"Iss doch Schokolade"

Umfrage zeigt Unwissen über Depressionen

Was ist eine Depression und wie lässt sie sich behandeln? Viele Deutsche haben keine gute Antwort auf diese Fragen. Eine Umfrage zeigt, wie hoch Informationsbedarf und -lücken sind.

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Schokolade hilft vielleicht bei Frust – aber nicht gegen Depressionen, auch wenn diese Ansicht laut Umfrage weit verbreitet ist.

Schokolade hilft vielleicht bei Frust – aber nicht gegen Depressionen, auch wenn diese Ansicht laut Umfrage weit verbreitet ist.

© CandyBox / iStock / Thinkstock

BERLIN. In Deutschland gibt es mit Blick auf das Krankheitsbild "Depression" große Wissenslücken. So findet nach einer repräsentativen Umfrage fast jeder Fünfte, dass sich Betroffene zusammenreißen sollten, heißt es im "Deutschland-Barometer Depression", das die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und die Stiftung Deutsche Bahn am Dienstag in Berlin vorstellten. Ein weiteres knappes Fünftel hält Schokolade für ein geeignetes Hilfsmittel gegen Depressionen.

Für die Studie wurden von Juni bis August 2000 Menschen zwischen 18 und 69 Jahren befragt. Ergänzt wurden die Ergebnisse durch eine Online-Umfrage unter rund 1000 Betroffenen. Fast ein Viertel (23 %) gab an, dass bei ihnen bereits einmal die Diagnose Depression gestellt worden sei. Mehr als ein Drittel (37 %) weiß um Diagnosen bei Angehörigen oder Freunden. Ein weiteres gutes Drittel (37 %) hatte noch nichts mit der Krankheit zu tun.

Viele halten Schicksalesschläge als Ursache für Depression

Eine deutliche Mehrheit – über 90 Prozent der Befragten – hielt in der Umfrage den Gang zum Arzt oder Psychotherapeuten für den besten Weg, um sich bei einer Depression helfen zu lassen. Nahezu alle Interviewten sahen die Ursache einer Depression in Schicksalsschlägen (96 %) und Belastungen am Arbeitsplatz (94 %). Die Hälfte glaubte an eine falsche Lebensführung, ein Drittel an Charakterschwäche.

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Ganz ähnlich gewichteten Betroffene die Hauptursachen – nur Charakterschwäche steht bei ihnen mit 18 Prozent auf dem letzten Platz.

Damit würden belastende Lebensereignisse für die Entstehung von depressiven Erkrankungen überschätzt, sagte Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Dass eine Depression auch biologische Ursachen habe, sei deutlich weniger bekannt.

Erbliche Komponente weitgehend unbekannt

So kennen in der Studie knapp zwei Drittel der Befragten die große Bedeutung der erblichen Komponente und wissen, dass während einer Depression der Stoffwechsel im Gehirn gestört ist. Bei Betroffenen liegt dieses Wissen um 10 bis 20 Prozent höher.

Insgesamt erkranken nach Angaben der Stiftung jeder Jahr rund 5,3 Millionen Menschen in Deutschland an einer behandlungsbedürftigen Depression. Jeden Tag begingen durchschnittlich 28 Menschen Suizid. Bei vielen Fällen geht die Stiftung von einer schweren Depression als Ursache aus. Nach einer Analyse des Robert Koch-Instituts (RKI) zählen Depressionen inzwischen zu den häufigsten psychischen Leiden in Deutschland.

Angesichts von Versorgungsengpässen in der Psychiatrie und Psychotherapie wurde auch eine Einschätzung zu Online-Hilfsangeboten abgefragt: 60 Prozent der Patienten, die Erfahrung damit haben, bewerten diese als hilfreich, in der Allgemeinbevölkerung sind es nur knapp 40 Prozent. Bedenken gibt es aus Datenschutzgründen: Dies ist bei 70 Prozent in der Allgemeinbevölkerung und bei 55 Prozent der befragten Patienten der Fall.

Mit dem iFightDepression-Tool hat die Deutsche Depressionshilfe ein Online-Angebot entwickelt, das europäisch konsentiert und in zehn Sprachen verfügbar ist. Den Zugang erhalten Patienten allerdings vom Arzt, weil es die ärztliche Therapie unterstützen soll und dem Arzt auch eine Möglichkeit zur Verlaufsbeobachtung gibt. Zur Anwendung wird Ärzten und Psychotherapeuten dazu ein kurzes Schulungsprogramm angeboten. Für Patienten ist das Angebot kostenfrei. (HL/dpa)

iFightDepression – Tool

» Entwickelt von der Deutschen Depressionshilfe, europäisch konsentiert, in zehn verschiedenen Sprachen verfügbar, für Patienten kostenfrei.

» Zugang nur über den behandelnden Arzt, Instrument zum Selbstmanagement und zur Begleitung der ärztlichen Therapie.

» Spezielles Schulungstool für Ärzte

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