HINTERGRUND

Täglich viel Kakao hält Herz und Gefäße gesund - was man von den Kuna-Indianern lernen kann

Veröffentlicht:

Von Thomas Müller

Kakao ist offenbar gut für Herz und Gefäße: Kakaotrinker haben einen niedrigeren Blutdruck als andere Menschen, und sie leben auch länger - zumindest deuten epidemiologische Studien darauf hin. Deutsche Forscher haben jetzt herausgefunden, woran das liegen könnte. Mit einer bestimmten Substanz aus Kakao stellten sie in klinischen Versuchen gefäßschützende Wirkungen fest.

Ein Kuna-Indianer kennt keinen Bluthochdruck

Bluthochdruck und Herzkrankheiten sind bei den Kuna-Indianern auf einer kleinen Insel bei Panama weitgehend unbekannt. Ziehen Mitglieder der Kuna jedoch nach Panama-City, haben sie bald auch ähnliche kardiale Probleme wie die übrigen Stadtbewohner. Der US-Forscher Dr. Norman Hollenberg hatte vor einigen Jahren nach den Gründen dafür gesucht. Offenbar ist es nicht nur der Großstadt-Streß, der den zugezogenen Ureinwohnern zu schaffen macht, sondern es liegt auch an veränderten Lebensgewohnheiten.

In einer Publikation nannte der Forscher den hohen Kakaogenuß der Insel-Indianer als einen wahrscheinlichen Grund für ihre gesunden Gefäße. Die Kuna trinken täglich drei bis vier Tassen dunklen bitteren Kakao. Sobald sie jedoch in der Großstadt wohnen, reduziert sich der Kakaokonsum auf vier Tassen pro Woche - und dafür wird meist Kakao-armes Instantpulver verwendet.

Doch Kakao scheint nicht nur den Blutdruck bei Ureinwohnern in Panama im Lot zu halten, auch Europäer, die viel Kakao konsumieren, haben einen niedrigeren Blutdruck als Kakao-Abstinenzler - und sie leben länger. Darauf deuten Ergebnisse einer niederländischen Studie mit 470 Männer. Sie waren zu Beginn alle über 70 Jahre alt und wurden 15 Jahre lang beobachtet.

Bei Männern mit dem höchsten Kakao-Konsum (mehr als 2,3 g Kakao pro Tag) war der systolische Blutdruck im Schnitt um 3,7 mmHg und der diastolische um 2,1 mmHg niedriger als bei Kakao-Verächtern (weniger als 0,4 g Kakao pro Tag). Andere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie LDL-Wert, Rauchen und BMI waren jedoch ähnlich. Nach 15 Jahren lebten noch 43 Prozent der Personen mit hohem Kakao-Konsum, aber nur noch 24 Prozent der Kakao-Abstinenzler (Arch Intern Med 166, 2006, 411).

Daß die Blutdrucksenkung tatsächlich durch Substanzen im Kakao verursacht wird und nicht etwa durch andere Faktoren, die Kakaotrinker vielleicht gemeinsamen haben, darauf deuten Interventionsstudien - und zwar mit Schokolade. In einer griechischen Studie durfte 17 Freiwillige entweder täglich eine 100-Gramm-Tafel süß-bittere Schokolade essen, die 74 Prozent Kakao enthielt, oder einen Kakao-freien Schokoladen-Ersatz. Nur mit der Kakao-haltigen Schokolade sank der Blutdruck: Minus 5,1 mmHg waren es systolisch und minus 1,8 mmHg diastolisch.

.Ähnliche Erfolge konnte eine italienischen Arbeitsgruppe bei 20 Teilnehmern belegen - alles Menschen mit essentieller Hypertonie, die zuvor noch nicht behandelt worden waren. Nach 14 Tagen Diät mit täglich 100 Gramm dunkler Schokolade sank der Blutdruck systolisch sogar um 12 mmHg, diastolisch um 8,5 mmHg. Weiße, Kakao-freie Schokolade hatte dagegen keinen Effekt auf den Blutdruck. Übrigens: Um Fettpolster durch die viele Schokolade zu vermeiden, mußte die übrige Nahrung entsprechend kalorienarm sein.

Einen Schritt weiter sind jetzt Professor Malte Kelm vom Uniklinikum Aachen und US-Kollegen aus Davis in Kalifornien gegangen: Sie suchten gezielt nach gefäßschützenden Substanzen im Kakao (PNAS 103, 2006, 1024). Eine solche Wirkung wird vor allem Flavonoiden zugeschrieben - meist farbigen, antioxidativ wirkenden Pflanzenstoffen.

Kelm und seine Kollegen ließen gesunde Männer entweder eine Tasse Kakao mit viel Flavonoiden (etwa 900 mg) trinken oder eine Tasse Kakao, die nur wenig dieser Substanzen enthielt (37 mg). Zum Vergleich: Ein Insel-bewohnender Kuna nimmt pro Tag etwa 900 mg Kakao-Flavonoide zu sich.

Flavonoid-reicher Kakao verbessert die Endothelfunktion

Mit dem Flavonoid-reichen Kakao stieg die Konzentration von blutdrucksenkenden Stickstoffmonoxid-Donatoren im Plasma innerhalb einer Stunde steil an, mit dem Flavonoid-armen Kakao blieb sie gleich. Ebenso nahm die flußvermittelte Vasodilatation - ein Maß für die Endothelfunktion - nur mit dem Flavonoid-reichen Kakao zu, und zwar auf einen Wert von zehn Prozent innerhalb von zwei bis drei Stunden. Mit dem Flavonoid-armen Kakao blieb der Wert bei vier Prozent.

Die Forscher wiederholten nun den Versuch mit einem der Hauptflavonoide in Kakao, mit D-Epicatechin. Die Teilnehmer nahmen etwa soviel der Substanz zu sich, wie in einer Tasse des Flavonoid-reichen Kakaos enthalten ist. Das Ergebnis: Auch hiermit stieg die flußvermittelte Vasodilatation deutlich an (von sechs auf neun Prozent), mit Placebo blieb sie bei sechs Prozent. Die Forscher schließen daraus, daß Epicatechin einen großen Teil der gefäßschützenden Wirkungen von Kakao vermittelt.



STICHWORT

Flavonoide

Flavonoide sind meist farbige, wasserlösliche Pflanzenstoffe. Sie gehören chemisch zu den Polyphenolen. Insgesamt sind über 6500 unterschiedliche Flavonoide bekannt. In größeren Konzentrationen befinden sich die Substanzen vor allem in Tee, Weintrauben und Kakao.

Einige Flavonoide haben vasodilatierende Eigenschaften, andere wirken entzündungshemmend, antiviral oder krampflösend, wieder andere dieser Substanzen sind Antioxidantien. Diskutiert wird auch eine Krebs-präventive Wirkung einiger Flavonoide.

Mehr zum Thema

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen

Möglicher Langzeiteffekt bei älteren Frauen

Supplementation von Calcium und Vitamin D könnte Krebsmortalität senken

Unabhängig vom BMI

Frauen mit Bauchspeck häufiger infertil

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

NHANES-Analyse

Bei Hörminderung: Hörgeräteträger leben länger

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert