HINTERGRUND

Von zwei Statin-Effekten könnten auch Rheuma-Kranke profitieren

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Über die pleiotropen Effekte von Statinen wird viel geredet und noch mehr spekuliert. Und zwar soviel, daß sich die Bundesärztekammer kürzlich veranlaßt sah, die Euphorie etwas zu dämpfen. "Statine sind keine Wundermittel", lautete der Titel einer Pressemeldung bei einer Veranstaltung zur Statin-Therapie in Berlin. Dennoch: Statine gehören nicht nur zu den meistverkauften, sondern auch zu den meistbeforschten Arzneimitteln überhaupt, und zwar längst nicht mehr nur in der kardiovaskulären Forschung.

Antientzündliche Statin-Effekte bestreiten selbst Skeptiker nicht

Das jüngste Beispiel kommt aus der Rheumatologie, wo Wissenschaftler und Ärzte gegenwärtig die Möglichkeit diskutieren, daß eine Behandlung mit Statinen bei rheumatoider Arthritis (RA) von Nutzen sein könnte. Der Gedankengang ist klar: Eine gewisse entzündungshemmende Wirkung gestehen den Statinen selbst Skeptiker zu. Und wenn Substanzen entzündungshemmend wirken, auf welchen Wegen auch immer, dann könnten sie bei entzündlichen Gelenkerkrankungen nutzen.

"Dazu kommt, daß die charakteristischen entzündlichen Veränderungen der Synovia bei RA-Patienten den Gefäßveränderungen bei Atherosklerose sehr stark ähneln", so der Statinspezialist Dr. Iain McInnes vom Zentrum für Rheumatische Erkrankungen der Universität Glasgow.

So weit, so plausibel. Doch wie sieht es mit Untersuchungen zu diesem Thema aus? McInnes, der den aktuellen Forschungsstand in einem Artikel für die Fachzeitschrift "Annals of the Rheumatic Diseases" der Europäischen Rheumaligen zusammengefaßt hat (12, 2004, 1535), hat selbst mit Simvastatin und Atorvastatin gearbeitet. Er konnte in Laborversuchen belegen, daß Simvastatin im Gelenk T-Zellen hemmt und daß außerdem die Freisetzung inflammatorischer Zytokine durch Synoviazellen der Gelenkinnenwand gebremst wird.

Placebo-kontrollierte Studie belegt Vorteil für Atorvastatin

Angespornt durch diese Ergebnisse konzipierte der schottische Arzt die bislang einzige, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie zur Wirksamkeit eines Statins bei Patienten mit RA. 116 Patienten mit Basismedikation und dennoch weiterhin aktiver RA erhielten entweder pro Tag 40 mg Atorvastatin oder Placebo (Lancet 363, 2004, 2015).

In der Verumgruppe sank die mit dem DAS 28 (Disease Activity Score) quantifizierte Krankheitsaktivität innerhalb eines halben Jahres etwa um zehn Prozent. In der Placebogruppe kam es zu einer geringen Zunahme. Der Unterschied war statistisch signifikant. Beim ebenfalls erhobenen Health Assessment Questionnaire gab es allerdings keinen Unterschied zwischen den Gruppen.

McInnes ist weit davon entfernt, RA-Patienten aufgrund dieser Ergebnisse eine Statin-Therapie zu empfehlen. Für möglich hält er es aber, daß eine weitere Erforschung der entzündungshemmenden Wirkungen der Statine zur Entdeckung neuer Signalketten der Entzündungsreaktion führt. So könnten Angriffspunkte für neue, eventuell RA-spezifische antientzündliche Medikamente identifiziert werden.

Eine Statin-Therapie könnte bei RA-Patienten allerdings noch aus einem anderen Grund Sinn machen. Denn die kardiovaskuläre Sterblichkeit dieser Patienten ist erhöht. McInnes hält es für wahrscheinlich, daß für diesen Befund sowohl Entzündungsprozesse als auch klassische Risikofaktoren ursächlich sind.

Zwar sei ein erhöhter Wert für das Gesamtcholesterin kein typischer Befund bei Patienten mit RA. "Typisch aber ist eine Dyslipoproteinämie mit einem erniedrigten HDL-Wert", so der Rheumatologe. Eine Modulation des HDL / LDL-Verhältnisses mit Statinen könnte sich also langfristig günstig auf die Prognose von Patienten mit RA auswirken.

Daß auch eine aggressive entzündungshemmende Behandlung bei RA-Patienten die kardiovaskuläre Sterblichkeit reduziert, legt zudem eine andere Studie nahe. Darin konnten Forscher belegen, daß RA-Patienten länger leben, wenn sie früh Methotrexat erhalten (Lancet 2002, 359, 1173).

Statine könnten bei RA also sogar von doppeltem Nutzen sein, indem sie einerseits die Krankheitsaktivität günstig beeinflussen und andererseits auf traditionellem Weg das KHK-Risiko reduzieren.

Vor voreiligen Schlüssen freilich warnt McInnes: "Es ist klar, daß wir zunächst große prospektive Studien brauchen, um zu überprüfen, ob eine Statin-Therapie bei rheumatoider Arthritis wirklich zu einer Lebensverlängerung führt und ob das bei einer vertretbaren Verträglichkeit erreicht werden kann".



FAZIT

Eine Statin-Therapie bei rheumatoider Arthritis (RA) ist aus zweierlei Gründen interessant: Zum einen wirken Statine entzündungshemmend, und Forscher erwarten deshalb positive Effekte von Statin-Therapien. Ergebnisse einer ersten Placebo-kontrollierten Atorvastatin-Studie bestätigen solche Effekte. Zum anderen haben RA-Patienten eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität und oft Dyslipoproteinämie mit niedrigem HDL. Große prospektive Studien mit Statinen bei RA stehen aber noch aus.

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