Brain-Computer-Interfaces

Wenn der Computer das Sprechen übernimmt

Sprachgelähmten eine „flüssige verbale“ Kommunikation ermöglichen – das sollen Brain-Computer-Interfaces (BCI) schaffen. Erste Forschungserfolge gibt es nun mit BCI-Elektroden, die direkt auf dem motorischen Sprachzentrum der Großhirnhirne platziert werden, meldet die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurologie und funktionelle Bildgebung DGKN vorab zu ihrer virtuellen Tagung.

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Elektroenzephalografie: Bereits heute können Prothesen oder Sprachsysteme rein über Hirnströme gesteuert werden. In einem neuen Ansatz werden Gehirn-Computer-Schnittstellen-Elektroden direkt auf dem motorischen Sprachzentrum der Großhirnrinde platziert.

Elektroenzephalografie: Bereits heute können Prothesen oder Sprachsysteme rein über Hirnströme gesteuert werden. In einem neuen Ansatz werden Gehirn-Computer-Schnittstellen-Elektroden direkt auf dem motorischen Sprachzentrum der Großhirnrinde platziert.

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Stuttgart. Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) findet in diesem Jahr virtuell statt, und zwar vom 10. bis 14. November. Im Vorfeld informiert die Gesellschaft über einige wichtige Themen der Tagung.

Dazu gehören etwa die Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer-Interfaces, BCI), über die Patienten mit fortgeschrittener Amyotropher Lateralsklerose (ALS) oder Patienten nach einem Schlaganfall im Hirnstamm, denen zuweilen jede Möglichkeit zur bewussten Regung verlorengegangen ist, ein sprachlicher Austausch wieder möglich werden soll.

Elektroden auf die Gehirnoberfläche aufgebracht

„Bereits heute können Prothesen oder Sprachsysteme rein über Hirnströme gesteuert werden“, wird Professor Ulf Ziemann, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie und Co-Direktor am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung der Universität Tübingen, in einer Mitteilung der DGKN zitiert. Möglich ist das über Elektroenzephalografie (EEG) direkt auf der Kopfhaut oder es werden in einem invasiven Eingriff Elektroden auf die Gehirnoberfläche aufgebracht, um die dortige Aktivität zu messen.

Die auf einer solchen BCI-Schnittstelle basierenden Systeme sind bislang allerdings noch recht grob und ermöglichen nur eine begrenzte Anzahl an Bewegungen, so die DGKN. Für Gelähmte können sie dennoch heute schon eine große Hilfe sein. Indem sie deren motorische Gehirnsignale direkt an die Muskeln weiterleiten, ermöglichen sie zumindest einfache Bewegungen wie das Füllen und Zum-Mund-Führen eines Glases.

Im Bereich der Sprache müssen die Patienten bislang per Hirnstrom Buchstaben oder Wörter auswählen, die ihnen auf einem Bildschirm präsentiert werden, „ein anstrengendes und zeitraubendes Verfahren, bei dem nicht mehr als zehn Wörter pro Minute generiert werden können“, so Ziemann. Die normale Sprechgeschwindigkeit liegt bei 150 Wörtern pro Minute.

System funktioniert wie ein künstlicher Kehlkopf

In diese Größenordnung wollen Mediziner nun mit neuen BCI-Techniken vordringen. Ziemann weist hier besonders auf die Arbeit von Dr. Anumanchipalli von der University of California in San Francisco hin, der auch auf der DGKN-Tagung über die Dekodierung von sprachrelevanten Vorgängen im Gehirn sprechen wird.

Anumanchipalli und sein Team verfolgen den naheliegenden Ansatz, die BCI-Elektroden direkt auf dem motorischen Sprachzentrum der Großhirnrinde zu platzieren (Nature 2019; 568:493–498). „Dort entstehen die Signale, über die die Motorik von Zunge, Lippen und Kehlkopf beim Sprechen aktiviert wird“, erläutert Ziemann. Auf diese Weise werde der synthetische Sprachgenerator intuitiv, quasi wie ein künstlicher Kehlkopf, direkt und ohne Umweg über einen Bildschirm angesteuert.

Dass dieses Konzept aufgehen kann, zeigten die kalifornischen Mediziner bei Tests mit Epilepsie-Patienten, denen im Rahmen von Operationsvorbereitungen ohnehin ein dichtes Elektrodennetz direkt über dem motorischen Sprachkortex implantiert worden war. Indem die Probanden hunderte vorgegebener Sätze sprachen, trainierten sie einen Dekoder, dessen Sprachausgabe später auch für Unbeteiligte relativ gut verständlich war.

In weiterführenden Versuchen konnte Anumanchipalli zeigen, dass die Dekodierung der Hirnsignale auch dann möglich war, wenn die Probanden die Sätze nicht aussprachen, sondern sie nur lautlos „mimten“ – ein Szenario, das der Situation von sprachunfähigen Patienten deutlich näherkommt. (eb/ikr)

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