese. Der toxische Metallabrieb kann sowohl zu lokalen Reizungen und Nekrosen im umliegenden Muskel- und Knochengewebe führen als auch über die Blutbahn in Endorgane wie Nieren, Lunge oder Hirn gelangen und dort ebenfalls Schäden anrichten. Auch eine karzinogene Wirkung der Metallionen wird vermutet.

Metall-auf-Metall-Oberflächen nicht in schafttragenden Prothesen

Die Studienautoren plädieren dafür, dass "Metall-auf-Metall-Oberflächen in der Hüft-Endoprothetik mit schafttragenden Prothesen keine Verwendung finden". Alle Patienten mit Metall-auf-Metall-Hüft-TEP sollten sich wenigstens einmal jährlich klinischen und radiologisch untersuchen lassen.

Dies sei besonders wichtig für jüngere Frauen sowie für alle Patienten, denen Hüftköpfe mit großen Durchmessern implantiert wurden. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) hat sich mittlerweile gegen eine grundsätzliche Verurteilung von Metall-Prothesen ausgesprochen (www.dgooc.de).

Die Fachärzte warnen davor, Patienten unnötig zu verunsichern. Viele Hüftendoprothesenträger "kennen weder ihren Endoprothesentyp noch können sie die zu dieser Problematik vorliegenden Erkenntnisse interpretieren", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme.

Man müsse berücksichtigen, dass Metall-auf-Metall-Paarungen "seit Jahrzehnten und meist erfolgreich" in der Hüftendoprothetik eingesetzt würden. Auch die britische MHRA, das Pendant zur deutschen BfArM, relativierte das Risiko und schrieb, hinsichtlich "sich entwickelnder Probleme" bestehe "wohl nur ein geringes Risiko".

Die DGOOC weist auch auf ihr geplantes Endoprothesenregister (EPDRD) hin, das Mitte 2012 eingeführt werden soll (www.eprd.de). Damit sollen künftig Komplikationen im Interesse der Patientensicherheit früh erfasst werden.

Quelle: www.springermedizin.de

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Kommentare
Dr. Walther J. Kirschner 22.03.201209:02 Uhr

Hüftendoprothetik - Komplikationen ''Metall''-Prothesen

Die Problematik von Metall-auf-Metall-Prothesen - u.a. Lockerung, Metallabrieb mit konsekutiven Entzündungen, weiteren Gewebsschäden etc. - ist seit langem bekannt. Daten ebenso.

Will man das Verfahren weiter anwenden, so muß objektiv darstellbar sein, daß andere Verfahren (z.B. Metall-Polyethylen, Keramik)ungünstiger (mehr Komplikatuionen, weitere Nachteile)sind. Anderenfalls ist das Verfahren nicht rational begründet.

Daher sind statistische Daten unverzichtbar (vorausgestzt: valide Daten, valide Studien). Insofern ist das jetzt auch in Deutschland geplante Endoprothesenregister (vorgesehener Start Mitte 2012)sehr zu begrüßen. Mit ausreichend gesicherter Datenlage können schließlich definitive Beurteilungen von Endoprothesen erfolgen.

Angesichts mehrerer Hundert Implantattypen sollten dann aber auch Konsequenzen gezogen werden - d.h. alles, was sich nicht bewährt, darf dann auch nicht trotzdem weiter Anwendung finden.

Dr. W. Kirschner
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