Prävention und Opferschutz

Medizinische Hochschule Hannover startet Projekt gegen sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen

Jugendliche, die ihre sexuellen Impulse nicht kontrollieren können, erhalten in einer neuen Ambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover ab sofort anonym und kostenlos therapeutische Hilfe.

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Viele Jugendliche teilen pornographische Bilder über ihr Handy. Wer seine Impulse gar nicht kontrollieren kann, findet nun in einem neuen Projekt Hilfe.

Viele Jugendliche teilen pornographische Bilder über ihr Handy. Wer seine Impulse gar nicht kontrollieren kann, findet nun in einem neuen Projekt Hilfe.

© DragonImages / stock.adobe.com

Hannover. Psychologinnen und Psychologen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben ein Projekt gestartet, das sich an die jugendlichen Täter sexualisierter Gewalt richtet: „180Grad“. Das teilte die MHH am Donnerstag mit.

Das diagnostische und therapeutische Angebot richtet sich an Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren, die fürchten, ihre sexuellen Impulse nicht mehr kontrollieren zu können, so die MHH. Unter dem Motto „Tatprävention ist der beste Opferschutz“ erhalten Betroffene hier anonym und kostenlos therapeutische Hilfe unter Schweigepflicht.

„Unser Ziel ist es, einzugreifen, bevor juristisch relevante Dinge geschehen“, sagt der Mitinitiator und leitende Psychologe im Arbeitsbereich für klinische Psychologie und Sexualmedizin an der MHH, Dr. Jonas Kneer.

Die Jugendlichen sollen lernen, ihre sexuellen Bedürfnisse sozial angemessen zu befriedigen, ohne die Grenzen anderer zu überschreiten. Das Niedersächsische Gesundheitsministerium finanziert das Projekt mit 300.000 Euro für drei Jahre. „Das bedeutet zweieinhalb Psychologinnenstellen“, sagt Kneer.

Exzessiver Konsum von Pornographie

Zu den Taten gehören neben dem exzessiven Konsum von (Kinder-) Pornografie auch sexualisierte Gewaltphantasien und Übergriffe. „Wir unterscheiden nicht-körperliche sexuelle Gewalt, wie anzügliche Bilder oder Beleidigungen, von körperlichen sexuellen Kontakten ohne Zustimmung oder gegen den Willen der Opfer“, so Kneer zur Ärzte Zeitung.

Die Hannoveraner Psychologen setzen auf die Einsicht der Täter in ihr falsches Verhalten. Sie soll die Täterinnen und Täter in die Ambulanz führen. „Eltern, Freunde und auch die Opfer selber könnten die Täter dazu bewegen, sich behandeln zu lassen“, sagt Kneer. „Schließlich sindsie in 75 Prozent aller Fälle den Opfern bekannt!“ Unsere Erfahrung zeige, dass viele Patienten bereits im Jugendalter unter der Problematik leiden, so Professor Dr. Tillmann Krüger, Leiter des Arbeitsbereichs Klinische Psychologie und Sexualmedizin.

Jeder zehnte Tatverdächtige ist unter 18

Laut polizeilicher Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes (PKS) zählte das BKA im Jahr 2021 fast 107.000 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und fast 82.000 Täter, darunter rund 7500 Mädchen oder Frauen.

Jeder zehnte Tatverdächtige in Fällen von sexualisierter Gewalt ist unter 18 Jahre alt. Seit 2018 hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen unter den Tatverdächtigen mehr als verzehnfacht, sie machen mittlerweile 40 Prozent der Tatverdächtigen aus. (cben)

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