Regionales Gesundheitswesen

Berliner Lösungen passen nicht immer für Mecklenburg-Vorpommern

Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern will gesundheitspolitische Fragen künftig stärker in den Vordergrund stellen. Für eine Podiumsdiskussion in Dobbin-Linstow holte sie regionale Akteure an einen Tisch.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Franzel Simon (Helios), Dr. Angelika von Schütz (KVMV), Harry Glawe (CDU), Dr. Beate Krammer-Steiner (Ärztekammer), Hausarzt Dr. Marco Krüger und Klinikmanager Kai Firneisen (von links) diskutierten auf Einladung der CDU über Gesundheitsversorgung in Mecklenburg-Vorpommern.

Franzel Simon (Helios), Dr. Angelika von Schütz (KVMV), Harry Glawe (CDU), Dr. Beate Krammer-Steiner (Ärztekammer), Hausarzt Dr. Marco Krüger und Klinikmanager Kai Firneisen (von links) diskutierten auf Einladung der CDU über Gesundheitsversorgung in Mecklenburg-Vorpommern.

© Dirk Schnack

Dobbin-Linstow. Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern ist seit der letzten Landtagswahl nicht mehr in der Regierung von Mecklenburg-Vorpommern vertreten und stellt nicht mehr den Gesundheitsminister. In der Gesundheitspolitik aber sieht die Partei ein Thema, das die Menschen im Land bewegt und das aus ihrer Sicht permanent auf die landespolitische Agenda gehört.

Parteichef Franz-Robert Liskow hat Gesundheit sogar als eines der wichtigsten in der laufenden Legislaturperiode ausgemacht, und es duldet, wie er auf einer Veranstaltung seiner Partei in Dobbin-Linstow sagte, „keinen Zeitverzug“. Gründe dafür gibt es aus seiner Sicht reichlich: Über 100 offene Hausarztstellen im Land, steigendes Durchschnittsalter in der beruflich tätigen Ärzteschaft, Versorgungslücken, schwierige Erreichbarkeit der medizinischen Zentren und das Spannungsfeld zwischen Qualität, Erreichbarkeit und Finanzierung sind nur eine Auswahl davon.

Berliner Lösungen passen vor Ort nicht immer

Lösungen? Zumindest sollten diese nicht aus Berlin übergestülpt werden. Darin waren sich die meisten Experten in der Podiumsdiskussion dieser Veranstaltung einig. KV-Chefin Dr. Angelika von Schütz etwa stellte klar: „Wir brauchen regionale Lösungsansätze.“ Blaupausen aus Berlin, die für Metropolen oder Länder wie Nordrhein-Westfalen gefertigt werden, helfen dem dünn besiedelten Flächenland in aller Regel nicht weiter, gab die HNO-Ärztin zu bedenken. Wie ausgeprägt etwa der Mangel an interessierten Praxisnachfolgern ist, zeigt ihr persönliches Beispiel: Von Schütz schließt am 31. März ihre HNO-Praxis in Grimmen ab, ohne einen Nachfolger gefunden zu haben – obwohl kein Kaufpreis verlangt war.

Ein anderes Problem für Mecklenburg-Vorpommern: Viele Krankenhäuser dort müssen sich derzeit fragen, in welche der Kategorien, die die Experten für Kliniken vorsehen, sie künftig rutschen und welches Leistungsangebot sie dann noch vorhalten können. So könnte es passieren, dass Kliniken künftig im 1i-Level ambulante Leistungen in Regionen anbieten, in denen es gar keine Versorgungslücken gibt. Für solche Doppelstrukturen im ambulanten Bereich, warnte die KV-Chefin, gäbe es nicht genügend Personal im Gesundheitswesen.

Vorhaltekosten: Finanzierung bitte ohne neue Bürokratie!

Welche Herausforderungen für die Kliniken damit verbunden sind, machte der Geschäftsführer des kommunalen Krankenhauses in Demmin, Kai Firneisen, deutlich. Derzeit sieht er zahlreiche offenen Fragen in den vorliegenden Reformvorschlägen zur Klinikfinanzierung, aber wenig Antworten. Positiv aus seiner Sicht immerhin: Die geplante Finanzierung der Vorhaltekosten. Allerdings befürchtet er, dass damit wieder viel Bürokratie verbunden sein wird und die Mittel unter Umständen zu spät fließen könnten.

Hinzu kommt, dass bei Umwidmung von Krankenhäusern in die Kategorie 1i die Weiterbildung leidet. Dr. Beate Krammer-Steiner aus dem Vorstand der Ärztekammer gab zu bedenken, dass sich dann Weiterbildung immer stärker auf die Zentren konzentriert. Daraus entstehen wiederum negative Konsequenzen für den ländlichen Raum, befürchtet Dr. Thomas Maibaum, ebenfalls Vorstand der Ärztekammer, denn: Wer seine Weiterbildung in einer Stadt absolviert und sich dort familiär etabliert, zieht später eher selten noch aufs Land.

Für den früheren Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) steht ohnehin fest, dass sich an der Struktur der Kliniklandschaft in seinem Bundesland nichts ändern sollte. Reformbedarf sieht er in der Finanzierung, insbesondere Gynäkologie und Pädiatrie müssen aus seiner Sicht Vorhaltepauschalen bekommen.

Infrastruktur in den Kommunen muss stimmen

Was aber kann in Mecklenburg-Vorpommern selbst getan werden, damit sich die Bedingungen für niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser verbessern? Von Schütz erinnerte daran, dass es schon zahlreiche Fördermöglichkeiten durch die gemeinsame Selbstverwaltung gibt. Für Hausarzt Dr. Marco Krüger aus Gnoien ist das allein aber nicht ausreichend. Er sieht auch die Kommunen am Zug, ein attraktives Umfeld mit entsprechender Infrastruktur zu bieten. Als Chance sieht er die Möglichkeit, auf dem Land MVZ aufzubauen, die auch junge und angehende Ärztinnen und Ärzte, die eine Anstellung anstreben, ansprechen.

Demmins Bürgermeister Thomas Witkowski wiederum sieht hier auch die Ärzte selbst in der Pflicht. Sie dürften nicht erst ein halbes Jahr vor Praxisaufgabe damit anfangen, sich um die Nachfolge Gedanken zu machen und die Kommune mit diesem Thema allein lassen, gab der Kommunalpolitiker zu bedenken.

Oder wird die ambulante Versorgung schon bald noch stärker aus den Kliniken heraus bestimmt? Franzel Simon, Regionalgeschäftsführer der Helios Kliniken, hält das zumindest für möglich. Er kann sich vorstellen, dass zum Beispiel das Helios Klinikum Schwerin ambulante Strukturen in der Fläche betreibt, in denen angestellte Ärzte und Ärztinnen aus der Landeshauptstadt eingesetzt werden. Diese hätten zwar kein Interesse an einem Umzug und an einer dauerhaften Anstellung in der Peripherie - für einige Wochen aber könnten sich das viele vorstellen, sagte Simon. Seine Forderung: „Dafür müsste sich die KV öffnen.“

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