DEGAM-Kongress
Ulcus cruris venosum: Konsequente Kompression, bessere Wundheilung
Bei der Versorgung chronisch-venöser Wunden an den Beinen dreht sich inzwischen vieles um Wundreinigung und Verbandmaterialien. Dabei gerät das Wichtigste aus dem Blick: Die Kompressionstherapie.
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Für eine gute Wundheilung kann Kompressionstherapie bei Ulcus cruris essenziell sein.
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Hannover. Bei der Versorgung von Menschen mit chronisch-venöser Insuffizienz und Beinulzera ist noch Luft nach oben.
Beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) 2025 plädierte ein Allgemeinmediziner dafür, den Fokus vom bloßen Verbandswechsel hin zu einer umfassenderen, evidenzbasierten und patientenzentrierten Behandlung zu verschieben. Hausärztinnen und Hausärzte haben es in der Hand.
95 Prozent der Menschen mit Ulcus cruris venosum (UCV) werden in der Hausarztpraxis betreut, sagte Privatdozent Dr. Jonas Senft, Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg.
„Es wäre es doch ganz gut, wenn wir die Patienten gleich richtig behandeln.“ Bei Auswertung von Krankenversicherungsdaten von über 40.000 Personen mit UCV stellte Senfts Forschungsteam fest, dass das bisher nicht gelingt.
Nur 14 Prozent erhalten dauerhafte Kompressionstherapie
Obwohl kaum etwas in Sachen Wundheilung so gut evidenzbasiert ist, hakt es offenbar vor allem bei der Kompressionstherapie. Nur 47 Prozent bekamen sie überhaupt irgendwann einmal verordnet.
„Noch viel schrecklicher“ fand der Allgemeinmediziner, dass dies nur bei 14 Prozent kontinuierlich geschah – „und so sollte es ja eigentlich sein.“ Insgesamt wurden über 80 Prozent nicht leitliniengerecht behandelt.
Senfts sieht drei Hauptprobleme:
- „Wir fokussieren und heute sehr, sehr stark auf die lokale Wundbehandlung.“
- Ärzte und Patientinnen sind zu wenig über die Kompressionstherapie informiert.
- Im System Wundversorgung gibt es zu viele Player und zu wenig Koordination.
Ein vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördertes Projekt Ulcus Cruris Care (UCC), das Senft und sein Team in einer noch nicht publizierten randomisiert-kontrollierten Phase III-Studie in Hausarztpraxen evaluiert haben, soll das ändern. Es hat drei Säulen:
- Online-Schulung für Ärztinnen, Ärzte und medizinische Fachangestellte
- standardisierte Patientenedukation und Kurs für Patientinnen und Patienten
- softwaregestütztes Fallmanagement
Auch wenn die teilnehmenden Praxen, wohl auch wegen der zeitlichen Überlappung mit der COVID-19-Pandemie, nur 58 der geplanten 126 Patientinnen und Patienten rekrutieren konnten, und der primäre Endpunkt hierdurch verfehlt wurde, ist Senft weiter vom Erfolgsversprechen der Wundbehandlung in Hausarztpraxen überzeugt. „Die Daten deuten schon mal auf einen Effekt hin“, sagte der Allgemeinmediziner.
„Umdenken kann sich lohnen“
Hauptzielkriterium war die Zeit bis zur durch zwei verblindete Untersucher bestätigte Wundheilung. In den Interventionspraxen gelang das schneller, laut Senft ergab sich „eine 2,7-fach erhöhte Chance auf Wundheilung – allerdings die Crux: leider nicht signifikant“.
Nach einem Jahr war die Wundheilungsrate in Praxen, die am UCC-Programm teilnahmen, 3,6-mal höher als in denen, die ihre Patienten und Patientinnen weiter nach eigenen Standards behandelten. Bei diesem sekundären Endpunkt war der Unterschied jetzt auch signifikant.
Als einen der wichtigsten Faktoren machten die Wissenschaftler Unterschiede bei der Kompressionsbehandlung aus. Diese erfolgte in der UCC-Gruppe in 72,2 Prozent leitliniengerecht, in der Kontrollgruppe aber nur in 33,3 Prozent.
Fallbezogene ambulante Gesamtkosten gesenkt
Mit der beschleunigten Wundheilung berichteten die Patientinnen und Patienten aus den Interventionspraxen auch über eine signifikant bessere Lebensqualität.
Zudem konnten die fallbezogenen ambulanten Gesamtkosten der Behandlung von durchschnittlich 3.153 Euro unter Standardtherapie durch die Teilnahme an UCC auf 1.457 Euro mehr als halbiert werden. Senfts Fazit: „Umdenken kann sich lohnen.“