"Toll, der 2. Platz!" - ein Fest, bei dem es nur Sieger gibt
Nein, sie sind nicht "down", diese Kinder mit Down-Syndrom. Sie freuen sich lautstark, sind mit Herz und Seele und Lebensfreude dabei, eine Medaille zu gewinnen. Schäumendem Brausepulver gleich quirlen und toben sie unter einem hallenhohen Triumphbogen aus tausenden von regenbogenfarbenen Luftballonen.
Zum 4. Deutschen Down-Sportlerfestival in Frankfurt-Kalbach sind in diesem Jahr 400 Kinder mit 1800 Eltern und Gästen gekommen, das sind insgesamt sechsmal so viele wie beim ersten Fest. "Ein wunderbarer Erfolg", meint Anne Schardey von der Hexal Foundation, die das Festival vor vier Jahren ins Leben gerufen hat. Sie freut sich, daß die Idee internationales Interesse findet. 2007 soll das Sportfest auch in Österreich und in der Schweiz stattfinden.
Bobby Brederlow und "Vater Beimer" eröffnen die Spiele
In der Halle steigt die Spannung. Bobby Brederlow, Schauspieler mit Down-Syndrom und seit dem ersten Fest Schirmherr der Spiele, durchschneidet das blaue Band. "Vater Beimer" alias Joachim Hermann Luger ruft: "Die Spiele sind eröffnet!" Der aus der TV-Serie Lindenstraße bekannte Schauspieler moderiert bereits zum dritten Mal das Sportfest.
Die Halle brodelt jetzt schon, es finden 50-Meter-Läufe (für alle bis 7 Jahre) und 100-Läufe (ab 8 Jahren) statt. Der erste Lauf der "Grünen" (Sportler zwischen 8 und 10 Jahren) droht gleich den Zeitplan durcheinander zu bringen. "Die wollen ja gar nicht mehr aufhören zu laufen!", ruft Co-Moderator Fabian Kelly.
Beim Weitwurf freuen sich die Kinder, wenn sie "getroffen" haben, das spürt dann schon mal der ein oder andere Helfer. Die Tischtennis-Platten sind immer umlagert, wer keinen Platz findet, spielt "Luft-Tennis". In den Weitsprunggruben staubt es. Der dreijährige Silas ist gnädig mit den allergiegeplagten Nasen der Helfer, legt eine Weite von ganzen 26 Zentimetern hin - und schaut dann voller Stolz auf den Beifall in die Runde.
Sport stärkt Selbstwertgefühl von Kindern mit Down-Syndrom
Kindern mit Down-Syndrom Selbstwertgefühl zu vermitteln, ist immens wichtig. Sport sei dazu ideal, sagt Landessportarzt Dr. Reinhard Küper vom Hessischen Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband e. V. Er rät, früh damit zu beginnen. Sport fördere die Teamfähigkeit, er gebe körperliche Kraft und helfe, die bei Down-Kindern häufig vorkommende Adipositas zu vermeiden.
Daß sich auch der Judo dafür eignet, wird in der Halle anschaulich vom Budo-Club Mühlheim/Main demonstriert, der in diesem Jahr zum ersten Mal dabei ist. Der seit 1972 bestehende Verein hat 398 aktive Mitglieder, davon sind 58 behindert und zum Teil nicht gehfähig. Wer im Verein mitmachen möchte, erhält zuvor eine ärztliche Eingangsuntersuchung. Die Eltern müssen einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen.
Danach kommt der Arzt ins Training und erklärt Trainern und Judokas, worauf zu achten ist. Das integrative Training ist für Behinderte entsprechend angepaßt worden, sagt Trainer Michael Kempf. So kommen zum Beispiel keine Handpressen vor, denn diese belasten zu sehr den Hals-Wirbel-Bereich. Das im Judo sonst erlaubte "Würgen und Heben" ist verboten. Und wer nicht gehen kann, absolviert die Übungen einfach im Kniestand.
Die behinderten Sportler zwischen fünf und "weit über 40" mit Gürtelfarben von weiß bis braun zeigen Teamgeist und Fürsorge. "Es ist immer wieder schön zu sehen, wieviel Rücksicht Stärkere auf Schwächere nehmen", sagt Trainer Kempf.
Unterdessen wagen die Moderatoren Luger und Kelly mit Tim und Thomas einen Wettlauf außer Konkurrenz. Sie kommen keuchend und mit großem Abstand nach den beiden Jungs ins Ziel. Der sonst sportliche Bobby ist etwas erkältet und will eigentlich nur weitspringen. Doch dann zieht es ihn zum Tischtennis. "Dafür reicht es noch", sagt er grinsend.
Gegen Sportskanone Thomas, der auch Luger beim Laufen hat stehen lassen, verliert er zwar das Spiel - freut sich aber trotzdem. "Toll, der 2. Platz!", ruft er und reißt die Arme in die Höhe wie Michael Schumacher auf dem Siegerpodest. Am Abend, bei der großen Party, wird Schirmherr Bobby den Sport-Kollegen die Siegermedaillen umhängen - und zwar jedem Teilnehmer, denn heute haben mal wieder alle gewonnen.
Das 4. Deutsche Down-Sportlerfestival findet am 30. September 2006 in Magdeburg statt. Anmeldungen bis 15. September bei alexandra.mest@medandmore.de oder Telefon 0 61 72 / 96 61-25. Die Offenen Hessischen Meisterschaften für Judokas mit geistiger Behinderung finden am 27. Mai in Mühlheim statt. Infos im Internet unter www.bc-muehlheim.de