Dead Bull

Von der Party in die Notaufnahme

Nach reichlichem Genuss von Energy-Drinks entwickelt ein junger Patient einen Vorderwandinfarkt. Die Diagnostik zeigt einen überraschenden Befund – und wirft zusätzlich Fragen auf.

Von Peter Stiefelhagen Veröffentlicht:
Energy-Drinks enthalten, neben viel Zucker, große Mengen an Koffein und Taurin.

Energy-Drinks enthalten, neben viel Zucker, große Mengen an Koffein und Taurin.

© spf / stock.adobe.com

KÖLN. Ein 25-jähriger Patient stellt sich an einem Samstagvormittag wegen seit einer Stunde anhaltender starker Thoraxschmerzen in der Notaufnahme vor. Am Abend vorher hatte er reichlich "Energy-Drinks", gemischt mit Alkohol, getrunken, insgesamt etwa zwei Liter.

Daraufhin hatte er mehrmals stark erbrochen, 25 Mal in drei Stunden, ohne Blutbeimengungen. Die Einnahme von Drogen wird glaubhaft verneint. Der retrosternal lokalisierte Thoraxschmerz hatte während des Erbrechens eingesetzt, er strahlte nicht aus und es bestand auch keine Dyspnoe. Eine Infektion war in den vorausgegangenen Wochen nicht aufgetreten.

Der Patient war sportlich aktiv, aber Raucher und es bestand auch eine Familienanamnese bezüglich KHK. Vor einem Jahr war eine essenzielle Hypertonie diagnostiziert worden. Diese war mit einem ACE-Hemmer gut eingestellt.

EKG zeigt ST-Hebungsinfarkt

Das sofort abgeleitete EKG zeigte eine ST-Strecken-Hebung in den Ableitungen I, aVL und V1–V4 mit ST-Streckensenkungen in den korrespondierenden Ableitungen nämlich in der Ableitung V6 und den dorsalen Ableitungen. Somit bestand an der Diagnose "akuter ST-Hebungsinfarkt im Vorderwandbereich" keinerlei Zweifel und es wurde sofort eine Koronarangiografie durchgeführt (Res Cardiol 2018; online 4. Mai).

Dabei ergab sich für die Kardiologen von der kardiologischen Klinik in Köln-Porz ein überraschender Befund: Es fand sich eine Dissektion im Bereich der proximalen LAD mit begleitender Okklusion.

Es wurden zwei medikamentenfreisetzende Stents (DES) implantiert, womit ein TIMI-3-Fluss erreicht werden konnte. Eine KHK konnte ausgeschlossen werden. Insgesamt lag die Door-to-balloon- time unter 30 Minuten. Nach der Stentimplantation war der Patient sofort vollkommen beschwerdefrei.

Lävokardiografisch und echokardiografisch fand sich dann eine umschriebene Akinesie im Vorderwandspitzenbereich mit einer Ejektionsfraktion (EF) von 45 Prozent. Auch wurde ein starker Enzymanstieg dokumentiert: CK maximal 4192 U/l, CK-MB maximal 730 U/l und hs-Troponin I maximal 50 ng/ml.

Seltene Infarktursache

Die Koronardissektion ist sicherlich eine sehr seltene Ursache für einen Myokardinfarkt. Sie sollte aber gerade bei sehr jungen Patienten immer als Auslöser diskutiert werden. Bisher sind in der Literatur nur neun Fälle in einem Zusammenhang mit dem Genuss von Energy-Drinks beschrieben.

Dabei stellt sich die Frage, ist das Erbrechen als Infarktsymptom zu sehen, also die Folge der spontanen Dissektion? Oder hat das starke Erbrechen durch den damit verbundenen intrathorakalen Druckanstieg erst die Dissektion verursacht? Diese Frage lässt sich im Einzelfall nur schwer beantworten.

Drei Viertel trinken im Durchschnitt zwei Liter je Monat?

Energy-Drinks sind bei Jugendlichen sehr beliebt: 73 Prozent der 15- bis 18-Jährigen und 53 Prozent der 18- bis 29-Jährigen konsumieren solche Getränke regelmäßig, im Durchschnitt zwei Liter pro Monat. Nicht selten kommt es zu Exzessen.

Die Inhaltsstoffe sind je nach Marke unterschiedlich. Sie alle enthalten aber neben Zucker, Taurin, Guarana, Ginseng und Vitamin B auch Koffein, was die Leistungsfähigkeit und die Konzentration bessern soll.

So enthält eine Dose Red Bull® 80 mg Koffein, das sind mehr als in einer Tasse Kaffee. Dazu kommt, dass auch im Guarana viel Koffein enthalten ist. Der zusätzliche Genuss von Alkohol verstärkt die Koffein-Wirkung, da dieser dessen Ausscheidung stört.

Die Wirkweise von Koffein am Herzen

Koffein entfaltet ungünstige Wirkungen an den Koronargefäßen. Es erhöht die Freisetzung von Kalzium-Ionen in der glatten Gefäßmuskulatur und verhindert die Wiederaufnahme von Kalzium in das sarkoplasmatische Retikulum, führt also zu einer Vasokonstriktion.

Darüber hinaus blockiert es die Adenosin-A2-Rezeptoren in den Endothelzellen der Koronararterien und hemmt dadurch die vasodilatierende Wirkung von Adenosin.

Schließlich wird durch Koffein die Katecholaminfreisetzung verstärkt mit der Folge, dass die alpha-adrenergen Rezeptoren vermehrt stimuliert werden, was ebenfalls zu einer Vasokonstriktion führt.

Was die Pathogenese des Infarkts bei dem Patienten betrifft, so sind die Autoren der Meinung, dass es durch die massive Zufuhr von Koffein zunächst zu einem Vasospasmus gekommen ist. Durch das heftige Erbrechen mit dem daraus resultierenden starken intrathorakalen Druckanstieg dürfte es dann in dem besagten Koronargefäß zu einer Dissektion gekommen sein.

Mehr Informationen zur Kardiologie: www.springermedizin.de

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