Analyse aus China

COVID-19 ist für Männer gefährlicher

Ein höheres Alter und Begleiterkrankungen verschlechtern bekanntlich die Prognose von COVID-19-Patienten. Und laut einer Analyse aus China spielt auch das Geschlecht eine Rolle.

Von Dr. Beate Schumacher Veröffentlicht:
Bei männlichen Studienteilnehmern war ein tödlicher COVID-19-Verlauf mehr als doppelt so häufig wie bei den erkrankten Frauen.

Bei männlichen Studienteilnehmern war ein tödlicher COVID-19-Verlauf mehr als doppelt so häufig wie bei den erkrankten Frauen.

© PETER_LSW / iStock

Peking. Das Risiko für einen lebensbedrohlichen Verlauf von COVID-19 wird außer durch das Alter und chronische Erkrankungen vermutlich auch durch das Geschlecht der Erkrankten beeinflusst: Nach einer Studie aus China entwickeln Männer eher schwere Symptome und sterben doppelt so häufig an den Folgen der Infektion (Front Public Health 2020; online 29. April).

Den Anlass für die Studie gab die COVID-19-Todesstatistik: Bis Ende Februar waren in Festlandchina zwei Drittel der Verstorbenen Männer. Um zu klären, ob Männer nur anfälliger für eine Infektion sind oder ob sie tatsächlich durch die Erkrankung stärker gefährdet sind, haben Ärzte der Universität Peking die Datensätze von zwei Patientenkohorten genauer angeschaut.

Dabei handelte es sich um eine Serie von 43 Patienten, die die Pekinger Ärzte selbst behandelt hatten, sowie um 1056 Patienten, deren Daten öffentlich verfügbar waren.

70 Prozent der Gestorbenen männlich

Von den 43 Patienten waren 22 Männer, sie unterschieden sich in Alter und Begleiterkrankungen nicht von den erkrankten Frauen. Insgesamt kam es jeweils bei etwa einem Drittel der Patienten zu einer leichten bis mittelschweren Pneumonie, einer schweren Symptomatik mit Atemnot beziehungsweise einem kritischen Zustand mit akutem Atemnotsyndrom und/oder Organversagen.

Die Erkrankungen von Männern waren insgesamt schwerwiegender, wie die Ärzte um Professor Jian-Min Jin berichten.

Unter den 1056 COVID-19-Patienten waren beide Geschlechter ebenfalls zu etwa gleichen Anteilen vertreten (51 Prozent Männer). 37 Patienten starben an den Folgen der Infektion; sie waren mit im Mittel 70 Jahren signifikant älter als die Überlebenden mit 47 Jahren.

Der Anteil der Männer an den Verstorbenen betrug 70 Prozent. Ein tödlicher Verlauf war bei ihnen damit mehr als doppelt so häufig wie bei den erkrankten Frauen. Die höhere Sterberate ließ sich jedoch nicht mit dem Alter erklären: Männer und Frauen waren in den beiden Gruppen jeweils ähnlich alt.

Mit anderen Worten: „Männer und Frauen hatten dieselbe Suszeptibilität, aber Männer waren anfälliger zu sterben“, so Jin und Kollegen.

Zusammenhang mit ACE2?

Die Ärzte weisen darauf hin, dass eine Gender-Differenz auch bei der Infektion mit einem anderen Coronavirus zu beobachten war: Von 524 Patienten, die in Peking im Jahr 2003 mit SARS stationär behandelt wurden, starben mehr Männer als Frauen; die Mortalität lag um knapp 50 Prozent höher.

„Das Geschlecht ist ein Risikofaktor für Schweregrad und Mortalität von COVID-19, unabhängig von Alter und Suszeptibilität“, fassen die Wissenschaftler die Ergebnisse zusammen. Die stärkere Gefährdung von Männern könnte mit der Expression des Enzyms ACE2 zusammenhängen: Es wird sowohl von SARS-CoV-2 als auch von SARS-CoV-1 als Rezeptor für den Eintritt in menschliche Zellen benötigt.

Erhöhte Konzentrationen von zirkulierendem ACE2 lassen sich ebenso wie bei Menschen mit Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen auch bei Männern nachweisen.

„Erste vorläufige“ Analyse

Zu beachten ist, dass die Ergebnisse auf nur 37 Todesfällen durch SARS-CoV-2 beruhen. Die Studienautoren betonen daher, dass es sich um eine „erste vorläufige“ Analyse handele.

Ein Hinweis auf das Geschlecht als möglichen Risikofaktor ergibt sich indes auch aus anderen COVID-19-Statistiken. Von den in Deutschland bis zum 28. April registrierten Infektionen traten 48 Prozent bei Männern auf.

Unter den zu diesem Zeitpunkt dokumentierten Todesfällen mit COVID-19 machten Männer jedoch 56 Prozent aus. Bei den Todesfällen vor dem 90. Lebensjahr erreichte ihr Anteil sogar 61 Prozent.

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